Mit Spannung packen wir am Samstagabend das Brettspiel „Dynamis“ aus. Dessen Ziel ist es, durch verschiedene gute Ideen ein blühendes Gemeindeleben zu fördern und die Stärken der Gemeinde auszubauen. Wem das am besten gelingt, der hat am Ende die Nase vorne. In unserer Runde sitzen drei Viel- und eine Gelegenheitsspielerin. Jeder von uns entscheidet sich für eine von vier Gemeinden, mit der er erfolgreich sein muss. Neben der evangelischen Landeskirche, der Jugendkirche und der Freikirche wird auch die Katholische Kirche „bespielt“.
Es können auch mehrere Spieler gemeinsam spielen. Sie lenken, je nach Schwierigkeitsgrad, in den kommenden ein bis drei Stunden eine dieser Gemeinden. Zu Beginn des Spiels haben alle Mitspieler einen identischen Grundstock an Besuchern, Mitarbeitern und Qualitäten. Bei den acht Qualitätsmerkmalen, wie Leitung oder Struktur, haben sie unterschiedliche Stärken und Schwächen, aber im Schnitt sind sie bei allen vier Teams gleich.
Qualität der Gemeinde ausgewogen entwickeln
Ziel des Spiels ist es, entweder die Zahl der Gottesdienstbesucher von 75 auf 150 zu verdoppeln oder die acht Qualitäten zu steigern. Zudem gibt es noch einen „dritten Weg“, um zu gewinnen. Aber dafür müssen die Spieler erst einmal in das Spiel eintauchen, um ihn zu entdecken.
Auf diesem Spielplan gilt es möglichst viele grüne und gelbe Felder mit Personen zu besetzen, um für ein blühendes Gemeindeleben zu sorgen. Sinnvoll ist auch, die lila Steine, die die Qualitäten der Gemeinde darstellen, am Fuß des Spielplans gleichmäßig weiterzuentwickeln
Das Spiel ist mit Liebe zum Detail gestaltet. Dies betrifft vor allem die Personenchips, die schon bald die Plätze im Gottesdienst bevölkern, aber auch die einzelnen „Kirchen“, die jeder Spieler vor sich liegen hat. Sehr charmant ist, dass wir bei einer Einsteiger-Version die wichtigsten Mechanismen des Spiels kennenlernen können.
Vor jedem Spieler liegt sein persönliches Spielfeld. Der Gottesdienstsaal der Katholischen Kirche ist anders gestaltet als die Freikirche. Jedes Tableau hat noch ein Feld „Platz für Traditionen“. Im Gottesdienstraum können Gäste, Kleingruppen, Mitarbeiter, Mitarbeiterteams, ehrenamtliche Leitungsmitglieder und der Pastor Platz finden.
Traditionen weise einsetzen
Anfangs sind es 75 Menschen: Dieses Repertoire gilt es im Laufe des Spiels zu pflegen und zu fördern. Dynamik in das Spiel bringen die Aktionskarten. Sie enthalten mögliche Ideen, die Spieler in der eigenen Gemeinde umsetzen können: der Aufbau von Kleingruppen oder ein missionarisches Projekt in der Stadt.
Die 250 Aktionskarten werden auf vier Stapel verteilt. Dann beginnen die drei Phasen Besinnung, Einsatz und Tradition. Jeder Spieler zieht fünf (im Basisspiel eine) dieser Karten. Auf der Rückseite ist erkennbar, auf welche Qualität sich die Idee bezieht. Je höher die Qualität der Gemeinde in diesem Bereich ist, desto realistischer sind die Ideen umsetzbar. Natürlich ist der Würfel hier ein Glücksfaktor. Es ist sinnvoll, seine eigenen Stärken auszuspielen, aber auch die Schwächen dürfen die Spieler nicht vernachlässigen.
Wer eine Aktion ausspielt und sie umsetzen möchte, muss die Voraussetzung dafür erfüllen. Der Würfel entscheidet darüber. Je höher also der Grundwert der Qualität ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass die Probe gelingt. Davon profitiert die Gemeinde. So gewinnt sie etwa durch eine gelungene Aktion neue Mitarbeiter hinzu. Der Spieler kann dann entscheiden, ob er eine gelungene Aktion in seiner Gemeinde zur Tradition machen will. Hier ist Vorsicht geboten. Traditionen wird man so schnell nicht los und sie können die eigene Entwicklung hemmen.
Aus taktischen Erwägungen Sabbat machen
Jeder Spieler darf so viele Traditionen besitzen, wie er ehrenamtliche Leiter hat. Eingeführte Traditionen abzuschaffen ist nur schwer möglich. Wenn jeder Spieler maximal drei Aktionskarten gespielt hat, endet die Runde. Einige Aktionskarten sind verpflichtend. Die Spieler dürfen aber auch schon vorher „Sabbat“ machen. Wer als erstes diese Pause einlegt, darf – im Gegensatz zu allen anderen – übrige Aktionskarten, die er auf der Hand hält, abgeben.
