Der Ton macht die Politik

Sie startete als kleine Partei der Eurogegner, heute ist sie das Rechtsaußen im Deutschen Bundestag: Am Samstag ist die AfD genau fünf Jahre alt. Mit ihr ist es wie mit anderen Fünfjährigen: Sie trifft selten den richtigen Ton, nervt zuweilen schrecklich, lehrt ihr Umfeld aber auch, Sichergeglaubtes neu zu begründen. Eine Analyse von Anna Lutz
Von PRO
AfD-Vizechefin Beatrix von Storch ist dafür bekannt, nicht immer den richtigen Ton zu treffen

Fünf Jahre sind vergangen, seit die AfD in Berlin am 14. April ihren Gründungsparteitag beging. Fünf Jahre seit Bernd Lucke eine Anti-Europartei mit liberal- bis rechtskonservativen Zügen ins Leben rief. Nach ihm fragt heute kaum noch jemand, ebenso wie nach seiner Nachfolgerin Frauke Petry, obwohl diese nach ihrem öffentlichkeitswirksamen Austritt gemeinsam mit den alten Kollegen im Parlament sitzt. Die Luckes und Petrys von heute heißen Alexander Gauland, Alice Weidel oder Beatrix von Storch. Sie führen ihre Partei – und das weiter nach rechts, als es sich Lucke und Petry wohl gedacht haben.

Dabei ist die Karriere der AfD beispiellos. Sie wurde zwar nicht ad hoc, aber dann doch bei der Bundestagswahl 2017 drittstärkste Kraft. Einige Umfragen sahen die AfD zeitweise stärker als die SPD. Auch deshalb, weil die selbsternannnte Alternative auf Themen setzte, bei denen offenbar viele Menschen den etablierten Parteien nicht mehr vertrauten: Familie, Flüchtlingspolitik, Lebensschutz. Gerade Christen sind diese Punkte wichtig.

Beatrix von Storch verbreitet ihre Meinung vor allem über Soziale Medien. Dabei ist das Twitterverhalten der Vizeparteichefin ein Spiegel für die Art und Weise, wie die AfD im Parlament arbeitet: Rhetorisch gut, immer angriffslustig, provokant, ohne Rücksicht auf Verluste und oft unangemessen.

Eine fadenscheinige Entschuldigung

Anfang Januar schrieb Storch über „muslimische, gruppenvergewaltigende Männerhorden“ und wurde dafür huntertfach angezeigt. Nachdem im April ein offenbar geisteskranker Deutscher einen Auto in eine Menschenmenge in Münster fuhr, zitierte sie Angela Merkel ironisch mit dem Satz „Wir schaffen das“ – dabei war die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin nicht einmal unter Aufwendung größter Vorstellungskraft mit dem Attentat in Verbindung zu bringen.

Nun fordern einige, dass Storch ihren Stuhl im Parlament deshalb räumt. Sie selbst interessierte das zunächst wenig. Sie twitterte fröhlich weiter über Gefährder und mutmaßliche deutsche Nachahmungstäter, bis der Druck vier Tage später offenbar so groß wurde, dass sie sich zu einer Entschuldigung genötigt sah. Die kam via Facebook zusammen mit einem Referat über islamistische Gefährder und die schlechte Politik der Kanzlerin.

Selbstsicherheit ist das Kapital einer Partei, die ihre Daseinsberechtigung aus dem Frust des sogenannten Kleinen Mannes zieht. Die AfD soll sich in seinem Namen gegenüber den Großen behaupten – auch im Deutschen Bundestag. Daran ist zunächst nichts Schlechtes, doch im Falle der Alternative für Deutschland bringt es einen rauen und zuweilen einen dem sogenannten Hohen Haus unwürdigen Ton mit sich.

Nazivokabeln und Einschüchterung

Etwa wenn AfD-Innenpolitiker Gottfried Curio mit Nazivokabular gegen den Doppelpass protestiert: Er sei „zur Regel entartet“. Fraktionschef Alexander Gauland kündigte bereits am Wahlabend an, die Kanzlerin „jagen“ zu wollen. AfD-Rechtsaußen Heiko Hessenkemper bemüht Begriffe wie „Bevölkerungsaustausch“ zum Thema Zuwanderung und wirft der Bundesregierung „Deutschenhass“ vor.

Stephan Brandner, Unterstützer des völkisch-nationalen Björn Höcke-Flügels der Partei, bezeichnet die Öffentlich-Rechtlichen unter Applaus seiner Fraktion als „Staatsfunk“ und erklärt, die deutsche Presse werde von der SPD gesteuert. Der ehemalige FDP-Mann Enrico Komning erklärt zu einem Wirtschaftsthema in Richtung der Bundesregierung: „Sie gackern laut, legen aber keine Eier. Wer keine Eier hat, sollte nicht regieren.“ Dass der letzte Satz zweideutig zu verstehen ist, gehört offensichtlich zum Kalkül.

Der Ton der AfD im Bundestag gehört wie auch das Getwittere von Beatrix von Storch eher an den Stammtisch als in eine würdige politische Debatte. Ebenso wie die Äußerungen aus den meist vollbesetzten AfD-Reihen, während der politische Gegner sich am Rednerpult äußert. Da wird nachgeäfft, beleidigt oder so öffentlich nachgefragt, dass es offenbar mehr der Ablenkung als der Ausführung des eigentlichen Themas dient. Spricht man mit Abgeordneten und Beobachtern des Bundestages, beklagen diese eine oft provokante Körpersprache mancher AfD-Politiker. Geradezu einschüchternd wirke es, wenn einige Rechtskonservative während der Reden Andersgesinnter breitbeinig und mit verschränkten Armen neben ihren Sesseln Position bezögen.

Keine Partei wie jede andere

Das provokante Auftreten der AfD verändert die Stimmung im Parlament. Sie sorgt für Verunsicherung, aber auch für eine neue Kampfbereitschaft bei den Alteingesessenen. Wenn Grünen-Politiker Cem Özdemir engagiert die Pressefreiheit verteidigt und der AfD Zensurfantasien vorhält. Wenn CDU-Nachwuchspolitiker Philipp Amthor für jeden sichtbar die Versuche der AfD, Gerichtsurteile in ihrem Sinne umzudeuten, darlegt. Oder wenn SPD-Mann Johann Saathoff plattdeutsch auf die Forderung antwortet, Deutsch als Landessprache im Grundgesetz festzuschreiben, dann ist das nicht nur unterhaltsam, sondern hat seinen ganz eigenen Wert für die Demokratie.

Denn wenn Parlamentarier den bisherigen Konsens nicht mehr als gegeben hinnehmen, sondern Grundsätzliches neu erklären und verteidigen müssen, dann erreichen sie mit ihren Ausführungen hoffentlich auch Unentschlossene und Andersgesinnte – oder bringen sie zumindest zum Nachdenken. So könnte die AfD im Bundestag am Ende vielleicht wirklich zum Erstarken der Demokratie beitragen.

Anna Lutz

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