Darwins Leben war sehr von Religion geprägt. Ihm war stets bewusst, was seine eigentlich biologischen Forschungsarbeiten gesellschaftlich und theologisch bedeuteten. Zwanzig Jahre lang kämpfte er mit sich – und mit seiner Frau, der tiefreligiösen Emma Darwin. Als er sein Hauptwerk "Die Entstehung der Arten" ("On the Origin of Species") vor 150 Jahren veröffentlichte, brachte er eine Kontroverse in die Welt, die bis heute nachwirkt. Nicht mehr Gott sollte in einer unermesslichen Schaffenskraft alle Lebewesen gemacht haben, sondern alle Arten sollten sich, vom Zufall gesteuert, weiterentwickelt und so den Menschen hervorgebracht haben. Bis zu Darwins Veröffentlichung war man allgemein der Ansicht, das Leben sei zu komplex und wunderbar, als dass es aus dem Nichts und durch Zufall entstanden sein könnte.
Der Titel des Filmes von Regisseur Jon Amiel lautet dennoch "Creation" – Schöpfung. "Mit dem Titel wollten wir wohl etwas provozieren", sagt Amiel der "Los Angeles Times". "Aber es geht auch wirklich um Schöpfung. ‚Die Entstehung der Arten‘ ist nicht nur eines der größten wissenschaftlichen Arbeiten, die je geschrieben wurden, sondern auch ein literarisches Meisterwerk. Unsere Geschichte handelt von dem Erschaffen und von der großen Einsamkeit eines solchen Aktes und von dem Bruch zwischen Kreativität und dem Familienleben."
Tatsächlich ist die Familie Darwins nicht unerheblich für das Verständnis des Konfliktes, an dem der Forscher lange Zeit litt. Der Film, der am 25. September in Großbritannien in die Kinos kommt, basiert auf dem Buch "Annie’s Box". Geschrieben hat es Randal Keynes, einem Ur-Ur-Enkel von Charles Darwin. Es handelt besonders von der Beziehung Darwins zu seiner Tochter Annie, die 1851 im Alter von zehn Jahren an einer Krankheit starb. Ihr Tod ist bedeutsam für Darwins Leben, denn danach verstärkte sich sein Zweifel an der Existenz eines gerechten, liebevollen Gottes. Darwin bezeichnete sich in seinem späteren Leben als Agnostiker. "Als Annie starb, wandte sich Darwins Frau Emma ihrem Glauben zu, und Charles der Wissenschaft", sagt Drehbuchautor John Collee.
Die tiefgläubige Ehefrau Emma kann nicht verstehen, dass ihr Mann so ein "gottloses" Werk zu veröffentlichen und damit sein Seelenheil auf’s Spiel zu setzen bereit ist. Darwins Tochter fragt ihn im Film: "Was macht dir so Angst? Es ist doch nur eine Theorie?" Darwin antwortet: "Stell dir vor, die ganze Welt hörte auf zu glauben, Gott habe irgendeinen Plan für uns. Außerdem würde es das Herz Deiner Mutter brechen."
"Sie haben Gott getötet, Sir."
Und so handelt "Creation", der erste Spielfilm, der sich mit dem berühmten Biologen befasst, nicht so sehr von der wissenschaftlichen Arbeit Darwins oder auf von der langjährigen Forschungsreise mit der HMS Beagle, sondern mit den religiösen Konflikten, die sein Werk auslöst. Und das auch innerhalb der eigenen Familie. "Darwin wird verstrickt in einen Kampf zwischen Glauben und Verstand, Liebe und Wahrheit", heißt es in der Film-Ankündigung. "Die Natur ist ein Schlachtfeld", meint Darwin erkannt zu haben. Der Allmächtige ist ab sofort nicht mehr verantwortlich für die vielen Arten, sondern der Zufall. Der Biologe Thomas Huxley sagt im Film zu Darwin: "Sie haben Gott getötet, Sir." Weil er so vehement die Thesen Darwins verteidigte, erhielt Huxley, ein wichtiger Vertreter des Agnostizismus seiner Zeit, den Beinamen "Darwins Bulldogge".