Sind alle Ereigniskarten und Traditionen gespielt, wechselt der Startspieler und es geht von vorne los. Die Traditionen machen das Spiel dynamischer. Wer sich weiterentwickeln möchte, aber dafür in den eigenen Räumen keinen Platz findet, muss oder viel besser will die Gemeinde wechseln. Das darf natürlich nicht zu häufig passieren, sonst ist der Gottesdienstraum bald leerer. Dass der Spieler der abwandernden Gemeinde selbst entscheiden kann, wohin er seine Gottesdienstbesucher ziehen lässt, ist unrealistisch, hält das Spiel aber länger spannend. Er wird dazu gezwungen, sie abwandern zu lassen, weil sie ihre Ideen in der ursprünglichen Gemeinde nicht umsetzen konnten. Am Ende jeder Spielrunde kann jedes Mitarbeiterteam eine Qualität der eigenen Gemeinde erhöhen.
Autor Johannes Fähndrich hat sogar noch weitere Optionen geschaffen, um das Spiel zu erweitern. Es gibt Regeln, um den Glücksfaktor zu steigern, aber auch für noch mehr Strategie. Diese Bandbreite macht das Spiel stark. Die Pastoren-Karten erhöhen die Möglichkeiten und verbessern die Gemeindeentwicklung gezielt. Darüber hinaus gibt es noch die Chance, das Spiel um „externe Berater“ zu erweitern.
Spielziel kooperativ lösen ist auch möglich
Um das Spiel kooperativer zu machen, können auch Aktionskarten unter den Mitspielern getauscht werden. Und wer die ganz kuschelige Variante haben möchte, sollte den „Kooperationsmodus“ spielen. Hier geht es darum, das Spielziel mit allen gemeinsam zu erreichen. Je mehr Leute in einem Team spielen, desto kommunikativer wird das Spiel. Wer alleine seine Strategie entwickeln möchte, sollte mehrköpfige Teams vermeiden.
Die Aktionskarten sind realistisch und vielfältig. Wer nicht „nur“ spielen möchte, kann sich auch über die dort genannten Aspekte unterhalten. Am Anfang fehlte etwas der Überblick über Stärken und Schwächen der 250 Aktionskarten. Von daher war es schwer, eine Taktik zu entwickeln. Keiner wusste, wie mächtig seine Traditionen sein können. Dies wurde hinterher noch ausführlich analysiert.
Die Aktionskarten bringen Dynamik ins Spiel: Mit ihnen kann man Ideen für die eigene Gemeinde umsetzen, aber auch böse Überraschungen erleben
Der Spielmechanismus an sich ist leicht verständlich. Das erste Spiel hat gezeigt, wie viele Variationen möglich sind. Die Anleitung ist überschaubar und verständlich. Ein paar kleine Regellücken müssten noch geschlossen werden. Das „Prinzip Gnade“, das der Autor bei Regellücken vorschlägt, ist für Vielspieler wohl eher eine Anfechtung. Auch hier möchte Fähndrich dynamisch sein.
Natürlich sind die 50 Euro, die das Spiel bei Erscheinen im Laufe des Jahres kosten soll, eine Hausnummer. Aber Vielspieler mit Bezug zum Thema bezahlen auch diese Summen. Und für die Gemeinden und Pastoren könnte das eine sinnvolle Investition zur Mitarbeiterbildung oder zum Gemeindeaufbau sein.
Es ist facettenreich und eignet sich für „Einfach nur so“-Spieler, ist aber auch gut einsetzbar bei Gemeindeabenden oder in Konfirmandengruppen. Die Aktionskarten sind mitten aus dem ganz normalen Alltag einer Gemeinde. „Hier ist vieles eingeflossen, was ich in über zwanzig Jahren Pastorenleben erlebt habe oder gerne erlebt hätte“, schreibt Autor Fähndrich auf der Internetseite, auf der er auch die Spielregeln noch einmal mit Videos erklärt.
Fähndrich ist Vater von fünf Kindern, Pastor im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden und Mitarbeiter in der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung. Man spürt ihm die Begeisterung für Gemeinde und Spiel ab. Viele Aktionskarten können die Gemeinden nur gemeinsam bewältigen. Von daher ist es auch ein Spiel auf „Allianz“-Ebene. Es ist kein billiger Abklatsch anderer Ideen, wie wenn etwa die „Siedler von Catan“ auf fromm in „Siedler von Kanaan“ getrimmt werden. Bei „Dynamis“ hat sich jemand Gedanken gemacht – und uns beim ersten Eintauchen über zwei Stunden Spielspaß beschert. Wiederholung nicht ausgeschlossen.