Die Idee ist einfach, die Regeln sind schnell erklärt. Beim christlichen Kartenspiel „Cards for Christianity“ muss der Spieler auf eine Situation aus dem Alltag einen passenden Bibelvers finden. Doch hier steht im Vordergrund, eine möglichst lustige Antwort zu finden. Das Spiel besteht lediglich aus zwei Typen von Karten: Auf den schwarzen „Frage-Karten“ stehen die Situationen, und auf den weißen die Bibelverse (die „Antwort-Karten“). „Falsch, aber lustig“, mit diesem Konzept lässt sich das Spiel am besten zusammenfassen; dies ist auch der Titel einer Comedy-Sendung von Radio Fritz im RBB unter anderem mit dem Kabarettisten Till Reiners, die nach ähnlichen Regeln funktioniert.
Dass es schnell ziemlich schräg und vor allem lustig wird, beweist ein eigenes Testspiel. „Meine Meinung zu Menschen, die beim Verlassen des Kreisverkehrs nicht blinken“ steht auf der schwarzen Karte. Ich suche auf meinen weißen Karten eine Bibelstelle, die dazu passt. Mir fällt sofort ins Auge: „Der Zorn Gottes entbrannte darüber“ aus 4. Mose 22,22. Aber auch „Da ist keiner, der gerecht ist, auch nicht einer“ (Römer 3,10) scheint zu passen. Oder wie wäre es mit: „Hätte ich ein Schwert dabei, dann hätte ich dich jetzt schon umgebracht“ (4. Mose 22,29)? Ich entscheide mich schließlich für 5. Mose 21,21: „Sollen ihn steinigen alle Leute seiner Stadt, dass er sterbe!“ Der „Karten-Bischof“ muss die lustigste der gegebenen Antwort-Verse bestimmen. Mein Spruch gewinnt, ich bekomme als Belohnung die schwarze Karte als Punkt. Wer als Erstes fünf schwarze Karten gesammelt, hat, gewinnt.
Es dauert nicht lange, bis schallendes Gelächter am Tisch herrscht. Bibelverse, die in einen ganz neuen Kontext gestellt werden und dadurch plötzlich sehr lustig werden – das Konzept geht auf. Auf die Karte „Die Reaktion meiner Freunde, nachdem ich beim Frisör war“ liegen wieder mehrere Möglichkeiten parat. Wie wäre es mit: „Vor lauter Elend werden meine Augen blind“ (Psalm 88,10)? Bei der Aufgabe „Sollte man nicht versehentlich an die falsche Person schreiben …“ gewinnt die Karte mit dem Bibelvers aus Jeremia 2,33: „Du flinke Kamelstute!“. Nicht selten gerät man ins Grübeln darüber, aus welchem Kontext dieser oder jener Vers wohl im Original stammen mag. Für diesen Fall ist auf jeder Karte eine kurze Erklärung zum Bibelvers abgedruckt.
Lachen mit der Bibel, nicht über sie
Die Idee für das Spiel kam Timo Stosius mit einem Freund vor zwei Jahren. Es gehe eben nicht darum, über die Bibel zu lachen, sondern mit der Bibel. „Man beschäftigt sich auf eine lockere Weise mit der Bibel, lernt neue Dinge über sie“, sagt Stosius gegenüber PRO. Der 30-Jährige wurde in München in eine gläubige Familie mit freikirchlichem Hintergrund geboren und ist selbst gläubiger Christ, der mittlerweile in Berlin wohnt. Seinen Glauben definiert er so: „Er ist für mich die absolut tiefste und wichtigste Antwort auf die Frage: Was hat das hier alles für einen Sinn?“
Stosius hat zwar kurze Zeit Produktdesign studiert, brach das Studium jedoch ab. Stattdessen half er beim Aufbau einer Kommunikationsplattform für Schulen namens „Sdui“. „Hier habe ich viel über Start-ups gelernt“, sagt Stosius, der danach mit einem Freund eine Olivenöl-Marke ins Leben rief. Der entsprechende Partner in Thessaloniki betreibt soziale Projekte für Geflüchtete und Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Alle diese Erfahrungen hätten ihm später beim Entwickeln und Vermarkten des Kartenspiels „Cards for Christianity“ geholfen, sagt Stosius.
Das Spiel sei seine „Herzenssache“, daher wollte er es selbst vertreiben, und nicht einem Verlag verkaufen. Stosius entwickelte zunächst 25 Test-Spieldecks, die er auf dem „Macher Festival“ der christlichen Youtuber „The Real Life Guys“ an Christen verteilte. Dort kam das Spiel gut an, wie Stosius berichtet. Auch der christliche Singer-Songwriter Samuel Harfst schaute sich das Spiel an und war begeistert, er gab Stosius wichtige Tipps. Ebenso half Amin Josua, der derzeit das christliche Computerspiel „ONE of 500“ mit entwickelt, er schrieb viele erklärende Texte zu den Bibelversen, die auf den Karten zu lesen sind.
Im November 2024 startete Stosius eine Crowdfunding-Aktion, und die verlief sehr erfolgreich: Schon nach 30 Tagen waren alle 1.000 Exemplare verkauft, es kamen über 30.000 Euro zusammen. Inzwischen hat Stosius die zweite große Auflage gedruckt. Das Spiel für 25 Euro ist über die Webseite www.cardsforchristianity.de erhältlich und demnächst wohl auch in manchen christlichen Buchläden. „Schon jetzt sind die ersten zwei Paletten des Spiels wieder ausverkauft“, sagt Stosius. „Wir stoßen bereits den Druck einer noch größeren Auflage an.“
Einige christliche Influencer haben das Spiel bereits getestet, und in den sozialen Medien fanden sich schnell begeisterte Kommentare. Andy Fronius, Gründer der christlichen Initiative „Mr. Jugendarbeit“, postete auf Instagram: „5 Sterne! Du kriegst Jugendliche weg vom Handy, an die Bibel und die finden das auch noch witzig.“ Das Musik-Duo „O’Bros“ teilte über seine Kanäle mit: „Mega lustiges Spiel! Wir haben richtig viel gelacht!“ Der christliche Influencer Tim Guttenberger (@timmelhimmel) schrieb: „Ich hatte noch nie so viel Spaß mit der Bibel.“
Fest steht: Das Spiel kann dank des Humors im Nu Berührungsängste mit der Bibel abbauen und sogar zu guten Gesprächen über den Glauben führen, auch mit Nichtchristen. Der Vorteil: Die Regeln sind schnell erklärt. Wer noch ein Weihnachtsgeschenk braucht, ist hiermit sicher gut beraten. Allein, der Name wirkt etwas sperrig. Darauf angesprochen, sagt Stosius, der sei angelehnt an das bekannte säkulare Kartenspiel, das nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert, es heiße „Cards against Humanity“.
Noch zwei Runden müssen gespielt werden. Auf der Aufgaben-Karte heißt es: „Wenn ich die Bilder von letzter Nacht sehe …“. Da kommt als Antwort-Karte nur eine infrage: „Wir waren mit unseren Kräften am Ende und hatten schon mit dem Leben abgeschlossen.“ (2. Korinther 1,8) Bei „Ich, nach zwei Aperol Spritz“ ist der Sieger ganz klar Matthäus 24,6: „Seht zu und erschreckt nicht.“