Ohne James Huhtas Hilfe wären viele seiner Patienten tot. Das trifft auf einige Ärzte zu, doch im Falle Huhtas sind die Patienten oft nicht einmal geboren. Der Mediziner hat eine besondere Profession: Er ist Kinderkardiologe und spezialisiert auf die Behandlung vor der Geburt. Mithilfe gezielter Ultraschalluntersuchungen ermittelt er angeborene Herzfehler – und begleitet die werdenden Eltern bei allem, was dann folgt: Diagnostik, Geburt, Operationen. Seit über 30 Jahren behandelt der US-Amerikaner und bekennende Christ schon die Kleinsten der Kleinen. „Ein Fötus ist für mich nicht weniger mein Patient als die werdende Mutter“, sagt er an einem heißen Sommernachmittag in Berlin-Mitte.
Huhta ist mit seiner Ehefrau Nan nach Deutschland gereist. Sie arbeitet für die Organisation „Christian Embassy“, baut also beruflich Kontakte zu Politikern auf und organisiert etwa Gebetsfrühstücke. Das Ehepaar kennt Europa von vielen Besuchen, beide bringt ihr Beruf nach Übersee. Während sie als christliche Lobbyistin unterwegs ist, spricht er als Spezialist auf seinem Gebiet vor Ärzten. Dieses Mal ging es für ihn unter anderem nach Linz, in eine der weltweit führenden Kliniken für pränatale Herzeingriffe.
Ultraschall: Ein Segen Gottes
Vor einigen Jahren machte die Einrichtung Schlagzeilen, weil Ärzte dort einem ungeborenen Kind kurz vor der Geburt noch im Mutterleib einen Stent einsetzten. Mithilfe von Ultraschall und einer langen Hohlnadel implantierten die Mediziner das Metallröhrchen, das dazu dient, die Blutzufuhr im Herzen zu ermöglichen. Ohne den Eingriff wäre das Kind wohl gestorben.
Für Huhta sind medizinische Möglichkeiten wie diese ein Segen Gottes. Ebenso wie die vorgeburtlichen Diagnosen der heutigen Zeit. Denn anders als etwa in den 70er Jahren können Eltern sich heute in vielen Fällen für die Behandlung ihres ungeborenen Kindes entscheiden, wenn eine mögliche Fehlbildung früh genug entdeckt wird. Deshalb rät er Christen dazu, die Möglichkeiten feindiagnostischer Ultraschalluntersuchungen wahrzunehmen, auch wenn sie die Schwangerschaft in Gottes Hand wähnen.
Eine echte „Pro-Life-Alternative“
Ein sogenannter offener Rücken etwa kann heute vor der Geburt operiert werden. Vor 20 Jahren landeten Kinder mit dieser Diagnose im Rollstuhl – oder die Eltern entschieden sich gleich für einen Schwangerschaftsabbruch. Im Jahr 2022 hat das Kind eine reelle Chance, gesund zu werden. Huhta nennt das eine „echte Pro-Life-Alternative“. „Heute ist es nicht mehr so leicht, zu sagen: Oh, diese Schwangerschaft ist für die Mülltonne, lass es uns einfach nochmal versuchen.“
Schnell wird klar: Huhta will mit seinen Aussagen auch provozieren. Denn das Thema Lebensrecht ist in seiner Heimat – vielleicht mehr noch als in Europa – hart umkämpft. Wenige Tage nach der Begegnung in Berlin wird eine Entscheidung des Supreme Court das US-Abtreibungsrecht grundlegend verändern. Die Richter werden das Urteil zum Falls Roe v. Wade aus dem Jahr 1973 kippen, das Abtreibungen im Land grundsätzlich legalisierte.
Amerika steht vor einem Zeitenwandel in Sachen Schwangerschaftsabbrüche. Und Huhta findet das gut. „Abtreibung wird zu einer lokalen Entscheidungsfrage werden“, prognostiziert er. „Es wird Staaten geben, die weiterhin Abtreibungen fördern und solche, die es verbieten.“ Mit diesen Worten wischt er auch die Sorgen vieler Frauen weg, die ihre Entscheidungsfreiheit beeinträchtig sehen – etwa weil sie in ihrem Staat keine Möglichkeiten mehr auf einen Schwangerschaftsabbruch hätten. „Sicher, wir brauchen die Möglichkeit sicherer Abtreibungen, aber eben nicht eine Multimillionenindustrie, wie es sie derzeit gibt.“ Die Zeit wird zeigen, ob er Recht behält. Bereits vor der gerichtlichen Entscheidung haben zahlreiche US-Staaten die Möglichkeiten auf einen Schwangerschaftsabbruch erheblich eingeschränkt.
Ist Huhtas Lebensschutz-Ansatz in der Medizin akzeptiert? „Ich gehöre zu einer Minderheit, auch wenn alle meine Kollegen sicherlich großen Respekt vor dem Leben haben“, antwortet er. Er wolle für seine Sache werben, etwa indem er in Gesprächen im Krankenhaus die „Heiligkeit des Lebens“ betone. Huhta hat Zeit seiner Laufbahn selbst rund 50 Kinderkardiologen ausgebildet. „Ich habe mir das Recht erarbeitet, gehört zu werden“, sagt er.
„Pro Life“ bedeutet für ihn dann aber auch vor allem, ansprechbar zu sein. Er will da sein, wenn eine schwangere Frau Angst davor hat, ein krankes Kind auf die Welt zu bringen. Oder wenn sie sich fragt, ob das Leben ihres möglicherweise behinderten Kindes lebenswert ist. „Ich will ihnen helfen, zu verstehen, was da in ihrem Bauch geschieht.“
Und er bringt die werdenden Eltern in Kontakt mit anderen Paaren, die ihr Schicksal teilen und bereits ihre Erfahrungen gemacht haben – zum Beispiel mit einem behinderten Kind. „Es gibt kaum etwas Schwierigeres, als jungen Eltern zu erklären, dass ihr Baby nicht perfekt sein wird. Sie gehen am Boden zerstört fort. Und dann kommen sie am nächsten Tag wieder und unsere Arbeit beginnt.“
Will er sie überzeugen, das Kind zu behalten, egal was komme? Huhta verneint. Er wolle nur da sein „from Whomb to Tomb“. Zu Deutsch: vom Bauch bis zum Grab.