Debatte um Klöckner-Äußerung: Wie politisch soll Kirche sein?

Die Kirche würde sich eher wie eine NGO positionieren, anstatt sich auf ihre eigentliche Aufgabe zu konzentrieren, die Verkündigung des Evangeliums, sagte Bundestagspräsidentin Klöckner. Dafür erntet sie auch aus den eigenen Reihen massive Kritik.
Von Swanhild Brenneke
1. Sitzung des 21. Deutschen Bundestages - konstituierende Sitzung: Hier Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (m), CDU/CSU, MdB, während ihrer Rede im Rahmen des TOP 4 "Amtsübernahme durch die Präsidentin/den Präsidenten".

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CSU) hatte in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung kritisiert, dass es nicht die wichtigste Aufgabe der Kirche sei, sich zur Tagespolitik zu äußern. Wörtlich sagte Klöckner: „Wenn Kirche manchmal zu beliebig wird oder zu tagesaktuellen Themen Stellungnahmen abgibt wie eine NGO und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick hat, dann wird sie leider auch austauschbar.“

Weiter erklärte sie: „Ich meine: Klar kann sich Kirche auch zu Tempo 130 äußern, aber dafür zahle ich jetzt nicht unbedingt Kirchensteuer. Gut, es ist ein freies Land, da kann man alles sicherlich tun und machen. Aber ich glaube, von Kirche erwartet man sich diese sinnhafte Begleitung, diese Antwort auf Fragen, die ich in meinem Alltag habe, vielleicht auch Trost und Stabilität.“

Für diese Äußerungen erntete Klöckner nun viel Kritik von ihren Politik-Kollegen. So schrieb Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann zum Beispiel auf X: „Warum sollten die Kirchen sich nicht äußern zu Ungerechtigkeiten in der Welt, zu Humanität und Menschlichkeit, zum sozialen Zusammenhalt und zur Nächstenliebe, Julia Klöckner?“

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schrieb ebenfalls auf X, es sei wichtig, dass sich die Kirchen politisch äußerten. Das Christentum sei ursprünglich auch die „Stimme der Armen und Rechtelosen“ und der Frauen gewesen. „Ihnen solle kein Maulkorb empfohlen werden.“

Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Katharina Beck, twitterte, in ihren Augen gehe es Julia Klöckner darum, dass keine Kritik an der CDU/CSU und deren Umgang mit der AfD geäußerten werden solle.

Der „Spiegel“ zitiert in einem Beitrag zur Debatte den CDU-Bundestagsabgeordneten Christoph Ploß. „Eine Kirche sollte keine SPD 2.0, Grüne 2.0 oder CDU 2.0 sein“, sagte er. Sie müsse natürlich nicht immer das sagen, „was uns Christdemokraten gefällt“. Viele Kirchenvertreter gäben sich derzeit aber oft wie „linksgrüne Parteipolitiker“, kritisierte Ploß.

Anders sieht es der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner. „Von meiner Bundestagspräsidentin würde ich mir wünschen, dass sie sich freut, wenn die Kirchen sich einmischen – und keine obrigkeitsstaatliche Zurückweisung betreibt“, sagte er im „Spiegel“.

Auch die SPD-Sozialsenatorin in Berlin, Cansel Kiziltepe, verteidigte die Kirchen. Klöckner „verkenne völlig“, wie sehr das soziale und gesellschaftliche Leben vom kirchlichen Engagement lebe, besonders in Berlin. „Wer Armut bekämpft, Geflüchtete integriert, Pflege leistet und sich für sozialen Zusammenhalt einsetzt, handelt nicht parteipolitisch, sondern verantwortungsvoll“, sagte sie. In Zeiten, wo rechte Kräfte die Gesellschaft zu spalten versuchten, brauche es starke Stimmen für den Zusammenhalt.

Und EU-Grünenpolitiker Erik Marquardt sagte: „Besonders als Bundestagspräsidentin sollte man Kritik am politischen Umgang mit den Schwächsten ernst nehmen und nicht wegwünschen.“ Klöckner sollte sich „ab und zu mit christlichen Werten und ihrer politischen Umsetzung“ befassen.

Auch aus den eigenen Reihen erntete Klöckner Kritik. Im Interview mit der „taz“ sagte der EU-Abgeordnete Dennis Radtke (CDU), er finde es „maximal irritierend, dass wir meinen, wir hätten das Recht, die Kirchen zurechtzuweisen und in ihrer Kommunikation auf ihre vermeintlichen Kernaufgaben zurückzudrängen.“ Die Kernaufgabe der Kirche sei die Verkündigung des Evangeliums und die Lehre von Jesus Christus. Wenn die Kirche meine, das kollidiere mit der Politik, habe sie natürlich das Recht und auch die Pflicht, sich zu Wort zu melden.

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