Kommentar

Die CDU muss den Spieß umdrehen

Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und in Sachsen sind wenig überraschend, erschüttern die Republik aber trotzdem. Vier Lehren. 
Von Nicolai Franz

Wählerbeschimpfung ist fehl am Platze

Es ist leicht, Wähler von AfD und BSW zu kritisieren. Die Erfahrung zeigt aber: Das bringt wenig bis nichts. Oft sogar bewirkt es das Gegenteil, ganz im Sinne der reverse psychology: Wer versucht, Menschen zu etwas zu bewegen, was sie nicht wollen, provoziert eine Trotzreaktion. Dann wählen die Menschen die AfD eben trotzdem: „Jetzt erst recht.“ 

Manche Wähler sind so weit entfernt vom Diskurs, dass man sie nicht mehr erreichen kann. Aber nicht alle. Sie gewinnt man durch bessere Politik, durch Zuhören und Ernstnehmen. Wer nach einer Wahlniederlage meint, man habe „unsere Politik leider nicht gut genug erklärt“, offenbart neben einer arroganten Grundhaltung vor allem, dass er nichts gelernt hat: Wir sind auf dem richtigen Weg, aber die Wähler sind zu schlicht uns zu verstehen – solche Sätze gehen nach hinten los.

Die CDU muss den Spieß umdrehen

Sowohl in Sachsen als auch in Thüringen droht eine schwierige Regierungsbildung. Michael Kretschmer (CDU) könnte seine Kenia-Koalition mit SPD und Grünen als Minderheitsregierung fortsetzen. Noch schwieriger sieht die Lage in Thüringen aus. Die CDU hat sich per Bundesparteitagsbeschluss mehrfach festgelegt: Eine Zusammenarbeit wird es weder mit der Linkspartei geben noch mit der AfD. Das wussten die CDU-Wähler auch, als sie ihre Stimme abgaben. Aus dem Wahlergebnis also einen Regierungsauftrag für eine AfD-CDU-Regierung abzuleiten, wäre daher absurd.

Die Unvereinbarkeit mit Linke und AfD leitet sie auch aus ihren christlichen Werten ab. Mit der Rechtsnachfolgerin der SED, die die Bevölkerung der DDR einsperrte und in denen Christen systematisch unterdrückt wurden, will sie nichts zu tun haben. Ebenso wenig mit der AfD, die weiterhin Extremisten in ihren Reihen nicht nur duldet, sondern bewusst fördert. 

Die AfD ist keine nostalgische Version der CDU, wenn man dem Thüringer AfD-Spitzenkandidaten Björn Höcke glaubt. Er nannte die CDU kurz vor der Wahl eine „transatlantische Vasallenpartei“: „Die CDU war niemals eine deutsche Partei. Die CDU hat niemals deutsche Interessen oben angesetzt.“ Einige wünschten sich die CDU der 90er Jahre zurück, sagte er vor Unterstützern, „nur das Wohlstandsversprechen, kombiniert mit so einer Art Fassadenpatriotismus. Freunde, es gibt kein Zurück in die Geschichte. Und das ist auch gut so, es gibt nur ein ‚nach vorne‘.“

Gegen das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) hat die CDU keinen solchen Beschluss und könnte mit ihr eine Regierung bilden. Die CDU würde aber jede Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie mit dem BSW koalieren würde. Schließlich besteht die noch junge Partei nicht gerade aus moderaten Ex-Linken, sondern aus Personen, die die Westbindung auflösen wollen und Narrative des Kreml verbreiten. Würde die CDU mit diesen Leuten paktieren, könnte sie auch gleich zur AfD  und – sowieso – zur Linken gehen.

Noch am Wahlabend hat das BSW klargemacht, dass sie „ein Nein zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen“ zur Bedingung für mögliche Koalitionen machen will, auch wenn das mit thüringischer Landespolitik nichts zu tun hat.

