Meistens ist er geflochten aus Tannenzweigen, darauf stecken vier Kerzen, von denen im Laufe der Adventszeit jeden Sonntag eine weitere angezündet wird; am letzten Sonntag vor Heiligabend brennen dann alle vier Kerzen. Dieser Brauch hat sich inzwischen auf der ganzen Welt verbreitet. Laut einer Umfrage gehört ein Adventskranz für rund 80 Prozent der Deutschen zur Vorweihnachtszeit. Der Adventskranz kommt aus Deutschland: Er geht zurück auf den evangelisch-lutherischen Theologen und Erzieher Johann Hinrich Wichern (1808-1881) aus Hamburg.
Wichern war Mitbegründer der Inneren Mission und Begründer der Evangelischen Diakonie. Im Jahr 1833 gründete er in Hamburg-Horn das „Rauhe Haus“, eine Wohnstätte für Kinder in prekärer sozialer Stellung. Wichern zog mit seiner Mutter und den ersten zwölf Jungen in das kleine Bauernhaus, das für diesen Zweck gestiftet worden war. Wicherns christliches soziales Engagement war ein wichtiger Teil der Erweckungsbewegung, deren Ursprünge im Pietismus liegen. Die Einrichtung wuchs schnell und erhielt weitere Gebäude mit mehreren Kindergruppen. Ab 1835 wurden auch Mädchen im „Rauhen Haus“ aufgenommen, die Mädchenfamilie, die in eine einer eigenen Kate – einem einfachen Wohnhaus – wohnte, leitete Wicherns Schwester Theresa. Noch heute existiert das „Rauhe Haus“ und gehört zum Verbund der Diakonie.
Ursprünglich 24 Kerzen
Der Theologe Wichern suchte nach einer Möglichkeit, den armen „Straßenkindern“ die Zeit bis Weihnachten zu verkürzen. Dafür installierte er 1839 ein Wagenrad mit Kerzen darauf an der Decke des Betsaals des „Rauhen Haus“. Für jeden Tag bis zum 24. Dezember befestigte er eine Kerze, es waren also insgesamt 24 Kerzen. Die meisten davon waren rote kleine Kerzen, nur die vier großen weißen Kerzen standen jeweils für die Sonntage bis Weihnachten. Ein Nebeneffekt sollte sein, dass die Kinder damit das Zählen lernten.
Der Brauch verbreitete sich, im Laufe der Zeit reduzierten viele jedoch die Kerzen auf vier. Historiker vermuten, dass ab etwa 1851 der Holzreif erstmals mit grünen Tannenreisig geschmückt wurde, seit etwa 1860 wurde der Adventskranz ausschließlich aus Tannengrün gefertigt.
Knapp einhundert Jahre später war der Adventskranz auch in katholischen Gegenden üblich. Der erste Adventskranz in einer katholischen Kirche ist vermutlich 1925 in Köln aufgehängt worden. Mittlerweile ist der Brauch des Adventskranzes über den deutschsprachigen Kulturraum hinaus in Ländern auf der ganzen Welt verbreitet. Im „Rauhen Haus“ selbst wird traditionell immer noch der „Wichern-Kranz“ mit 24 Kerzen aufgehängt.
Ähnlichkeiten zum Chanukka-Fest
Wie der NDR berichtet, verweisen Brauchtum-Forscher bei der Geschichte des Adventskranzes auch auf einen nicht-christlichen Vorläufer: Im frühen Mittelalter gab es ein ungeschriebenes Gesetz, nach dem Mägde und Knechte in strenger Winterkälte nicht im Freien arbeiten mussten; zum Zeichen dafür verstaute man den Wagen, mit dem man sonst auf das Feld fuhr, in der Scheune, schraubte eines der Räder ab und hängte es in den Dachfirst oder im Hausinneren über den Kamin. Weil man im Rad aber auch ein Sonnensymbol sah, schmückte man es mit immergrünen Zweigen – zum Zeichen der Hoffnung auf die Wiederkehr der Sonne im Frühjahr.
Auch das jüdische Chanukka-Fest zeigt Ähnlichkeiten: Juden zünden an einem Leuchter acht Tage lang jeden Abend ein Licht mehr an. Der Chanukkaleuchter, die Chanukkia, hat neun Arme. Die neunte Kerze ist der „Schamasch“ (Diener), mit dessen Hilfe die anderen Lichter entzündet werden. Chanukka erinnert an die Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem im Jahr 164 vor Christus: Der Überlieferung zufolge war aufgrund der Kämpfe mit den Seleukiden nur noch ein Krug geweihtes Öl vorzufinden. Dieses Öl reichte nur für einen Tag. Für die Herstellung neuen geweihten Öls wurden acht Tage benötigt. Durch ein Wunder habe das Licht jedoch acht Tage gebrannt, bis neues geweihtes Öl hergestellt worden war.
Fakenews zum Adventskranz
Anfang Dezember veröffentlichte der Tiroler Heimatforscher Martin Reiter eine These, nach der der Adventskranz viel älter sein müsse als bisher angenommen. Unter anderem in der österreichischen „Bauernzeitung“ schrieb Reiter, der Dichter Matthias Claudius (1740–1815) habe bereits in seinem Gedicht „Lied im Advent“ einen Adventskranz beschrieben. „Bisher wurde die Einführung des Adventskranzes Johann Hinrich Wichern zugeschrieben“, heißt es in dem Artikel. Reiter aber sagt: „Nachdem der bekannte Dichter bereits 1815 verstarb, muss es damals den Adventskranz, den wir kennen, schon länger gegeben haben, denn das Gedicht, das wohl um 1800 entstanden ist, beschreibt den Adventskranz bereits so wie wir ihn kennen.“ Im Gedicht heißt es in der Tat: „Immer ein Lichtlein mehr / im Kranz, den wir gewunden, / dass er leuchte uns sehr / durch die dunklen Stunden. Zwei und drei und dann vier!“
Dem widersprach nun der Religionslehrer Gerd Katthage. Das besagte Gedicht stamme nämlich gar nicht von Matthias Claudius, betonte Katthage gegenüber „Kathpress“. Diese Verwechslung trete allerdings häufig auf. Das Gedicht stamme vielmehr von Matthias Claudius‘ Urenkel Hermann Claudius (1878–1980). Das Gedicht mit dem Titel „Lied im Advent“ erschien demnach erstmals im „Badener Tageblatt“ am 4. Dezember 1948. In gebundener Form wurde es erstmals 1998 im Hermann Claudius-Gedichtband „Ihr habt mein Lied gesungen“ mit Nachlassgedichten veröffentlicht.