Wulff, der von 2010 bis Anfang 2012 Bundespräsident war, sagte den denkwürdigen Satz im Rahmen der Feier zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2010 in Bremen. "Inzwischen scheint es, als hätte die stete Wiederholung dieses Satzes, der als Wulffs größtes Verdienst gilt, eine bedingungslose, gesetzeskräftige Autorität verliehen", schreibt die mehrfach ausgezeichnete Berliner Schriftstellerin Maron in ihrem Essay.
"Das Fragwürdige des Satzes liegt in seiner gleichzeitigen Eindeutigkeit und Unschärfe." Er dulde weder Widerspruch noch Nachfrage – dabei seien viele Fragen offen: Gehört mit dem Islam auch die Scharia zu Deutschland? Welche Glaubensrichtung des Islam ist gemeint? Ehe dieser Satz "so unkommentiert in den Boden des deutschen Grundgesetzes gerammt" werde, müsse er hinreichend erklärt, sollten seine Konsequenzen aufgezeigt werden, fordert Maron.
"Ich wünsche, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört"
In ihrem Beitrag versucht sie ebendies: Der Satz meine nicht schlicht, dass es in Deutschland praktizierende Muslime gibt, sondern dass der Islam prägenden Einfluss auf die Gesellschaft habe. Doch wendet Maron ein: "Die Anwesenheit von Glaubensrichtungen oder Überzeugungen, auch das Recht, sie zu leben und zu propagieren, heißt doch nicht, dass sie zu unserer Vorstellung von der Gesellschaft gehören, in der wir leben wollen."
Dies gelte auch für den Islam in seiner derzeitigen Verfassung. Schon aus rechtlichen Gründen sei sein politischer Anspruch problematisch. Auch die Benachteiligung von Frauen im Islam sieht Maron kritisch. Erschreckend sei, wie Prediger muslimische Jungen indoktrinierten. Dem Islam stehe noch die Aufklärung bevor, die das Christentum vor 200 Jahren erdulden habe müssen. "Bis dahin aber wünsche ich innigst, dass er nicht zu Deutschland gehört."
Auch Andersgläubige sind "Deutsche"
Maron kritisierte die Parteien SPD, Grüne und FDP, die gegen die Äußerung Volker Kauders Einspruch erhoben haben. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sagte im Vorfeld der Deutschen Islamkonferenz vergangene Woche, Muslime, die hier lebten, gehörten zwar zu Deutschland, nicht aber der Islam. Auch Maron plädierte dafür, hiesige Muslime ohne weitere Unterscheidung einfach als "Deutsche" anzusehen, wenn sie sich selbst so verstehen wollen. "Das heißt aber nicht, dass außer seinen Gläubigen auch gleich der zugewanderte Gott in das deutsche Selbstverständnis integriert werden muss."
Die 70-jährige Schriftstellerin lebte von 1951 bis 1988 in der DDR. Bekannt wurde sie durch ihren Debütroman "Flugasche" (1981), in dem sie die Umweltverschmutzung in der DDR anprangerte. Wegen seines kritischen Inhalts durfte das Buch in der DDR nicht erscheinen, fand aber mit S. Fischer einen Verlag in Westdeutschland. Maron verfasste seither mehr als zehn Romane. 1992 erhielt die Berlinerin den Kleist-Preis für den Roman "Stille Zeile Sechs" (1991). (pro)