Die Bibel als Meisterwerk der Lyrik

Im Kontext des „Wartburg Experiment“ hat Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) in Erfurt mit drei Schriftstellern über die Bedeutung und die Lyrik des Weltbestellers Bibel gesprochen. Deutlich wurde, dass die Bibel auch heute noch eine große Strahlkraft, sowohl für den Glauben, als auch für die Literatur hat.
Von Johannes Schwarz
Drei Schriftsteller, sowie Ministerpräsident Ramellow sprachen über die Bedeutung der Bibel

„Sie werden lachen: die Bibel!“ – unter diesem Titel diskutierte der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow am Dienstagabend im Augustinerkloster in Erfurt mit den Autoren des „Wartburg-Experiments“ Iris Wolff, Uwe Kolbe und Senthuran Varatharajah. Das Rundgespräch zum Weltbesteller stellte die Bibel in den Mittelpunkt der Diskussion und betrachtete sie aus verschiedenen Blickwinkeln. Die Schriftsteller, die für das Experiment jeweils für einen Monat auf der Wartburg leben, wollen dem vor 500 Jahren von Luther übersetzten Neuen Testament näher kommen.

Bedeutsame Lieblingsverse

Die vier Gesprächspartner forderte der Moderator Thomas Seidel von der „Internationalen Martin Luther Stiftung“ heraus, indem die Protagonisten eine oder maximal zwei Lieblingsstellen der Bibel nennen sollten. Für Iris Wolff spielt seit ihrer Jugendzeit das Kapitel Matthäus 6 eine zentrale Rolle: Der Gedanke, dass Menschen sich Schätze im Himmel anhäufen sollen und Gott im Alltag versorgt, spende Hoffnung, so die Eichendorff-Preisträgerin. Auch im Chaos habe sie „Vertrauen darauf, dass der Weg gut sein wird“. Die „Suche nach praktischen Zugängen“ helfe Wolff im Alltag, so zeige ihr Philipper 4, dass die dort genannte Freude am Herrn alltagsnah sein könne.

Für Uwe Kolbe sind besonders die Psalmen von Bedeutung Foto: Johannes Schwarz
Für Uwe Kolbe sind besonders die Psalmen von Bedeutung

Die Schriftsteller Uwe Kolbe und Senthuran Varatharajah nannten unabhängig voneinander den Klagepsalm 130 als eine bewegende Bibelstelle. Für Heinrich-Mann-Preisträger Kolbe sei dies auch im literarischen Sinne eine Dichtung, die „von unten kommt, gar aus dem Schmerz“. Für sein eigenes Leben sei dies immer wieder ein passender Text, der mit dem abermaligen Verwenden der Ansprache „Herr“ eine starke „Geste der Anrede“ schaffe.

Adelbert-von-Chamisso-Preisträger Varatharajah hingegen sieht in Psalm 130 eine intime Nähe zu Gott. Der Aspekt „sich anzuvertrauen“ sei ein notwendiger im Glauben. Diese Intimität finde der Schriftsteller ebenso in 1. Korinther 13,12 – einem Vers aus dem „Hohelied der Liebe“ von Paulus wieder. Anhand des Ausdrucks „von Angesicht zu Angesicht“ schildert Varatharajah seine Lebensgeschichte. Als Kind sei er von Sri Lanka nach Deutschland gekommen. Mit der Bibel habe er die deutsche Sprache gelernt. Daher sei Deutsch für ihn eine „vertikale Sprache“, die Intimität schenke. Besonders mit Bezug auf den Vers aus dem Korintherbrief werde ihm deutlich: „Auch wenn ich nichts erkenne, werde ich immer erkannt.“ Dies begleite ihn und mache ihn zu dem Menschen, der er sei.

