Langsam bewegt sich die Kamera auf den Altarraum zu, nur zwei Männer jenseits der fünfzig sitzen auf dunklen Holzbänken. Pater Sandesh Manuel steht auf der Kanzel und wendet sich in seinem weiß-rotes Priestergewand zur Gemeinde: „Evangelium unseres Herrn Jesus Christus!“ In den ersten Sekunden könnte meinen, ein ganz normaler katholischer Gottesdienst werde hier gefilmt. Doch plötzlich kommt alles ganz anders. Pater Manuel erklärt: „Anstelle einer Predigt möchte ich heute ein Lied rappen.“ Und das tut er nach einigen einleitenden Worten, bis der Song schließlich im Refrain „Er ist auferstanden, Hallelujaaaah! Unterschätze nicht was du kannst!“ kumuliert. Es ist eines der vielen Musikvideos von Pater Manuel, der als YouTuber und Rapper wohl einer der unkonventionellsten katholischen Geistlichen im deutschen Sprachraum ist. Der Franziskanermönch stammt eigentlich aus Indien, aus der 11-Millionen-Stadt Bangalore. Heute lebt er in Wien und studiert dort Konservatorium klassische Gitarre.
Man nimmt dem 40-Jährigen ab, dass er nicht um der Aufmerksamkeit willen unkonventionelle und lustige YouTube-Videos produziert, sondern weil er wirklich Spaß daran hat – ein Spaß, der zu seinem Verständnis von christlicher Freude gehört: „Das ist so getrennt voneinander in Europa: Wenn jemand gläubig ist, ist er ganz in einem eigenen Kreis, ganz fromm, Kopf tief, Knie gebeugt, nichts zu tun mit der sogenannten Welt.“ Diese Grenze möchte Manuel überwinden, indem in er seinen YouTube-Videos mit so mancher ungeschriebener sozialer Norm für einen Priester und Mönch bricht.
Ja, es gebe auch kritische Stimmen innerhalb der Kirche: „Das ist noch ‚out of the box‘, man ist noch nicht gewohnt, dass ein Priester so etwas macht.“ Aber Pater Manuel ist von Herzen Franziskaner und steht zu den grundlegenden Werten seines Glaubens und seiner Ordensgemeinschaft. Seit er siebzehn ist, gehört er ihr an. Der braune Habit, „ein Symbol der Tradition“, ist zusammen mit einer Pokémon-Kappe, einem „Symbol der Offenheit“, sein Markenzeichen: „Ich bin so ein verrückter Franziskaner“, sagt er über sich selbst und weist darauf hin, dass bereits Ordensgründer Franz von Assisi im italienischen Mittelalter als „Gaukler Gottes“ bezeichnet wurde.
Das kommt nicht von ungefähr, wurde letzterer doch auch durch unkonventionelle, schauspielerisch untermauerte Predigten berühmt und meinte: „Was sind wir Knechte Gottes anderes als umherziehende Sänger und Spielleute, welche die Herzen der Menschen bewegen wollen.“ Der 2016 verstorbene Theologe und Ordensmann Anton Rotzetter erklärte einmal, die Franziskaner fühlten sich „als Sänger, als Menschen, die froh sind ob der Schöpfungs- und Erlösungstat Gottes und die anderen diese Freude mitteilen wollen.“
Mehr als Klamauk
Somit steht Pater Manuel in der Tradition des Franz von Assisi, der einst ebenfalls mit Konventionen brach und die Freude am Glauben betonte. Zudem sind Manuels Videos zwar mitunter trashig, aber trotzdem alles andere als reiner Klamauk. Wer näher hinsieht, merkt, dass es ihm in seinen Raps und Vlogs oft auch um ernste Themen geht: Etwa um Selbstachtung, um den Schutz der Umwelt, um soziale Ungerechtigkeit und um geistliche Themen im engeren Sinne. Auch eine Version des Sonnengesangs von Franz von Assisi oder das Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ mit dem berühmten Text Dietrich Bonhoeffers finden sich in seinem Repertoire.
Die größte Aufmerksamkeit verschafft sich Manuel auf YouTube aber mit lustigen Videos. Besonders gut kommt dabei eines an, in dem er als dunkelhäutiger Inder in österreichischem Dialekt über das Bundesland Kärnten rappt: „Jo, da Herrgott hot glocht, wia er Karntn hot gmocht.“ Doch auch in diesem Video, das mit gut 90.000 Aufrufen mit Abstand die meisten Klicks hat, gibt es eine geistliche Anspielung, die auf Gott, den Schöpfer verweist: „Wenn i am Gipfl steh und ins Lond einischau, konn i nur noch staunen und seh sei Hondschrift genau.“
Als christlichen Influencer möchte sich Pater Manuel allerdings nicht bezeichnen: Anstatt andere Menschen zu verändern, will er bei sich anfangen. „Ich habe genug in meinem Leben zu ändern. Wenn ich das schaffen kann, ist das genug.“
Von: Raffael Reithofer