Die Deutschen haben so viel Angst wie lange nicht. Vor allem die Angst vor Terrorismus ist stark gestiegen. Das ergab eine Langzeitstudie der R+V-Versicherung. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch amerikanische Forscher.
Die Deutschen haben so viel Angst, wie lange nicht mehr. Vor allem davor, dass das Land aus den Fugen gerät. Insgesamt wurden in der Studie 20 Ängste ermittelt.
So viel Angst war lange nicht: „Nie zuvor im Laufe unserer Umfragen sind die Ängste innerhalb eines Jahres so drastisch in die Höhe geschnellt wie 2016“, sagte Brigitte Römstedt, Leiterin des Infocenters der R+V Versicherung, bei der Vorstellung der aktuellen Ergebnisse einer Langzeitstudie des Unternehmens. Der Terrorismus macht den Menschen in Deutschland am meisten Angst: Fast drei viertel der Bevölkerung sorgen sich deswegen. Damit stieg dieser Wert im Vergleich zum Vorjahr – da waren es noch 52 Prozent – auf 73 Porzent. Das ist der höchste Wert in den vergangenen zwei Jahrzehnten, in denen diese Studie durchgeführt wurde. Zum ersten Mal führt Terror damit die Angst-Skala der Deutschen an.
Auch andere Ängste, die in gewisser Weise mit den Flüchtlingsbewegungen nach Europa zusammenhängen, sind seit dem vergangenen Jahr deutlich gestiegen: Die Sorge, dass Behörden mit der Bewältigung der Flüchtlingssituation und Politiker mit ihren Aufgaben überfordert sind, die Angst vor Spannungen in der Gesellschaft wegen des Zuzugs von Ausländern sowie die vor politischem Extremismus sind um 13 bis 19 Prozentpunkte angewachsen. Diese Themen dominieren die Angstskala und rücken persönliche Sorgen, etwa eine schwere Erkrankung (55 Prozent) oder das Zerbrechen einer Partnerschaft (21 Prozent), in den Hintergrund. Aber im Vergleich zum Vorjahr sind auch diese Ängste größer geworden.
Angst-Index hat fast Rekordwert
Die Rangfolge der sechs größten Ängste ist in Ost- und Westdeutschland gleich, auch werden die Ängste hier wie da ähnlich stark wahrgenommen. Die einzige Sorge, die zurückgegangen ist – um einen Prozentpunkt – ist die vor Naturkatastrophen.
Manfred Schmidt, Politikwissenschaftler an der Universität Heidelberg, der R+V bei der Durchführung der Studie beriet, sagte zu den Ergebnissen laut einer Pressemitteilung: „Die große Mehrheit der Deutschen ängstigt der Kontrollverlust des Staates in der Flüchtlingskrise und die Überforderung der Politiker – ein katastrophales Urteil für die politische Klasse.“
Für die Studie wurden 2.400 Bürger nach ihren größten Ängsten befragt. Der Angstindex, der aus dem Durchschnitt von 16 mit „großer Angst“ angegebenen Ängste gebildet wurde, liegt bei 49 Prozent. Das ist ein Anstieg um zehn Prozentpunkte seit dem vergangenen Jahr und einer der höchsten Werte seit 24 Jahren.
Europäer haben Vorbehalte gegen Flüchtlinge
Angst wegen der Flüchtlinge haben aber nicht nur die Deutschen, sondern auch ihre europäischen Nachbarn. Fast sechs von zehn Europäern fürchten, dass Terroranschläge in Europa im Zuge der Flüchtlingsbewegungen wahrscheinlicher werden. In Ungarn teilen diese Sorge drei viertel der Bevölkerung, was im europäischen Vergleich der höchste Wert ist. Zu diesen Ergebnissen kommt das amerikanische Meinungsforschungsinstitut Pew, das zwischen Anfang April und Anfang Mai mehr als 11.000 Menschen in zehn europäischen Ländern befragt hat. Für Deutschland kommt Pew in dieser Frage auf 61 Prozent – also weniger, als R+V ermittelt hat. Das wird auf unterschiedliche methodische Herangehensweisen und Frageformulierungen zurückzuführen sein.
Laut Pew ist die Hälfte der Europäer zudem der Meinung, Flüchtlinge seien eine Last für ihr jeweiliges Land, weil sie Arbeitsplätze und Sozialleistungen wegnähmen. Auch in diesem Punkt liegen die Ungarn vorn, wo 82 Prozent der Befragten diese Befürchtung haben, gefolgt von Polen und Griechenland. In Deutschland ist knapp jeder Dritte dieser Ansicht – und damit am wenigsten, verglichen mit den anderen Ländern.
Roma haben es in der Gunst der Europäer am schwersten
Die Studie offenbarte auch große Vorbehalte gegenüber Muslimen. Für die Forscher stellt sich hier ein Zusammenhang dar: „Die Wahrnehmung von Flüchtlingen ist teilweise von den negativen Einstellungen gegenüber Muslimen beeinflusst“, heißt es in der Studie. Außer in Polen sind in jedem der untersuchten Länder die Hälfte bis über Dreiviertel der Menschen der Meinung, Muslime wollen lieber unter sich bleiben und sich nicht den nationalen Gepflogenheiten anpassen. In einigen Ländern ist dieser Anteil jedoch in den vergangenen Jahren zurückgegangen. In Deutschland etwa sagten das 2005 noch 88 Prozent der Bevölkerung, jetzt meinen das 61 Prozent.
Allerdings sind die Vorbehalte gegenüber den Roma noch stärker als gegenüber Muslimen. In Deutschland haben die Forscher bei vier von zehn Befragten eine negative Einstellung gegenüber Roma festgestellt. In Bezug auf Muslime waren es nur knapp drei von zehn. Damit sind die Vorbehalte gegenüber Muslimen in Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die fast dieselben Werte haben, am geringsten.
In Italien, Griechenland und Ungarn sind die Bürger am schlechtesten auf Minderheiten zu sprechen. Dort haben etwa zwei Drittel und mehr Menschen Vorbehalte gegen Roma – in Italien sogar 82 Prozent – und Muslime. Ein Viertel der Italiener hat zudem etwas gegen Juden, ein Drittel der Ungarn und über die Hälfte der Griechen. Insgesamt sind Vorbehalte gegenüber Juden aber deutlich weniger verbreitet und seit dem vergangenem Jahr stabil. (pro)
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