Deutscher Pfarrer in Russland vorübergehend verhaftet

Der deutsche Pfarrer einer evangelischen Gemeinde in Sankt Petersburg wurde für mehrere Tage verhaftet und ist nun wieder frei. Diplomaten vermuten darin einen gezielten Einschüchterungsversuch.
Von Jonathan Steinert
Petrikirche St. Petersburg

Ein deutscher Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland ist von russischen Behörden offenbar vorübergehend festgenommen worden. Es handelt sich um den Pfarrer der Petrikirchen-Gemeinde in Sankt Petersburg, Michael Schwarzkopf. Die Petrikirche ist die größte lutherische Kirche in Russland und Sitz des Bischofs. Wie die Gemeinde am Freitag auf dem russischen Online-Netzwerk „VK“ mitteilte, war der Grund für die Festnahme ein angeblicher Verstoß gegen die Meldepflicht in Russland.

Schwarzkopf ist demnach aber wieder frei, russischen Medienberichten zufolge soll er nun ausreisen. Laut Medienberichten werfen die russischen Behörden ihm vor, nicht an der angegebenen Meldeadresse gewohnt zu haben.

Der gebürtige Thüringer ist seit elf Jahren Pfarrer der Gemeinde. Den Berichten zufolge hatte er ohnehin geplant, Ende des Jahres nach Deutschland zurückzukehren. In dem Posting der Gemeinde heißt es, der Gemeinderat empfinde eine Mitverantwortung dafür, dass der Pfarrer melderechtliche Fragen nicht ausreichend genau beachtet und er keine ausreichend professionelle Unterstützung erhalten habe.

Auswärtiges Amt warnt

Wie der „Spiegel“ berichtet, sei das deutsche Generalkonsulat im Hintergrund an der Freilassung Schwarzkopfs beteiligt gewesen. Deutsche Diplomaten vermuteten laut dem Magazin, dass die Vorwürfe gegen den Pfarrer fingiert gewesen seien, um ihn einzuschüchtern und unter deutschen Staatsbürgern in Russland Unruhe zu verbreiten.

Das Auswärtige Amt warnt dringend davor, nach Russland zu reisen. „Verhaftungen und Verurteilungen können jederzeit, auch aufgrund konstruierter Vorwände, erfolgen“ und könnten als politisches Druckmittel dienen, heißt es auf der Seite des Ministeriums. Strafrechtliche Vorschriften seien zum Teil „bewusst vage formuliert“.

Der frühere Erzbischof der Evangelisch-lutherischen Kirche in Russland, Dietrich Brauer, hatte Russland im März 2022 nach dem russischen Überfall auf die Ukraine verlassen. Der Theologe hatte nach dem Angriff auf die Ukraine in einer Predigt scharfe Kritik an der russischen Staatsführung geübt und den Krieg verurteilt. Kurz darauf war er mit seiner Familie nach Deutschland geflohen, weil er nach eigenen Angaben Repressalien ausgesetzt war.

Die evangelisch-lutherische Kirche ist neben der orthodoxen Mehrheitskirche eine konfessionelle Minderheit in Russland. Ihre rund 170 Gemeinden mit etwa 15.000 Mitgliedern haben oftmals deutsche oder baltische Wurzeln. Zu Zeiten der Sowjetunion wurden evangelische Kirchen enteignet und zweckentfremdet. Die Petrikirche in St. Petersburg etwa diente als Schwimmbad. 1993 wurde sie der Gemeinde zurückgegeben.

mit epd-Material

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