Die Namen lesen sich wie ein „Who is who“ der Literaturgeschichte: Alle Schriftsteller, die Matthias Hilbert in seinem Buch „Gottsucher“ porträtiert, haben gemeinsam, dass sie eine erstaunliche Lebenswende zum christlichen Glauben erfahren haben. Auf jeweils maximal 15 Seiten, aber trotzdem tiefgründig hat Hilbert ihre Biografien zusammengetragen. Der pensionierte Lehrer glaubt, dass diese Schriftsteller heute noch etwas zu menschlichen Grundfragen zu sagen haben.
Hilbert möchte seinen Lesern ein lebendiges und differenziertes Bild der Protagonisten vermitteln, aber doch einen besonderen Fokus setzen. Immer wieder erklärt er, wie der Glaube die dichterische Arbeit der jeweiligen Autoren beeinflusst hat. Bei jedem seiner Protagonisten schaut er auch in Werke und bemüht Originalquellen, um seine Thesen zu stützen.
Christus nicht nur bewundern, sondern nachfolgen
Die Bandbreite der beschriebenen Schriftstellerpersönlichkeiten ist groß. Den englischen Literaten Gilbert Keith Chesterton bezeichnet Hilbert als „frommen Querdenker wider den Mainstream“. Der Schöpfer der „Pater Brown“-Figur wandelte sich vom Pantheisten zum Christen. Vor allem der unkomplizierte und authentische Glaube seiner Frau half ihm dabei. Chesterton prangerte den weit verbreiteten Fortschritts- und Wissenschaftsglauben an. Dass das Leben ohne schöpferischen Akt Gottes entstanden sein soll, war für ihn bar jeder Vernunft.
Für Fjodor M. Dostojewski war seine Bekehrung ein neuer Lebensbeginn. Im Elternhaus lernte er die biblischen Geschichten und eine bedingungslose Liebe kennen. Später erlebte er ein Wunder, als ein Todesurteil gegen ihn nicht vollstreckt wurde. Am Ende seines Lebens habe er sich zu Gott bekennen können, weil „mein Hosianna durch das große Fegefeuer der Zweifel hindurchgegangen“ ist.
Für den britischen Dramatiker und Drehbuchautor Graham Greene hatte die eigene Bekehrung dagegen keine existenzielle Folgen. Der Autor brach, seiner Frau zuliebe, mit seinem „atheistischen Wirklichkeitsverständnis“ und entschied sich für den katholischen Glauben. Hilbert beschreibt, dass er zwar in der Folge religiöse Essays verfasst, aber doch nur „einen Fuß in die Tür gestellt“ hatte.
Anders sah dies bei Sören Kierkegaard aus. Er versuchte sich dem dominierenden Einfluss seines eigenen Vaters zunächst zu entziehen. Doch Gott blieb für ihn präsent und er entschied sich, „den Glauben ganz neu zu wagen“. Die Menschen sollten nicht nur Christus bewundern, sondern ihm nachfolgen – diese Position vertrat er auch als Außenseiter gegenüber der dänischen Staatskirche.
Bei Gott die volle Erfüllung gefunden
Im englischsprachigen Raum galt C.S. Lewis als einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Der Anwaltssohn entkam im Ersten Weltkrieg nur knapp dem Tod. Zunächst pflegte er eine Spiritualität, die ihn „nichts kostete“. Ein Studienkollege erklärte ihm den christlichen Glauben. Irgendwann „kapitulierte er vor Gott, weil er bei ihm volle Erfüllung findet“, schreibt Hilbert. Eine schwere Depression ließ Lewis noch einmal an seinen Erkenntnissen zweifeln – aber er blieb dem christlichen Glauben treu.
Der russische Autor Alexander Solschenizyn musste in der Lagerhaft die ganzen Tücken des kommunistischen Systems ertragen. Dort begegnete er aber dem glühenden Christen Dimitri Panin, löste sich vom Marxismus und fand sein Heil im Glauben. Nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Mensch kämpfte er fortan gegen die Zensur. Er forderte seine Mitmenschen auf, sich nicht mit der Lüge gemein zu machen. Dass es eine allumfassende, höhere Macht gebe, lehre Demut.
