Deutschland darf nicht „Bordell Europas“ sein

Deutschland ringt um eine Lösung in der Bekämpfung der Prostitution. Die CSU-Politikerin Dorothee Bär fordert im Spiegel-Streitgespräch mit Renate Künast, dass Deutschland etwas tut, um nicht das „Bordell Europas“ zu bleiben.
Von Johannes Blöcher-Weil

Die CSU-Politikerin Dorothee Bär setzt sich für einen Paradigmenwechsel ein, um Prostitution zu bekämpfen. Sie wirbt dafür, das „Nordische Models“ einzuführen, das die Freier und Bordell-Besitzer bestraft anstatt der Prostituierten. Ihre Bundestagskollegin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) sieht das kritisch. Der aktuelle „Spiegel“ hat ein Streitgespräch zwischen den beiden Politikerinnen aufgezeichnet.

Das „Nordische Modell“ helfe nicht der Würde der einzelnen Frau und das Gewerbe rutsche in ein Dunkelfeld, meint Künast. Sie befürchtet, dass dadurch immer mehr Prostitution im Privaten geschieht. Ein Verbot sei zwecklos, wenn zugleich die gesamten Maßnahmen nicht umgesetzt würden, die sonst nötig seien. Ziel müsse es bleiben, die Würde der Frau zu schützen.

Bär: „Ein Verbot greift wirksam in den Markt ein“

Bär hält dagegen, dass der Staat eine Schutzaufgabe habe und diese wahrnehmen müsse. Beim Elend der Frauen dürfe niemand wegschauen. Schweden habe das „Nordische Modell“ 1999 eingeführt und der Markt für Prostitution sei deutlich kleiner geworden. Durch die rechtliche Lage sei Deutschland zum Bordell Europas geworden. Das dürfe so nicht bleiben.

Bei Prostitution gehe es immer um ein Machtverhältnis. „Für welchen Arbeitsplatz brauche ich vier, fünf Notfall-Knöpfe, weil ich Angst habe um Leib und Leben?“, fragt Bär in dem Streitgespräch. Die bisherige Gesetzeslage begünstige Zuhälter, Menschenhändler und Drogenhändler. Erst ein Verbot greife wirksam in den Markt ein und entziehe Menschenhandel die Basis.

Künast wirft Bär Populismus auf Kosten der Frauen vor. CDU und CSU hätten 16 Jahre lang Zeit gehabt, um Verbesserungen zu erzielen. Rot-Grün habe 2001 selbst ein Prostitutions-Schutzgesetz verabschiedet. Auch wenn es nicht die volle Wirkung entfaltet habe, habe es „reale Situationen im Alltag handhabbar“ gemacht. Dies helfe mehr als plakative, aber ineffektive Lösungen anzubieten.

Künast: „Auf das Strafgesetzbuch schauen“

Künast wünscht sich Schutzräume für Aussteigerinnen. Aber auch Sozialarbeiter, Gesundheitsämter und Strafbehörden bräuchten Zugang zu den Frauen. Künast plädiert dafür, Veränderungen im Strafgesetzbuch oder in der Strafprozessordnung zu erwirken und mehr Verurteilungen zu schaffen: „Das ist der Punkt, an dem wir weitermachen müssen.“

Bär sieht Aussteiger-Programme kritisch: „Solange käuflicher Sex in Deutschland erlaubt ist, zählt die einzelne Person nichts.“ Es brauche ein Maßnahmenpaket. Dazu gehörten Aufklärung und Sensibilisierung, aber auch die Grundlage, dass der Mensch keine käufliche Ware sei. 2016 habe das Europäische Parlament den EU-Mitgliedsstaaten empfohlen, das „Nordische Modell“ einzuführen. Auf dieser Liste fehle Deutschland noch.

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