Die Durchschlagkraft von KI-Anwendungen wie „ChatGPT“ hat sich herumgesprochen. Mittlerweile kann man sich mit Software-Systemen der Künstlichen Intelligenz (KI) per Texteingabe fast genauso unterhalten wie mit einem Menschen. Das Start-up hinter „ChatGPT“, „OpenAI“, will nun das Angebot erweitern und ermöglicht es Entwicklern, selbst erstellte KI-Apps für andere nutzbar zu machen. Dazu richtete das Unternehmen eine Plattform ein, den „GPT Store“.
„Ist es der iPhone-Moment der künstlichen Intelligenz?“, fragte das Magazin „Spiegel“ angesichts dieser Meldung. Denn so wie das iPhone erst mit den vielen Tausend Apps seinen Sinn voll erfülle, könne auch „ChatGPT“ so sein größeres Potenzial entfalten. In einigen Monaten will „OpenAI“ auch Geld an die Ersteller verteilen. Der „GPT Store“ ist derzeit nur für zahlende Nutzer von „OpenAI“ verfügbar. Ein Abonnement kostet 20 Dollar im Monat.
Lexikonwissen, aber emotionslos
Selbstredend finden sich schon jetzt Apps im Angebot explizit für den christlichen Kontext. Das Programm „BibleGPT“ etwa verspricht, gemeinsam mit dem Nutzer Bibelstellen analysieren und sogar biblische Bilder entwickeln zu können. Im Test lautet die erste Aufgabe, ein Bild der „Arche Noah“ zu malen, und das Programm löst dies mit Bravour. Ein wunderschönes riesiges Holzschiff erscheint nach wenigen Sekunden auf dem Bildschirm, im Hintergrund ist ein großer Berg zu sehen, darüber ein Regenbogen, und auf dem Schiff und im Wasser stehen viele Tiere in durchaus realistischer Anmutung. Auch ein Bildnis von Jesus erstellt „BibleGPT“ in Sekundenschnelle und nicht ohne eine gewisse Ästhetik.
Dann geht es an die Textarbeit: Ist der Schöpfungsbericht wörtlich gemeint?, lautet die Frage, und „BibleGPT“ referiert zunächst, dass es darum seit langem theologische und wissenschaftliche Diskussionen gebe. Dann fasst es vier der wichtigsten Positionen zusammen. KI-Werkzeuge werden wohl niemals persönlich, auch die „Bibel-GPTs“ können erwartungsgemäß lediglich Lexikonwissen zusammenfassen. Auf Fragen wie „Sollte ich die Bibel lesen?“ antwortet die KI neutral und emotionslos, das hänge „von den persönlichen Interessen, Glaubensfragen und dem Bedürfnis nach spiritueller oder religiöser Erkenntnis“ ab. Ob Evolutionstheorie und biblischer Schöpfungsbericht miteinander vereinbar seien, lautet die Frage, und die KI listet wiederum lediglich konträre Ansichten dazu auf.
Hat Jesus wirklich gelebt? Darüber sei sich „die Mehrheit der modernen Historiker und Gelehrten“ einig, ja, Jesus habe als historische Figur tatsächlich existiert. Wie viele Menschen haben an der Bibel geschrieben? Die genaue Anzahl sei nicht bekannt, aber es werden wohl schätzungsweise etwa 40 gewesen sein. Hatte Jesus eine Frau? Das sei wohl eher unwahrscheinlich, es gebe dazu keine Berichte. Und ob Homosexualität Sünde sei, wird gefragt, die Antwort wiederum besteht in einer Liste mit unterschiedlichen Auffassungen.
Praktisch in der Kirchenarbeit
Eine App mit dem gleichen Namen „BibelGPT“, allerdings von einem anderen Programmierer, spuckt auf Anfrage in Sekundenschnelle ein paar Ideen und Textstellen für eine Predigt zum Thema Krieg aus. Und auch Jesus selbst kann man in einer anderen App befragen. Der Nutzer „puzzle.today“ erschuf ein GPT mit dem schlichten Namen „Jesus“. Dessen Antworten unterscheiden sich hauptsächlich dadurch von denen anderer Systeme, dass sie vor jede Antwort ein salbungsvolles „Mein Kind….“ voranstellt. Auf die Frage, wie man den Ukraine-Krieg beenden könne, erklärt „Jesus“ durchaus biblisch fundiert: „Mein Kind, der Krieg in der Ukraine, wie alle Konflikte, wurzelt in den tiefsten menschlichen Bedingungen: Angst, Gier, Machtstreben und ein Mangel an Verständnis und Mitgefühl für den anderen.“ Ein Ausweg sei nicht nur ein Ende von politischen und territorialen Streitigkeiten, sondern auch das Heilen von „tieferen menschlichen und spirituellen Wunden“.
Aber müsse man denn nicht manchmal Gewalt anwenden? „Mein Kind… In meinem Leben habe ich stets den Weg des Friedens und der Gewaltlosigkeit betont. In der Sanftmut liegt eine große Kraft.“ Gewalt möge „in der Welt“ als eine Lösung erscheinen, doch führe sie oft zu weiterem Leid.
Bei praktischen Fragen können KI-Apps wie „BibelGPT“ oder der „Church Assistant“ durchaus eine Hilfe sein. Wie könnte man zum Beispiel „Virtual Reality“ in der Kirche einsetzen, lautet die Frage, und die sieben Antworten können sich sehen lassen. Unter anderem wird angeboten, biblische Geschichten erlebbar machen, virtuelle Gottesdienste, für Bildung und Lehre, für Meditation und Gebet.
Und auch die Anfrage „Leite mich im Gebet“ beantworten alle KIs mit ernstzunehmenden Gebeten. Auf die Frage, welche Gemeinden beispielsweise in Münster zu empfehlen sind, nennt eine KI fünf Gemeinden – allerdings seltsamerweise nur Freikirchen. Auf die Frage, ob er „freikirchlich“ als Vorauswahl eingestellt sei, antwortet der „Bible Buddy“, er habe „keine eigene religiöse Ausrichtung, Überzeugung oder Präferenz“. Seine Rolle sei es, „Informationen und Einsichten auf der Grundlage der biblischen Texte und Lehren zu liefern, unabhängig von konfessionellen oder kirchlichen Zugehörigkeiten“.
Die KI-Systeme, wie sie ab sofort im „GPT Store“ angeboten werden, unterscheiden sich auf den ersten Blick kaum vom regulären „ChatGPT“, ja, nicht einmal untereinander. Sie alle können Deutsch, sie alle schlagen auf Wunsch einen Predigtentwurf zu einem bestimmten Thema vor, bieten Ideen für Gottesdienste an, erstellen Gebete und machen in Sekundenschnelle Bibelstellen auffindbar.
Übrigens versichern alle Programme, dass niemand den Chat mitlese und dass die Konversation nicht gespeichert werde. Faszinierend ist sicherlich die Fähigkeit aller Systeme, auf Anfrage Bilder zu zeichnen – basierend auf dem Bildgenerierungssystem „Dall-E“. Dabei muss es nicht einmal nur um biblische Themen gehen: Ein Elektroauto zeichnete „BibelGPT“ ebenso anstandslos wie einen Jesus. Gott selbst übrigens wollte keines der KI-Systeme zeichnen. Das sei dann doch für die meisten Glaubensrichtungen etwas respektlos.