Bodo Ramelow, der sich als bekennender Christ in der Öffentlichkeit öfters auch mit christlichen Inhalten zu Wort meldet, nannte eine alttestamentliche Bibelstelle: 5. Mose 24,19. In dieser wird geboten, armen Menschen vom Reichtum abzugeben. Der thüringische Ministerpräsident zieht sowohl für sein Leben, als auch für sein politisches Handeln zentral den Aspekt des „miteinander Teilens“ heraus. Im Grundgesetz sei der biblische Wert unter dem Begriff „Eigentum verpflichtet“ zu finden. Die „soziale Verantwortung“ könne in keiner Gesellschaft weggedacht werden. Parallel sei „Gott als Fundament“ für ihn prägend, sei es im politischen Umgang, beispielsweise mit der sogenannten Flüchtlingskrise 2015, oder im Privaten. Dazu sei „Gottvertrauen“ notwendig, speziell in Zeiten von Krisen und Unruhe.

Beseelt von der Wartburg

Die drei mehrfach ausgezeichneten Schriftsteller berichteten berührt von ihrem Aufenthalt auf der Wartburg im Zuge des „Wartburg Experiments“. Kolbe, der zuerst auf der Wartburg leben durfte, zeigte sich begeistert. Es sei „schwer, sich nur an Luther zu halten“, gebe der Ort doch mehr her, als das Leben des Reformators. Doch für Kolbe sei diese Zeit „faszinierend“ gewesen, da er nachspüren habe können, wie Luther vor 500 Jahren „vom Mönch zum Reformator und beinahe zum Politiker wurde“.

Iris Wolf fühlt sich beseelt durch ihre bisherige Zeit auf der Wartburg Foto: Johannes Schwarz
Iris Wolf fühlt sich beseelt durch ihre bisherige Zeit auf der Wartburg

Senthuran Varatharajah und Iris Wolff zeigten sich besonders vom Himmel über der Wartburg, die unweit von Eisenach steht, beeindruckt. Varatharajah, der seinen vierwöchigen Aufenthalt vor wenigen Tagen beendete, spürte die „Nähe zum Himmel“, auch im übernatürlichen Sinne. Wolff, die aktuell auf der Burg residiert, berührt die Natur. Sie sei „beseelt“ von ihren ersten Tagen auf der historischen Burg. Der Ort zeige sich ihr als „sprachverbundener Ort“, deshalb habe sie vor, in ihrer Zeit auf der Wartburg das Neue Testament einmal laut zu lesen. Varatharajah habe zudem das „Vorrecht“ gehabt, sein 2022 erscheinendes Buch auf der Wartburg fertig geschrieben zu haben. Er habe sich mit Luther verbunden gefühlt, indem er mit seinem Lektor, wie einst Luther, um jedes Wort gerungen habe.

Von Bert Brecht bis Soma Morgenstern

Der Titel des Rundgesprächs „Sie werden lachen: die Bibel!“ ist die Antwort von Bertolt Brecht auf die Frage, welches das wichtigste Buch sei. Brecht sei für Kolbe ein literarisches Vorbild. Es gebe einige „Parallelen zwischen Brecht und Luther“, stellt Kolbe heraus. Beide hätten den Sprachgebrauch in Deutschland geprägt. Brecht habe „geniale Hochdichtung“ hervorgebracht und Luther sei ein „Meister aller Klassen“.

Auf die Frage, welche literarischen Vorbilder Wolff habe, entgegnete sie: „Jedes gute Buch“ sei ein Vorbild. „Die Welt wird durch jedes Buch größer“, fügte Wolff hinzu. Sie habe den Eindruck, der Gesellschaft helfen Bücher, um sich der Wirklichkeit anzunähern. Sie persönlich beeindrucke die Epoche der Frühromantik, da Literaten aus „radikalen Ideen“ Welten erschaffen hätten. Für Wolff sei Sprache mehr als Literatur und sie verwies darauf, dass ein Ort sprechen könne, so beispielsweise auch die Wartburg.

Senthuran Varatharajah sieht sich in der Bibel angenommen Foto: Johannes Schwarz
Senthuran Varatharajah sieht sich in der Bibel angenommen

Varatharajah verriet, er „habe keine Vorbilder“ in der Literatur. Er habe Philosoph werden wollen oder Pfarrer, niemals Schriftsteller. Er „wollte alles anders machen“ und sei schließlich doch Autor geworden. Er suche den philosophischen Zugang im Schreiben, indem er „ans Äußerste der Bedeutung der Worte“ gehe. „In Wörtern mehr sehen als die Wörter“ sei sein Motto. Auch die Bibel habe diese Tiefe und Schärfe, indem zum Beispiel ein Mensch „im Licht nichts sehen“ könne. Insgesamt zeige ihm der philosophische Zugang so auch die Bibel.

