Filmkritik

Die Konklave ist Krieg

Der Kinofilm „Konklave“ des oscarprämierten Regisseurs Edward Berger („Im Westen nichts Neues“) ist ein intensiver Thriller um die geheimnisumwitterte Papstwahl in Rom. Er schafft dabei das Kunststück, sogar tiefgehende theologische Fragen aufzuwerfen.
Von Jörn Schumacher
Konklave

Edward Bergers Verfilmung von „Im Westen nichts Neues“ wurde 2023 mit vier Oscars ausgezeichnet. Sein neuer Film „Konklave“ macht eines der ältesten Rituale und geheimnisumwobensten Rituale, die Wahl eines neuen Papstes, zum Thriller. Der in Wolfsburg geborene Regisseur setzt dabei auf intensive Bilder, ein fesselndes Verwirrspiel um kirchliche Macht und ein exzellentes Schauspieler-Ensemble. In den Hauptrollen brillieren: Ralph Fiennes („Grand Budapest Hotel“, „Schindlers Liste“, „Der englische Patient“) und Stanley Tucci („Die Tribute von Panem“). In einer Nebenrolle: die Italienerin Isabella Rossellini.

Der alte Papst ist gestorben, ein neuer muss gewählt werden. Man kennt vielleicht mehr oder weniger die eine oder andere mit dem Ritual verbundene Tradition. Die Kardinäle ziehen sich zurück, schließen sich ein, bis der neue Papst feststeht, schwarzer Rauch steigt aus dem Schornstein auf, wenn die Wahl erfolglos verlief, weißer, wenn der neue Papst feststeht. Doch noch nie hat man als Kino-Zuschauer so sehr das Gefühl gehabt, tatsächlich einmal hinter die Geheimnisse dieser Prozedur schauen zu können.

Kardinal Lawrence (Fiennes) ist mit der schwierigen Aufgabe betraut, die Wahl des neuen Papstes zu koordinieren. Schon zu Beginn nur widerwillig seine Pflicht erfüllend, gerät er zunehmend in ein Dickicht aus unergründlichen Machtspielchen. Ohnehin in seinem Glauben (an die Kirche, nicht an Gott) geschwächt, bestärkt ihn der Blick auf die Machenschaften in seinem Zweifel, ob die Kirche wirklich noch Gott dient – oder nicht vielmehr ihrem eigenen Machterhalt.

Extreme Positionen in der Kirche treffen aufeinander

Eine Allianz um Lawrence will unbedingt verhindern, dass Kardinal Tedesco neuer Papst wird. Denn der erzkonservative Italiener will die Kirche zurückversetzen in längst vergangene Zeiten, als noch Latein unter den Kardinälen gesprochen wurde. Er wolle alles, was die Kirche in den vergangenen 60 Jahren an Fortschritt vollbracht hat, wieder rückgängig machen, warnt Lawrence. Ganz nebenbei entpuppt sich Tedesco auch noch als Rassist, der als Papst den Islam bekämpfen und einen schwarzen Papst massiv torpedieren würde. Schon der frühere Papst, der als fortschrittlich und liberal galt, musste fast täglich unter den Angriffen Tedescos leiden.

Kardinal Bellini (Stanley Tusci) und Lawrence wiederum präsentieren sich als liberale Geistliche, die für mehr Rechte von Frauen und Schwule in der Kirche kämpfen wollen sowie für Toleranz Andersgläubigen gegenüber. Dann taucht ein bisher unbekannter Kardinal auf, der in kein Raster passen will: Benitez ist nicht nur Kardinal in Kabul, sondern dazu auch noch Mexikaner (gleich zwei rote Tücher für Konservative). Doch schon als er als Neuling unter seinen geistlichen Brüdern das gemeinsame Gebet zum Essen spricht, wird seine Geisteshaltung klar. Anstatt lediglich übliche traditionelle Phrasen herunterzurasseln, beginnt er ein kurzes, aber ehrliches Gebet zu sprechen; für die Hungrigen dieser Welt, für die Einsamen, ja, er dankt sogar Gott für die Frauen in der Kirche, die so fleißig helfen.

