Der Befund aus dem vorigen Jahr war alarmierend: Eine Mehrheit von 44 Prozent der Deutschen war der Ansicht, dass man nicht frei über die politische Meinung sprechen könne, sondern lieber vorsichtig sein sollte. Nur 40 Prozent empfanden eine größere Meinungsfreiheit.
Ein Jahr später hat sich die Stimmung gedreht, wenn auch auf bescheidenem Niveau. 41 Prozent sind noch der Ansicht, dass Vorsicht geboten sei. Doch mit 47 Prozent gibt die Mehrheit der Befragten an, man könne die eigene politische Meinung heute frei sagen. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle „Freiheitsindex“ des demoskopischen Instituts Allensbach und des Medienforschungsunternehmens „Media Tenor“.
„Aufmerksamkeit lautet die Währung der repräsentativen Demokratie“, betont Roland Schatz, Leiter von „Media Tenor“, in seiner Analyse und hebt die Rolle der Medien hervor. Ein kollektives „Erleben des Nicht-Gehört-Werdens“ habe dazu beigetragen, dass sich im vorigen Jahr „erstmals mehr Deutsche auf die Seite des Lagers ‚Angst‘ schlugen“. Wer sich bei den öffentlich verhandelten Themen nicht wiederfinde, verabschiede sich aus der Demokratie.
Raum für mehr Positionen
In den vergangenen Monaten seien in den Leitmedien und der öffentlichen Debatte aber Themen und Positionen sichtbarer geworden, die bis dahin unterbelichtet gewesen seien, sagt Schatz. Das erkläre den Stimmungswandel.
So sei die ablehnende Haltung gegenüber dem Gendern in den Medien breiter thematisiert worden. Auch hätten die Medien vielfältigere Positionen und Argumente zu den Kriegen in der Ukraine und in Israel aufgegriffen. Und die AfD und ihre Inhalte hätten einen größeren Raum in der Berichterstattung bekommen, was das Argument von deren Vertretern und Anhängern widerlege, die Partei werde vom „Mainstream“ unterdrückt.
Zudem weist Schatz auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Mai dieses Jahres hin: Eine Klägerin hatte sich dagegen gewehrt, den Rundfunkbeitrag zu zahlen. Nachdem sie in erster Instanz gescheitert war, ließen die Bundesrichter Revision zu. Es sei zu prüfen, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinem Auftrag ausreichend nachkomme, „ein der Vielfaltssicherung dienendes Programm anzubieten“ – und inwiefern dann der Rundfunkbeitrag für den Einzelnen gerechtfertigt ist.
Vertrauen in öffentlich-rechtliche Medien sinkt
Insgesamt geben 28 Prozent der Deutschen an, dass ihre Meinung oft in den Medien vorkommt. Vor allem Menschen mit Haupt- und Realschulabschluss sowie Bürger der ostdeutschen Bundesländer fühlen sich in den Medien kaum oder gar nicht vertreten. Nach Einschätzung von Thomas Peters vom Allensbacher Institut ist das ein möglicher Grund dafür, dass das Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Medien abnimmt.
Diese sind laut der Untersuchung zwar nach wie vor die wichtigste Quelle für Informationen über das aktuelle politische Geschehen – fast drei Viertel der Befragten nutzen sie dafür. Doch nur etwas mehr als die Hälfte hält sie auch für glaubwürdig. „Es werden über die Medien Diskussionen geführt, die zwar wesentlich das politische Handeln bestimmen, aber weit an der Mehrheit der Bürger vorbeilaufen“, fasst Peters zusammen.
Die empfundene Freiheit, seine Meinung unbeschadet sagen zu können, fließt in einen umfassenderen „Freiheitsindex“ ein. Neben der persönlichen Wahrnehmung fragen die Forscher danach, welche Bedeutung die Menschen der Freiheit auf gesellschaftlicher Ebene beimessen – wie stark sie etwa für Verbote sind oder wie wichtig ihnen Freiheit im Verhältnis zu Werten wie Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit ist. Zudem gibt eine Medienanalyse Auskunft darüber, welche Rolle das Thema in der Berichterstattung spielt. Der diesjährige Wert weist in den Augen der Forscher auf einen insgesamt positiven Trend hin; Freiheit habe im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts spürbar an Gewicht gewonnen.