Es gibt in der Verlagsbranche zwei besondere Spezies, die führend tätig sind: Die einen sind Geschäftsführer eines Verlages und somit organisatorische Leiter. Sie kommen stark vom Management her. Die anderen sind mit Leib und Seele Verleger. Sie kommen vom Inhalt her und vergessen dabei gerne schon mal die Wirtschaftlichkeit, wenn es darum geht, wichtige Inhalte zu verbreiten.
„Der lange Hans“, wie er in der Branche hinter vorgehaltener Hand genannt wurde, gehörte eindeutig zur zweiten Gattung. Ein Verleger mit viel Herzblut für Inhalte: Hans Steinacker. Wer sich mit ihm über Literatur unterhielt, der merkte bald: Das ist ein Profi.
Hans Steinacker war Verleger des Aussaat Verlages und des Brendow Verlages, wo er mein Vorgänger war. Als ich 1994 für sieben Jahre seine Nachfolge antrat, übergab er mir ein gut geführtes Haus.
Literarische Zeitansagen
Was macht einen guten Verleger aus? Eine Mischung aus Bauchgefühl und Instinkt, gepaart mit dem Quentchen Glück, das irgendwann belohnt wird. Hans Steinacker war immer ein sehr angenehmer, vornehmer und sehr freundlicher Gesprächspartner. Ein Verleger, der extreme Richtungen miteinander verband, ohne die eigene Mitte zu verlieren.
So konnte er Theologie von Paul Schütz, Werke des jüdischen Soziologen Eugen Rosenstock-Huessy ebenso ins Programm nehmen, wie links-evangelikale Bücher von Ronald Sider („Der Weg durchs Nadelöhr“) und des amerikanischen Präsidentenberaters Jim Wallis („Bekehrung zum Leben“).
Es ist Hans Steinacker zu verdanken, dass er die „Chroniken von Narnia“ von C.S. Lewis dem christlichen Markt in Deutschland zugänglich gemacht hat. Ebenso wie die Frischluft-Literatur des englischen Humoristen Adrian Plass. Er war der einzige Verleger in Deutschland, der sich traute, die frechen „Tagebücher eines frommen Chaoten“ von Plass auf Deutsch herauszubringen. Nachdem diese dann zu einem unglaublichen Erfolg auf dem christlichen Buchmarkt wurden, gab es viele Neider.
Der Literat Steinacker konnte sich stundenlang über gute christliche Literatur unterhalten: Dostojewski, Tolstoi, Chesterton, Sayers, Tolkien, Lewis. Ich erinnere mich an einen Besuch in Oxford, wo er mir die Wirkungsstätten von C.S. Lewis zeigte. Natürlich gehörte auch ein Kneipenbesuch im „Eagle and Child“-Pub dazu, wo wir in der „Inklings“-Ecke von Tolkien und Lewis fachsimpelten.
Publizist mit Herz und Verstand
Doch nicht nur Literatur beschäftigte den gelernten Kaufmann, sondern auch ehrenamtliches Engagement. Zum Beispiel bei den Fackelträgern, beim CVJM oder von 1984 bis 2007 als Vorsitzender der Ernst-Meyer-Maack Stiftung zur Förderung des Westfälischen Freilichtmuseums technischer Kunstdenkmale in Hagen.
Wer belesen ist, greift auch irgendwann selbst zu Stift und Papier. Nach seiner Zeit beim Brendow Verlag wurde der 1932 in Gronau geborene und seit 1964 im Ruhrgebiet lebende Verleger zum Publizisten. Seine Artikel und Bücher hatten ein Ziel: Gott im Leben von Menschen sichtbar machen. „Bücher bringen Botschaft“, war seine Überzeugung. Er begab sich immer wieder neu auf die Spurensuche und wusste gleichzeitig, dass sie immer bei Gott ankommen würde.
Treffend, manchmal spitz, meistens mit einem verschmitzten Humor schrieb er auch mehrere Jahre eine regelmäßige Kolumne für das Christliche Medienmagazin PRO.
Am 15. August ist er im Alter von 89 Jahren verstorben. Die christliche Buchbranche hat einen herausragenden Protagonisten verloren. R.I.P. Hans, wir sehen uns wieder.
Steve Volke ist freier Journalist und im Hauptberuf Leiter von Compassion Deutschland. 1994 trat er die Nachfolge von Hans Steinacker als Verleger im Brendow Verlag an.
Eine Antwort
Danke, Steve, Hans Steinacker war ein ganz besonderer Mensch – ein echter Buchliebhaber und jemand, der sich auch zugleich Gedanken über unsere christliche Szene machte und hier oder da mal gegen den Stachel allzugroßer Enge löckte … Mit ihm stirbt ein Stück Urgestein unserer Gemeindelandschaft, starker Typ!