Der Klang der Stille

Berger ist mit eindrücklichen Bildern und glaubwürdigen Charakteren ein faszinierender Einblick in den Vatikan gelungen. Diese Thriller schafft nicht nur Spannung vor dem Hintergrund des Vatikans, sondern thematisiert grundlegende geistliche Fragen der Kirche. Nie karikiert Berger die katholischen Geistlichen, er widersteht der Versuchung, skurrile Figuren mit religiösen Spleens zu zeigen, die beliebte Klischees zwischen „Der Exorzist“, „Der Name der Rose“ und Dan Brown hätten bedienen können.

Zudem setzt Berger wie schon in „Im Westen nichts Neues“ eindrücklich den Sound als eigenen starken Charakter ein. Er spielt mit der absoluten Stille, wo eigentlich keine sein sollte; so wirkt sie zwar fast unnatürlich, erst recht in riesigen Hallen wie denen im Vatikan, in denen die mehr als 100 Geistlichen ihrer Aufgaben nachgehen, sie führt aber zu einer bemerkenswerten Intensität. Jedes Geräusch wirkt hier ohrenbetäubend, die Musik erreicht schon in Form leiser Streicher genau so viel Dramatik wie anderswo ein riesiges Orchester.

Kinostart für diesen sehenswerten Streifen, der durchaus als möglicher Oscar-Kandidat gehandelt wird, ist am 21. November.

Kampf gegen den Feind – oder Kampf gegen uns selbst?

Teilweise geht es hier tief in das theologische Selbstverständnis der Kirchenoberen. Dazu gehören Fragen wie: Wem dienen wir eigentlich? Gott oder der Kirche? Und wo liegen da die Unterschiede? Kardinal Lawrence verdeutlicht die zwei Wege, die die Kirche einschlagen kann: Entweder, sie macht weiter wie über Jahrhunderte zuvor, schließt Menschen aus, lässt das (kirchliche) Gesetz sprechen anstatt das (göttliche) Herz, sie ist gegen das Andere und stellt die Kurie über die Liebe. Oder aber sie öffnet sich der Toleranz, räumt Frauen mehr Mitspracherecht ein, verhindert nicht länger die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben. Theologisch zentral hierbei ist Lawrence’ Credo: „Die größte Sünde ist die Gewissheit.“ Sie spaltet, erstickt jeden Dialog, sie ist der Feind jeder Gemeinschaft und jeder Toleranz. Dabei zeigt doch allein das Zusammenkommen der Kardinäle aus aller Welt, das hier filmisch umgesetzt wurde: Alle entstammen sie völlig unterschiedlichen Erdteilen und Kulturen.

Theologisch am interessantesten sind die Streitgespräche zwischen Lawrence und Bellini, die beide ein Fortschreiten der Reformierung der Katholischen Kirche anstreben. „Die Konklave ist ein Krieg!“, behauptet Bellini. Und sogar in Lawrence, der eigentlich nach der Durchführung der Konklave als Kardinal abdanken möchte, regt sich dann doch ein leiser Verdacht, als Papst selbst vielleicht doch nicht ganz so ungeeignet zu sein. „Ambition, die Motte der Heiligkeit“, kommentiert Bellini.

Am Ende steht die Erkenntnis, dass eigentlich kein Kandidat eine reine Weste hat. Alle sind sie Menschen, alle begehen sie Sünden. Und dennoch scheint am Ende des Films die Wahl des geeignetsten Kardinals perfekt. Kirche kann eben doch auch mehr sein als Tradition, wenn sie nur will, setzt sich die Hoffnung der Kardinäle nach vielen gescheiterten Wahldurchgängen durch. Und ja, auch der berühmte schwarze Rauch, erzeugt durch eine Farb-Mischung, die dem Feuer beigemischt wird, ist am Ende zu sehen.

Es ist ein leises Säuseln des Windes, schon in der Bibel symbolisch für den Heiligen Geist (1.Könige 19,12), das die Geistlichen auf die richtige Spur zu führen scheint. „Konklave“ hat am Ende auch eine Botschaft, die man durchaus auch auf andere Strukturen übertragen kann, auch auf politische, selbst auf einen Trumpismus: „Der Kampf findet in unseren Herzen statt.“ Wir müssen dem Hass und der Angst keinen Raum geben.

„Konklave“, 120 Minuten, Kinostart: 21. November 2024, Regie: Edward Berger, mit Ralph Fiennes, Stanley Tucci, Isabella Rossellini

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