Ioana aus Rumänien war 16 Jahre alt, als sie nach der Schule entführt, verprügelt und zur Prostitution gezwungen wurde. "Die Zuhälter ließen uns nie aus den Augen", berichtet sie. "Sie haben gedroht, meine Mutter umzubringen, falls ich nicht mache, was sie sagen." Eine Polizistin, die an Ioanas Befreiung beteiligt war, erzählt: "Der Zuhälter hielt vier minderjährige Mädchen in seiner Wohnung fest. Er schlief mit seiner Freundin im Bett, eine 17-jährige Gefangene musste daneben auf dem Boden schlafen."
Menschenhändler verdienen deutlich mehr als Kriminelle, die mit Drogen dealen – für das organisierte Verbrechen in Europa ist Zwangsprostitution die lukrativste Einkommensquelle. Der Journalist Klaus Wölfle hat sich für die Sendung "Verkauft und versklavt. Vom Kampf gegen den Menschenhandel" auf Spurensuche in Rumänien begeben. Dabei hat er Iana Matei kennengelernt: Die Aktivistin wurde 2010 vom "Reader’s Digest"-Verlag zur "Europäerin des Jahres" gewählt, weil sie ein Hilfswerk für die Opfer gegründet hat. Sie erklärt: "Die Anwerber setzen sich auf Schulhöfe und freunden sich mit den Jungs an. So finden sie raus, welches Mädchen Probleme hat. Die sind dann leichte Beute."
Einer ihrer tragischsten Fälle war ein Mädchen namens Marcela. Mit 13 wurde sie zur Zwangsprostituierten. Mit 19 starb sie an Gebärmutterkrebs, verursacht durch eine improvisierte Verhütungsmethode mit einem Schwamm, zu der die Zuhälter sie zwangen. "Zwei Tage vor ihrem Tod habe ich ihr noch gesagt, dass Jesus sie liebt", erinnert sich Matei. "Sie sagte mir: ‚Ich glaube, dass Jesus mein Herr ist.’"
Viele Zwangsprostituierte kommen nach Deutschland
Wölfle bezeichnet Deutschland im Gespräch mit der Frauenrechtlerin und Ordensschwester Lea Ackermann als ein "Eldorado für Menschenhandel". Für Ackermann hängt dies mit dem Prostitutionsgesetz zusammen, das die rot-grüne Bundesregierung 2002 beschloss. Dies sei ein "ganz schlimmes" Gesetz: "Man kann diese Frauen nicht kriminalisieren, das ist klar. Aber ein Gesetz zu machen, das Prostitution zu einem Beruf wie jeden anderen macht, das war eindeutig die falsche Richtung und hat den Zuhältern und Menschenhändlern sehr geholfen." Die Europäische Union habe festgestellt, dass es in Staaten mit legaler Prostitution signifikant mehr Menschenhandel gibt.
Der Reporter scheut sich nicht, auch Menschenhändler selbst zu Wort kommen zu lassen. Zwei hat er in einem Gefängnis nahe Bukarest besucht. Radu Wassilew beklagt sich, dass durch seine Haftstrafen seine Familie zerbrochen sei. Auch Wladimir Wenzel sieht keine Schuld bei sich: "Ich will mich nicht selbst loben, aber ich hatte hunderte von Mädchen, die durch meine Hände gegangen sind", sagt er und erklärt allen Ernstes, ein normales Mädchen würde nicht zur Prostituierten: "Die waren alle nicht normal, die sind irgendwie geschädigt. Vielleicht durch zu viel Sex."
Opfer werden immer jünger
Viele Mädchen werden unter dem Vorwand nach Deutschland gelockt, eine saubere Arbeit mit besserer Entlohnung als in Rumänien zu bekommen, beispielsweise in einer Großküche. Viele von ihnen hoffen, auf diese Weise auch ihre Familie mitfinanzieren zu können. Die große Armut treibt manche Familien zum äußersten: "Wenn sie sehr viele Kinder haben, kommt es vor, dass Eltern ihre Töchter preisgünstig verkaufen", weiß Schwester Ackermann. Diese Mädchen würden immer jünger: "Wir in der Beratungsstelle haben von der Polizei mal eine 13-Jährige bekommen."
"Die Bundesrepublik ist der größte Abnehmer von Zwangsprostituierten in Europa", heißt es in der Dokumentation. "Die Nutznießer sind die Männer, denen das System ermöglicht, sich Frauen kaufen zu können." Eine ehemalige Zwangsprostituierte sagt: "Egal wie viel Zeit vergeht und sich mein Leben entwickelt – das wird mich für immer verfolgen." (pro)
Die Dokumentation kann in der ARD-Mediathek angeschaut werden.