Seit Freitag kann man die viel besprochene, von vielen lang ersehnte „Apple Vision Pro“ auch in Deutschland im Laden kaufen. Aber was ist das überhaupt für ein Gerät? Einfach erklärt: Es ist eine Art Ski-Brille mit je einem Display für jedes Auge, das dem Träger die Kamera-Live-Bilder seiner Umgebung vorspielt, dazu aber noch viele weitere mediale Inhalte. Filme, Fotos, ganze dreidimensionale Welten können so dem Nutzer vorgegaukelt werden. Und das Gehirn glaubt, sich selbst in diesen Welten zu befinden.
Mit den Augen steuert man alles, visiert etwa einen Schalter an, und wenn man diesen betätigen will, drückt man einfach kurz Daumen und Zeigefinger zusammen. Das gilt als „Klick“, und so steuert man diese virtuelle Welt. Ein ganzes Büro kann man so überall mit sich herumtragen. Und das im wörtlichen Sinn. In der U-Bahn, im Flugzeug, im Café, auf dem Sofa. Viele Monitore nebeneinander, Anwendungen in 3D, Spiele, in die man wortwörtlich abtauchen kann – kein Problem. Apple selbst spricht vom „Spatial Computer“ – dem „räumlichen Computer“. Was bedeutet das? Was kann dieses Gerät? Verändert es die Medienwelt? PRO-Redakteur Jörn Schumacher hat es getestet.
Auf einmal am See
Eine halbe Stunde bekommt man als Kunde im Apple-Store, um das erhoffte „next big thing“ des Milliarden-Unternehmens aus Cupertino, Kalifornien, auszuprobieren. Aber eigentlich ist es nur ein Abspielen von Demo-Filmen, die präsentiert werden. Denn wirklich viel Zeit zum Testen bleibt nicht. Denn bevor es losgeht, müssen meine Brillengläser sowie mein Gesicht kurz eingescannt werden (für die Passgenauigkeit der Stoffmaske).
In der Demo steht die Unterhaltung im Vordergrund. Erst kann ich Fotos öffnen, die mit ihrer hohen Auflösung beeindrucken. Dann Videos. Dann alles nochmal mit 3D-Eindruck. Erst 3D-Fotos, dann 3D-Videos. Und schließlich das, womit die „Vision Pro“ am meisten punkten kann: komplette Umgebungen in 3D und in 360 Grad. Ich kann mich also umschauen, während ich an einem See in Amerika stehe. Leichter Regen plätschert auf das Wasser, ich höre leise das entsprechende schöne Geräusch.
Ich starte eine Dinosaurier-App. Ein kleines Saurier-Baby scheint mich nicht zu registrieren, ein kleiner Schmetterling fliegt vorbei, ich bekomme von der Apple-Mitarbeiterin, die mich für die halbe Stunde betreut, den Tipp, einmal den Finger auszustrecken, und tatsächlich, das Insekt lässt sich kurz auf meinem Finger nieder. Dann kommen – wer hätte es geahnt – zwei erwachsene Dinosaurier, und sie beäugen mich neugierig, kommen mir nahe, lassen mich aber in Ruhe.
Das alles verfehlt seine Wirkung nicht. Der realistische 3D-Eindruck ist enorm. Doch abgesehen von den 3D-Filmchen, die man schon von anderen VR-Brillen kennt, erstaunt am meisten die atemberaubende Auflösung. Die reale Umgebung um mich herum, also der Apple-Store und die Mitarbeiterin im standardisierten blauen T-Shirt neben mir am Tisch, wirkt so gar nicht wie ein mäßiges Computerbild. Natürlich bleibt es das Bild einer Kamera, doch vergisst das Gehirn das nach kurzer Zeit fast.
Die beeindruckendste Demo-App kommt zum Schluss, ein Film mit kurzen Zusammenschnitten von 3D-Filmen. Ich stehe auf einem Golf-Platz, scheine auf dem Rasen zu liegen. Meine Augen sind auf der Höhe des Balls und befinden sich direkt vor dem Loch, in das ein Spieler einen weißen Golfball puttet. Dann stehe ich mit Bären an einem reißenden Fluss, dann schwebe ich mit einer Seiltänzerin auf einem Seil in vielen Hundert Metern Höhe über einer atemberaubenden Berglandschaft. Schließlich stehe ich auf dem Spielfeld eines Fußball- und eines Basketball-Spiels. Ich will mich wegducken, als einmal der Ball direkt auf mich zufliegt.
So einfach wie Zaubern
Das Zweite, was dieser Test klarmacht: Apple hat sich da eine sehr gute, unglaublich einfache und sofort intuitive Bedienung ausgedacht. Ein Blick auf einen Button und ein anschließenden kurzes Zusammendrücken von Zeigefinger und Daumen reichen, und blitzschnell öffne, schließe oder verschiebe ich Fenster, Fotos oder Programme im Raum. Im Nu lege ich mehrere Fenster nebeneinander, ein Browser-Fenster mit aktuellen Nachrichten links, ein Video rechts daneben.
Und jederzeit ist die reale Umgebung so sichtbar, als hätte ich lediglich eine Skibrille auf. Womit ich auch schon bei einem Kritikpunkt bin: Das Sichtfeld ist nicht das größte, da gibt es VR-Brillen, die ein größeres haben. Es bleibt das Gefühl, eine Brille aufzuhaben.
Das wird jedoch wettgemacht durch das riesige Feld an Möglichkeiten, das sich bietet. Man hat den Computer mitsamt Monitor immer dabei, in der Größe eines Köfferchens. Will man etwa für ein paar Wochen verreisen und trotzdem jederzeit am Computer arbeiten, muss man eben nicht extra einen Monitor mitnehmen.
Die Zukunft?
Meine Prognose: Wenn Apple etwas macht, dann richtig. Und eine bahnbrechende neue XR-Brille kann der Markt gut gebrauchen. Die Technik steckt in den Startlöchern, die Fan-Gemeinde ist vielleicht noch klein – das hat wohl vor allem etwas mit dem Preis zu tun: die „Apple Vision Pro“ kostet mindestens 3.999 Euro (für Brillenträger kostet ein Set Gläser in der eigenen Sehstärke noch einmal 115 Euro). Aber man kauft hier eben mehrere Geräte in einem. Allein das Ansehen und Erstellen von Panorama- und 3D-Fotos und Filmen ist ein Spaß. Aber vom Home-Entertainment-Bereich ganz abgesehen, dürfte die „Vision Pro“ für Anwendungen im beruflichen Kontext interessant werden. Es gibt bereits Chirurgen, die die Brille im OP einsetzen und so noch genauer und in Echtzeit sehen können, wo im menschlichen Körper sie operieren müssen.
Enormes Potenzial bietet die Brille auch für die Wissenschaft, für die Bildung, für die Kunst. Also: ja, wir sind Zeuge eines komplett neuen Mediums. Die Welt kommt noch näher und noch unkomplizierter zu uns nach Hause. Und das nicht nur auf einem flachen zweidimensionalen Bildschirm, sondern greifbar. Die „augmented reality“, also die „erweiterte Realität“, ist noch lange nicht ausgeschöpft, sondern ihre Zeit beginnt gerade erst.