Religiöse Schriftsteller, seien es Christen, Muslime oder Juden, sprächen ihn meist besonders an, meinte Ministerpräsident Bodo Ramelow. Zurzeit lese er Bücher des jüdischen Schreibers Soma Morgenstern, dies „erquicke“ ihn und lasse ihn ins Nachdenken kommen. Ein „Sprachwunder“ wie Morgenstern zeige Ramelow immer wieder, welche Verantwortung Deutsche für Juden hätten. Ihm als politischen Akteur zeigten literarische Vorbilder immer wieder, dass er Gottvertrauen und die Liebe Gottes benötige, um gute Lebensweisen aus Büchern in das echte Leben zu übersetzen. Ramelow merkte an: „Soma Morgenstern gibt mir die Augen“.

Bibel gibt Orientierung

Dass mit Gottes Botschaft, der Bibel, Frieden geschaffen werden könne, machte Thüringens Ministerpräsident zum Abschluss der Veranstaltung anhand einer Anekdote deutlich. Ramelow und Matthias Platzeck, ehemaliger Ministerpräsident von Brandenburg, sollten einst einen Lokführerstreik schlichten. Zunächst trafen sich Vertreter der Gewerkschaften und der Bahn, es kam zu keiner Einigung. Als sich die Situation verfahren hatte, sei ein Mitarbeiter Platzecks auf Ramelow zugekommen und bat ihn darum, vor allen Beteiligten die Herrnhuter Losungen des Tages vorzulesen. Dies tat er bei den Verhandlungen Tag für Tag und die Verhandlungen konnten positiv beendet werden. Ramelow fasst zusammen: „Der liebe Gott war bei uns.“

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow zeiht aus der Bibel Kraft für seine politische Arbeit Foto: Johannes Schwarz
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow zieht aus der Bibel Kraft für seine politische Arbeit

Im „Wartburg-Experiment“ leben die Schriftsteller jeweils für einen Monat auf der Wartburg und begeben sich auf die Spuren Martin Luthers. Tagsüber halten sie sich direkt neben Luthers Schreibstube auf und arbeiten an ihren eigenen Werken, nachts schlafen sie im Hotel der Burg. Das Experiment soll den inneren Dialog der Schriftsteller zum Neuen Testament, welches Luther aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzte, anregen. Es läuft seit September, sodass mit Wolff im November die letzte Autorin ihren Aufenthalt auf der Burg hat. Zuvor begaben sich Kolbe im September und Varatharajah im Oktober auf die Burg.

Neben dem Gespräch mit Ramelow sind weitere Veranstaltungen im Zuge des „Wartburg-Experiments“ geplant. Am 14. November wird ein literarischer Gottesdienst auf der Burg stattfinden, der auch im Livestream übertragen wird. Im kommenden Herbst sollen die literarischen Ergebnisse des „Wartburg-Experiments“ der Schriftsteller vorgestellt werden. 

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Eine Antwort

  1. DANKE ! In diesem wunderbaren Beitrag „Die Bibel als Experiment“ , von Johannes Schwarz, wurde e n d l i c h
    mal deutlich, dass auch ein linker Politiker / Ministerpräsident gläubiger Christ ist und das auch l e b t !
    In der „Pro“ wurde bisher überwiegend von CDU—Politikern positiv berichtet. Da genügte schon , darüber zu berichten, wenn
    jemand aus der CDU „ kund tat“, dass er in bestimmten Situationen bete. Ich fand das oft ziemlich peinlich.
    Und in vielen Kommentaren von Lesern wurde ohnehin alles verworfen, was „links“ empfunden wurde.
    Aber dafür ist ja nicht die Pro—Redaktion verantwortlich 👍😜

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