Diakonie-Chef Schuch: „Wer sich für die AfD einsetzt, muss gehen“

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch hat in einem Interview arbeitsrechtliche Konsequenzen für Beschäftigte in seinem Wohlfahrtsverband angedroht, wenn sie Parteigänger der AfD sind. Darf er das?
Von Norbert Schäfer
Diakoniepräsident Rüdiger Schuch im Querformat

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch hat in einem Interview mit der Funke Mediengruppe deutlich gemacht, dass Mandatsträger der AfD und deren Wähler mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie bei dem Wohlfahrtsverband beschäftigt sind.

„Wer die AfD aus Überzeugung wählt, kann nicht in der Diakonie arbeiten“, erklärte Schuch in dem Gespräch. Das menschenfeindliche Weltbild der AfD widerspreche dem christlichen Menschenbild. AfD-Anhänger „zählten“ aus dem Grund auch nicht mehr zur Kirche.

Die Funke Mediengruppe wollte von Schuch wissen, was passiert, wenn bekannt wird, dass jemand AfD-Mitglied ist oder sogar ein Parteiamt innehat. Wer in die AfD eintrete oder kandidiere, identifiziere sich mit der Partei, erklärte Schuch. Dann soll nach dem Willen des Diakonie-Präsidenten zunächst das Gespräch mit dem entsprechenden Mitarbeiter geführt werden.

„Dem Mitarbeitenden muss in solchen Gesprächen klarwerden, dass für menschenfeindliche Äußerungen in unseren Einrichtungen kein Platz ist“, sagte er, und weiter: „Aber wenn das nichts ändert, muss es arbeitsrechtliche Konsequenzen geben. Wer sich für die AfD einsetzt, muss gehen.“ Nach Angaben des Diakonie-Chefs ist bislang kein Fall bekannt, dass ein Mitarbeiter entlassen wurde, weil er sich für die AfD engagiert hat.

Schuch fordert in dem Gespräch die Unternehmen auf, ihre Haltung dahingehend zu überprüfen, ob von ihrer Seite genug für den Erhalt der offenen Gesellschaft getan werde. „Die Demokratie ist kein Selbstläufer“, erklärte der 55-jährige Pfarrer, dessen Wohlfahrtsverband mit rund 1,3 Millionen Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber in Deutschland ist. Gegenüber konkreten Wahlempfehlungen vonseiten der Unternehmen zeigte sich Schuch zurückhaltend. Die Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter aber zum Wählen auffordern und erklären, wie wichtig es sei, nicht die Feinde der Demokratie zu wählen. „Für uns ist klar: AfD und Diakonie – das passt nicht zusammen.“

Arbeitgeber dürfen keine Gesinnungsprüfung durchführen

Kann alleine die Mitgliedschaft bei der AfD als hinreichender Grund in einem Tendenzbetrieb wie der Diakonie gesehen werden, um einem Mitarbeiter zu kündigen? Das sei „so pauschal betrachtet dünnes Eis“, erklärt der im Arbeitsrecht tätige Jurist Klaus Schultze-Rhonhof.

„Weil die AfD nun mal nicht verboten worden ist bisher. Das Arbeitsrecht kann das Verfassungsgericht nicht umgehen und eine Prüfung durchführen, ob die AfD verfassungsfeindlich ist. Das steht einem Arbeitsgericht nicht zu“, erklärt Schultze-Rhonhof, und weiter: „Wenn jedoch das Parteiprogramm oder die absolute Masse der Äußerung der Gesamtpartei dem Geist der Diakonie widersprechen, dann kann das Gericht im Einzelfall zu dem Ergebnis kommen, dass der Arbeitnehmer dem Betrieb schadet, wenn er sich offen auf die Seite dieser Partei stellt.“

Im Einzelfall komme es darauf an, welche Tätigkeit ein Mitarbeiter ausübe und die Tätigkeit mit der Tendenz des Betriebes – etwa formuliert im Leitbild – im Einklang stehe. „Wer im Keller eines Altenheims ohne Kontakt zu den Klienten Betten desinfiziert, dem ist schwer ein Verstoß gegen die Tendenz der Diakonie – also das dem Menschen Dienende – vorzuwerfen, selbst wenn der Mitarbeiter sich zum Beispiel auf einer öffentlichen Demo als AfD-Parteigänger zu Erkennen gegeben hat.“

Anders sähe das bei einem Pfleger aus, der direkten Kontakt zu Patienten habe. „Wenn ein Patient zum Beispiel gerade entsetzt in der Zeitung liest, dass die AfD Menschen wie ihn in menschenverachtender Weise angreift, würde es bereits ausreichen, sollte der Mitarbeiter provokant seine Mitgliedschaft bei der AfD zur Schau stellen.“

Der Rechtsanwalt betont, dass ein Arbeitgeber keine wie auch immer geartete Gesinnungsprüfung bei seinen Angestellten durchführen darf und auch nicht von Mitarbeitern verlangen kann, sich von einer Partei zu distanzieren. „Jedem Mitarbeiter stehe frei, vom Recht der negativen Meinungsfreiheit – also eben seine Meinung im Betrieb nicht zu äußern – Gebrauch zu machen.“

Schultze-Rhonhof hat sich das Interview und die Berichterstattung über die Aussagen Schuchs in anderen Medien angesehen. „Diakonie-Chef Schuch bewegt sich im Originalinterview auf dem Boden des Rechts“, konstatiert der Anwalt. „Was im Original steht, ist juristisch meines Erachtens nicht angreifbar.“ Wenn Mitarbeiter sich in einem Betrieb menschenverachtend oder die Menschenwürde verletzend äußerten, müsse jeder Arbeitgeber aktiv werden und mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohen. Das gelte für die Diakonie wie für jeden anderen Arbeitgeber.

Der Anwalt vermutet, dass der Diakonie-Präsident insgeheim nicht einmal Einwände gegen den Titel „Evangelische Diakonie will AfD-Wähler rauswerfen“ der Bild-Zeitung hätte. Schultze-Rhonhof: „Das, was die ‚Bild‘-Zeitung schreibt, das hält natürlich juristisch nicht. Die Wahl ist geheim. Aber dafür muss sich der Diakoniepräsident nicht rechtfertigen, weil er es nicht gesagt hat. Die Öffentlichkeit hört es aber so. Und ich vermute, der Präsident hat nichts dagegen.“

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