Er war nicht wirklich gegen Religion eingestellt. Nur kam sie ihm dumm und nutzlos vor, und es gab ja so viele davon auf der Welt – warum sollte ausgerechnet das Christentum die einzig wahre sein? Der irische Schriftsteller und Literaturwissenschaftler C.S. Lewis wuchs zwar im christlich geprägten England des 20. Jahrhunderts und bei einem protestantischen Vater auf, doch schon früh entschied der Junge: Mit Religion will er nichts zu tun haben. Dafür hielt er sich für zu schlau. Denn an Gott glauben ja nur Leute, die auch an Märchen glauben.
Das war viele Jahre die Grundüberzeugung des Autors, der bekannt wurde für die Fantasy-Reihe „Die Chroniken von Narnia“. In der renommierten Universität Oxford lernte und lehrte Lewis Englische Literatur des Mittelalters und der Renaissance, er studierte Griechisch und Latein, Philosophie und Geschichte. Dieser gelehrte Mann war überzeugt: Die Welt ist ein gottloser Ort und zudem wie ein sinkendes Schiff, alles ist dem Tod geweiht und das Leben ist letzten Endes sinnlos. „Ich glaubte nicht an die Existenz Gottes“, sagt Lewis im Film. „Ich war wütend auf Gott wegen seines Nichtexistierens.“
Das 73 Minuten lange Biopic „The Most Reluctant Convert: The Untold Story of C.S. Lewis“ erzählt die Entwicklung und den inneren Kampf nach, den Lewis in den 1920er Jahren ausfocht, als er in Oxford studierte und eigentlich Jedem gegenüber den materialistischen Atheismus verteidigte. Ein Hauptdarsteller, Max McLean, führt als C.S. Lewis durch verschiedene Stationen im Leben des bekannten Schriftstellers. Seine Mutter starb an Krebs. Zu seinem Vater, von dem er und sein Bruder Warren erzogen wurden, hatte er keine gute Beziehung, Lewis kämpfte in Frankreich im Schützengraben gegen die Deutschen, danach studierte er in Oxford. Manche Szenen seiner Kindheit werden von Schauspielern nachgespielt, meistens aber führt McLean als C.S. Lewis durch den Film, was den Streifen ein wenig monologlastig macht. Der 68-jährige McLean ist Gründer und Direktor der Theaterproduktionsfirma „Fellowship for Performing Arts“ (FPA) in New York City und kennt sich bestens mit C.S. Lewis aus: Er veröffentlichte bereits mehrere Theaterstücke und Filme über Lewis und den christlichen Glauben und sprach mehrere Hörbibeln ein. Der Film „The Most Reluctant Convert“ basiert auf der Autobiographie Lewis, „Überrascht von Freude“.
Sehnsucht wie nach dem Duft einer Blume, die wir noch nicht gefunden haben
Es war die Suche nach einer Freude, die man nur in kurzen, besonderen Augenblicken erfährt, die Lewis antrieb, weiter nach Sinn in der Welt zu suchen. In einem Augenblick seiner Kindheit erfuhr er, was Schönheit und die Sehnsucht danach waren, berichtet er. „Aber bevor ich wusste, was ich da ersehnte, war die Sehnsucht schon wieder weg. Seit dem suchte ich danach, diese Erfahrung wieder zu machen, in Büchern, auf Spaziergängen, in der Musik.“ Er nannte diese Sehnsucht Freude: „Man sollte sie von Begriffen wie Glück oder Genuss abgrenzen.“ Es sei auch eine Art Schmerz damit verbunden, denn jeder Mensch sehne sich danach. „Es ist wie der Duft einer Blume, die wir noch nicht gefunden haben, wie eine Melodie, die wir noch nie gehört haben, oder Neuigkeiten aus einem Land, das wir noch nie besucht haben.“ Fest stehe: Jeder Mensch, der von dieser Freude schon einmal geschmeckt hat, würde alle Genüsse dieser Welt dafür hergeben.
Der Film, der zunächst nur am 3. November in verschiedenen Städten Nordamerikas zu sehen ist, lebt vor allem von der schauspielerischen Kraft McLeans, den schönen, an Originalschauplätzen an der Universität Oxford gemachten Aufnahmen, und einer Musik, die selbst aus einem Narnia-Film stammen könnte. Das Englisch allerdings ist anspruchsvoll – immerhin war Lewis Literaturwissenschaftler. Man kann dem Film, sollte er denn einmal auf Deutsch erscheinen, nur gute deutsche Synchronsprecher wünschen.
„Wie jemand, der lange schlief und plötzlich merkt, dass er wach ist“
Der Zuschauer ist Zeuge, wie der belesene Oxford-Professor mit seinen inneren Widerständen kämpft, Gott anzuerkennen. Manche Menschen werden vielleicht von ihren Gefühlen übermannt, wenn sie Gott begegnen, andere haben große Schuldgefühle oder ersehnen sich Hilfe von oben. Lewis hingegen geht die Frage intellektuell an, prüft alle logischen Argumente für und gegen Gott, und braucht entsprechend auch etwas länger. „Im Trimester 1929 gab ich dann auf“, berichtet er. „Ich gab zu, dass Gott Gott ist.“ Er kniete nieder und betete. „Vielleicht in jener Nacht der niedergeschlagenste und widerwilligste Bekehrte in ganz England.“ Er fühlte sich wie jemand, „der lange schlief und plötzlich merkt, dass er wach ist“.
Was die Bedeutung des Erlösungstodes Jesu angeht, gab ihm niemand Geringeres als J.R.R. Tolkien, den Lewis „Toller“ nannte, den entscheidenden Stubs. Der Autor der „Herr der Ringe“-Trilogie erklärte seinem Freund Lewis: Wenn man irgendwo von einem Gott liest, der sich selbst opfert, sei es nun in einer heidnischen Geschichte, in den griechischen Sagen oder in einem Märchen, dann, so Tolkien, sei man jedes Mal auf eine eigentümliche Weise bewegt. Die Geschichte von Jesu Tod zeige allerdings einen wichtigen Unterschied: „Sie ist wirklich passiert.“ Lewis wurde plötzlich klar, dass die Berichte in der Bibel anders sind als all die Geschichten in der Literatur, die er als Oxford-Professor studierte. Hier ging es um eine lebendige Beziehung. Alles kulminiert in der Entscheidung: Entweder Jesus war verrückt, ein Lügner oder die wichtigste Person, die je gelebt hat.
Bei seiner Suche nach Freude schien C.S. Lewis auf dem richtigen Weg zu sein. Offenbar war dieses Leben, das wir auf der Erde führen, nicht das eigentliche Leben, das für uns vorbestimmt ist, so Lewis im Film. „Wenn wir in uns eine Sehnsucht haben, die kein Erlebnis in der Welt stillen kann, dann ist die naheliegendste Erklärung: Wir wurden für eine andere Welt gemacht.“ Wir lebten im Moment quasi auf der anderen Seite der Tür, so Lewis. Und dem ehemaligen Atheisten wird klar: „Wir sind aufgerufen, dem großen Captain in uns zu folgen. Ihm zu folgen, ist der alles entscheidende Punkt.“
Eine Antwort
„Boh äh“, das muss ja echt ein wunderbarer Film sein ! Schade, dass der noch nicht in deutscher Sprache zu sehen, zu erleben ist.
Wenn der mal in deutscher Sprache heraus kommt, fände ich einen dementsprechenden Hinweis hier in „PROkompakt“ sehr wünschenswert.
Vielen Dank, Jörn Schumacher, für diese aufschlussreiche Rezension !