Dass der Glaube an Jesus Christus Erlösung bringt, begriff auch Leo Tolstoi erst spät. Er bekehrte sich aber außerhalb der Kirche und wurde exkommuniziert. Der frühere Nihilist suchte ein sinnerfülltes Leben und einen Gottesglauben, der nicht im Widerspruch zur Vernunft stand.
Carl Zuckmayer kam im Laufe seines Lebens zu der Erkenntnis, dass Gott nicht tot ist. Die Basis dafür wurde bei dem deutschen Dramatiker des 20. Jahrhunderts schon in der Kindheit gelegt. Hilbert spricht bei ihm von einem „prozessualen Bekehrungsverlauf“. Vor allem in der Korrespondenz mit dem Theologen Karl Barth macht Zuckmayer deutlich, dass er nicht zu denjenigen gehört, „für die Gott tot ist“.
Auch viele jüdische Konvertiten
Im zweiten Teil des Buches geht es um konvertierte jüdische Dichter. Alfred Döblin etwa bekannte sich an seinem 65. Geburtstag vor vielen Gästen als gläubiger Christ. Die religiösen Fragen hatten ihn permanent umgetrieben. Hinter verschiedenen Ereignissen seines Lebens könne nur Gott stehen, wurde ihm klar. 1941 ließ er sich mit seiner Frau und Sohn Stefan katholisch taufen. Er vertrat seinen Glauben unerschrocken, auch gegen Hohn der Öffentlichkeit.
Heinrich Heine kam aus einem religiös liberalen Elternhaus. Der Dichter ließ sich taufen, obwohl er noch ein indifferentes Bild vom christlichen Glauben hatte. Ein konkretes Bekehrungserlebnis habe er nicht gehabt, schreibt Hilbert. Aber auch Heine musste erleben, dass Freunde und Bekannte entsetzt und intolerant auf seinen Schritt reagierten. Die „Wiedererweckung seines religiösen Gefühls“ hatte er der Schilderung zufolge der Bibel zu verdanken.
Der jüdische Autor Karl Jakob Hirsch beschrieb seine Bekehrung als „Heimkehr zu Gott“. Er wuchs mit einer Vielzahl „formaler Vorschriften und Gebote“ auf. Mit der Machtergreifung der Nazis wurde ihm bewusst, dass er als Jude in Deutschland keine Zukunft hat, da seine Existenz gefährdet war. Er ging ins Exil, zunächst nach Dänemark, dann in die Schweiz und 1936 in die Vereinigten Staaten. In einer gesundheitlich angespannten Lage las er die Bibel und besuchte eine presbyterianische Gemeinde. Mit der Taufe wollte er öffentlich über seine Konversion Rechenschaft ablegen.
Der Österreicher Franz Werfel bezeichnete sich selbst als „christusgläubiger Jude“. Der jüdische Glaube als Kind spiegelte sich eher in äußeren Formen und Riten wider. Er war innerlich zerrissen, näherte sich aber schon Jahre zuvor dem Christentum an. Werfel sah als größte gesellschaftliche Bedrohung die Gottesleugnung und die mit ihr einhergehende Gottlosigkeit.
Insgesamt ist es Hilbert gelungen, kurzweilig und mit Bezug zur jeweiligen Zeit und den Werken des Autors ein abwechslungsreiches Büchlein zu schreiben. Um nicht zu sehr zwischen den Zeiten springen zu müssen, lohnt sich eine Lektüre Autor für Autor. Auch die entsprechenden Literaturtipps zu den Lebensbildern sind hilfreich. Für das 3. Quartal 2021 hat der pensionierte Lehrer Matthias Hilbert bereits einen Nachfolgeband mit 14 weiteren Dichterporträts geplant. Dann soll der Titel lauten: „Gottfinder“.