In Deutschland kennt jedes Kind Harry Potter. Das geht zumindest aus einer Umfrage hervor: 100 Prozent der Teilnehmer gaben an, mit dem Namen etwas anfangen zu können. Im Auftrag von „myToys.de“ waren 1.035 Jungen und Mädchen zwischen 6 und 16 Jahren befragt worden. Doch nicht nur Kinder lieben den jungen Zauberer, sondern auch Erwachsene. Und mit ihrem neuen Band verabschiedet sich Joanne K. Rowling endgültig von ihrer Vision, eine Reihe für Kinder zu schreiben.
Der sechste Band mit dem Titel „Harry Potter und der Halbblutprinz“ ist nicht so langatmig wie sein Vorgänger, und auch um 160 Seiten kürzer. Dafür bemüht sich die Autorin offenbar, die Handlung in jedem neuen Band grausamer zu gestalten. In den ersten Bänden erlebt Harry zwar während des jeweiligen Schuljahrs spannende und auch gefährliche Abenteuer. Doch am Ende herrscht die Erleichterung darüber vor, dass alles gut ausgegangen und niemand zu Schaden gekommen ist. Das Schlimmste ist Harrys Aussicht, die Ferien bei seinen Verwandten verbringen zu müssen, die ihn nicht besonders gut behandeln und seine Freunde wochenlang nicht zu sehen.
Am Ende: Trauer
Dies ändert sich jedoch bereits im vierten Band. Zwar sitzen die Hogwarts-Schüler am Ende wieder in dem Zug, der sie nach London und in die Ferien bringt. Doch das Entsetzen über den Tod eines Mitschülers, der von dem bösen Zauberer Lord Voldemort umgebracht wurde, nimmt den abschließenden Szenen etwas von ihrer Heiterkeit. Allerdings hatte dieser Schüler in der bisherigen Handlung eine untergeordnete Rolle gespielt. Die Tendenz setzt sich in Band 5 fort, nur dass der Tote diesmal eine wichtige Bedeutung für Harry hatte.
Im neuen Band „Harry Potter und der Halbblutprinz“ steht am Ende eine Trauerfeier. Die Zugfahrt wird nicht mehr beschrieben. Für Erleichterung ist kaum Platz. Das düstere Element, das bereits in den beiden vorigen Bänden zu spüren war, ist intensiver geworden. Hoffnung auf Ferien, die zumindest teilweise schön werden könnten, oder auf ein neues Schuljahr mit vielen kleinen Freuden kommt diesmal nicht auf. Harry ist erfüllt von Rachegedanken, zu denen ihn ausgerechnet Schulleiter Dumbledore zuvor ermutigt hatte. Rache kam bereits früher vor, aber diesmal hat er offenbar nichts anderes mehr im Sinn.
Grausamkeit und Gewalt
Im sechsten Band stirbt erneut eine Person, die bis dahin für Harry wichtig gewesen ist und die er vermissen wird. Auch dieser Mensch wird ermordet, und zwar durch einen „Todesfluch“ mit dem Zauberstab. Flüche sind hier keine Aneinanderreihungen von Schimpfwörtern, sondern besondere Zaubersprüche, mit denen Menschen Schaden zugefügt werden kann. Mitunter entsteht der Eindruck, es mache der Autorin Spaß, demjenigen, mit dem sich die Leser identifizieren, wichtige Menschen durch gewaltsamen Tod wegzunehmen. Hinzu kommt, dass sie Harry dabei zuschauen lässt – eine Ausnahme ist der Tod seiner Eltern, denn sie wurden von Voldemort umgebracht, als er ein Jahr alt war.
Grausamkeit und Gewalt zeigen sich auch im Umgang der Schüler untereinander. Die Schule für Zauberei und Hexerei, Hogwarts, ist nicht nur wegen der Unterrichtsfächer eine besondere Schule. Auch die Streitereien unter den Schülern werden auf eine besondere Weise ausgetragen. Zu einer Prügelei gehört fast immer der Zauberstab. Je älter Harry und seine Kameraden werden, desto mehr haben sie gelernt, womit sie anderen schaden und sich selbst verteidigen können. So werden auch diese Auseinandersetzungen auf den Gängen von Band zu Band brutaler.
Erfolg durch Lügen
Nicht brutal, aber dennoch nicht nachahmenswert ist eine weitere Eigenschaft von Harry: Er wird zwar älter, aber nicht unbedingt erwachsener oder reifer. Obwohl er im nächsten Band 17 werden soll und damit zumindest in der Zaubererwelt die Volljährigkeit erreicht, kann er immer noch nicht zu seinen Taten stehen. Stattdessen hilft er sich durch Lügen und hat meist Erfolg. Zweimal merkt die Autorin zwar an, Harry habe erkannt, dass er jetzt die Wahrheit sagen müsse – aber in beiden Fällen will er dadurch etwas erreichen. Wenn ihn hingegen ein Lehrer bei etwas Verbotenem erwischt, lügt er so gut wie immer. Davon lässt er sich auch nicht dadurch abbringen, dass beispielsweise sein verhasster Lehrer Snape Verdacht schöpft, ihn immer wieder fragt und ihm dann eine sehr unangenehme Strafe wegen Lügens aufbrummt.
Möglicherweise ist an der immer wieder geäußerten Theorie etwas dran, das Einstiegsalter für einen Potter-Band entspreche jeweils dem Alter, das Harry gerade erreicht hat. Am Anfang von Band 6 feiert er seinen 16. Geburtstag. Leser unter 16 Jahren sollten auf jeden Fall die Finger von dem Buch lassen. Ältere müssen selbst entscheiden, ob sie sich diese grausamen Szenen antun wollen.
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