Darwins Frau Emma wird gespielt von der Amerikanerin Jennifer Connelly, die für ihre Rolle in "A beautiful Mind" (2001) einen Oscar für die beste Nebenrolle erhielt. Charles Darwin wird verkörpert vom britischen Schauspieler Paul Bettany, der in dem Film "The Da Vinci Code – Sakrileg" den Albino-Mönch Silas spielte. Auch im echten Leben sind beide Schauspieler verheiratet. Connelly sagt über das Film-Paar: "Diese zwei Menschen lieben sich so sehr. Emma kann einfach nicht verstehen, wie Charles sich einem so großen Risiko aussetzen kann: indem er so etwas schreibt, und sich von ihr, von seinen Kindern und vom Himmel trennt. Er wartete Jahrzehnte mit der Veröffentlichung."
Darwin wird sexy, doch seine Theorie bleibt kontrovers
Regisseur Jon Amiel, der etwa 2003 für den Science Fiction-Film "The Core" und 1997 für "Agent Null Null Nix" die Regie übernahm, sagt über Darwin: "Es gibt viele Menschen, die Darwin dämonisieren. Viele andere halten ihn einfach nur für einen bedeutungslosen alten Furz mit einem langen Bart. Ich weiß, dass ich diese Meinungen ändern kann." Er kündigte einen Darwin an, der nicht mehr viel mit dem bekannten Klischee vom alten Mann mit langem Bart zu tun habe. Darwin sei in seinem Film ungewohnt "sexy". Eine Kritikerin des britischen "Guardian" merkte an: "Indem man ihn Paul Bettany spielen ließ, wird Darwin sehr sexy. Und das ist ein spannender Schritt."
Bisher stehen nur Erscheinungstermine für die Länder Kanada, Griechenland, Holland, Belgien, Australien und Neuseeland fest. Premiere feierte der Film am Donnerstag beim Toronto Film Festival, das noch bis zum 19. September dauert. "Es ist für uns eine Art Tradition, mit einem kanadischen Film zu eröffnen, das stimmt. Aber wir haben es nicht immer so gemacht", erklärte der Mit-Organisator des Festivals Cameron Bailey gegenüber der "Los Angeles Times". "Wir fanden, dass ‚Creation‘ ein Film ist, der in unsere Zeit spricht und dass man die Spannung zwischen Glaube und Verstand in vielen Filmen sehen kann und hier besonders gut heraus kommt, vor allem im Streit zwischen dem Ehemann und seiner Frau, die die Welt ganz anders sieht."
Und Festival-Leiter Piers Handling sagte: "Dieser intime Blick auf Darwin verleiht dem Mann, dessen Theorie bis heute kontrovers ist, ein menschliches Gesicht." Und auch Schauspieler Paul Bettany sagte bei der Premierenfeier auf dem roten Teppich: "Man macht sich immer Sorgen, dass man einen kleinen Film über ein kontroverses Thema macht, der dann kaum gesehen wird." Er sei jedoch stolz, daran beteiligt gewesen zu sein.
Der Film, der von "Recorded Picture" und "BBC Films" produziert wurde, teilt sich in zwei Zeitperioden. Die erste zeigt den jungen Darwin, der mit der Krankheit und schließlich dem frühen Tod seiner Tochter klarzukommen versucht. Die "Gegenwart" im Film zeigt dann den gealterten Darwin, der sich wegen der Folgen seiner Theorie sorgt und der um seine Tochter trauert, die ihm in Visionen erscheint.
Wie die britische Tageszeitung "Telegraph" berichtet, hat sich in den USA noch kein Verleih für "Creation" gefunden, da das Lebenswerk Darwins umstritten ist. Nach einer Gallup-Umfrage vom Februar glauben nur 39 Prozent der Amerikaner an die Theorie der Evolution. Kritiker Darwins verweisen darauf, dass sich auch die Nationalsozialisten auf Darwins natürliche Auslese beriefen, als sie "minderwertiges" Leben töteten und damit die Evolution beschleunigen wollten. Ein möglicher Starttermin für Deutschland steht ebenfalls noch nicht fest. (PRO)