Die CDU sollte es nun tunlichst unterlassen, mit SPD und BSW eine Regierung anzustreben. Denn genau das hilft am Ende der AfD. Benedikt Kaiser, Autor und Publizist der Neuen Rechten, schrieb im Juni auf „X“ (vormals Twitter) das Playbook für Thüringen: Die Linke „pulverisieren“, selbst 30 Prozent erreichen und die CDU in eine „fragile Linkskoalition mit SPD und Wolf-BSW zwingen“. Was dann folgen soll: „CDU-Widersprüche bespielen“ (damit meint er die Unvereinbarkeitsbeschlüsse); „auf Implosion hinarbeiten; bei der nächsten Wahl die CDU pulverisieren“.

Die CDU darf dieses Spiel aber nicht mitspielen – sondern muss den Spieß umdrehen. Statt sich treiben zu lassen, sollte sie die AfD in die Pflicht nehmen, mit dem BSW eine Koalition zu bilden. Die beiden Parteien hätten mit 47 Stimmen eine dünne Mehrheit im Parlament. Wenn die alles andere als harmonische AfD plötzlich mit Verantwortung konfrontiert ist, dann aber wie so oft Mitglieder die Fraktion verlassen und die Mehrheit wackelt, wenn gar plötzlich Kompromisse nötig sind, dann ist es umgekehrt: CDU und SPD treiben die Populisten von AfD und BSW vor sich her, nicht umgekehrt. Und dann könnte es die AfD sein, die implodiert. Zugegeben: ein riskantes Spiel. Aber die Mehrheit der Thüringer hat sich bei einer hohen Wahlbeteiligung von 73,6 Prozent nun mal für Parteien entschieden, die von westlichen Demokratien in ihrem jetzigen Zustand wenig halten. Dann muss man sie auch nicht vor den Konsequenzen ihrer Wahlentscheidung schützen.

Die Ampel ist am Ende

Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP war vor ihren miserablen Ergebnissen in Sachsen und Thüringen schon lange keine „Zukunftskoalition“ mehr. In den beiden Bundesländern spielt die FDP keine Rolle mehr, die Grünen flogen aus dem Erfurter Landtag, zusammen haben die drei Parteien nicht mal mehr 15 Prozent der Wähler in Sachsen und Thüringen hinter sich. Natürlich verliert die Ampel dadurch nicht ihren Regierungsauftrag. Die drei Parteien sind bis 2025 gewählt worden – vorzeitig auflösen wird sich die Bundesregierung wahrscheinlich nicht.

Aber allen Beteiligten ist spätestens jetzt klar, dass Rot-Grün-Gelb nach der nächsten Bundestagswahl Geschichte sein wird. Ein führungsloses Kanzleramt, dilettantisch aufgestellte Haushalte, vermurkste Gesetze, Dauerzoff: Die Koalitionäre dürften die Tage zählen, da diese Qualen ein Ende haben.

Die Migrationspolitik braucht eine Wende

Das Land muss sich eingestehen: Die Asyl- und Migrationspolitik der vergangenen Jahre hat ernste Probleme verursacht. Nicht weil sie zu großzügig wäre. Das Recht auf Asyl muss weiterhin gelten. Aber es braucht auch Ordnung und Kontrolle. Seit langem scheint es, als habe der Staat die Kontrolle in Teilen verloren. Und das nicht erst seit dem schrecklichen Messer-Attentat von Solingen.

Wenn abgelehnte Asylbewerber jahrelang in Deutschland bleiben dürfen und weiter Leistungen erhalten, ist das nicht mehr vermittelbar. Erst recht nicht, wenn solche Menschen schwere Straftaten begehen. Umgekehrt muss es für integrationswillige legale Einwanderer sowie anerkannte Flüchtlinge viel leichter sein, zu arbeiten, sich weiterzubilden und ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Wer sich an die Regeln hält, ist willkommen. Wer unsere Werte verachtet und kein Recht hat, hier zu bleiben, muss gehen. Die Realität sieht anders aus: Behördenversagen, Bürokratie und eine langsame Justiz kennzeichnen die Asypolitik Deutschlands seit Jahren. Nicht erst seit der Ampel.

CDU-Chef Friedrich Merz will nach eigenen Angaben nicht, dass die Migrationspolitik das Thema der Bundestagswahl 2025 wird – und bietet der SPD seine Zusammenarbeit an. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sollte das Angebot annehmen. Das Problem muss so bald wie möglich gelöst werden. Wenn nicht, drohen in einem Jahr weitaus schlimmere Probleme.

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