Mit dem Islamkritiker Hamed Abdel-Samad treffen wir einen Intellektuellen, der mehr Leibwächter braucht als manch ein Ministerpräsident. Über eine Begegnung, die nachdenklich stimmt und traurig macht. Ein Kommentar von Moritz Breckner
Von PRO
Foto: pro/Breckner
Der Schriftsteller Hamed Abdel-Samad wird bedroht, weil er die Lehren des Islam kritisiert
Wir treffen Hamed Abdel-Samad auf der Frankfurter Buchmesse am Stand seines Verlags Droemer-Knaur. An kleinen Tischen verhandeln Verlagsmitarbeiter mit Buchhändlern, in den Gängen drängeln sich die Fachbesucher, an einer Bar wird Espresso ausgeschenkt. Abdel-Samad signiert Ausgaben seines neuen Buches „Mohamed – Eine Abrechnung“ an einem Stehtisch. Er ist umringt von fünf Personenschützern des Staatsschutzes im Berliner LKA, bestimmt zehn weitere stehen im größeren Umkreis, beobachten alle, die ein potenzielles Risiko für den deutsch-ägyptischen Politologen und Islamkritiker darstellen könnten.
Unser Interview findet in einer Kabine des Messestandes statt, nicht viel größer als ein Kleiderschrank. Während wir unsere Kamera aufbauen, legt Abdel-Samad das Jackett ab, um sich einer Schutzweste zu entledigen. Ein Sicherheitsbeamter bleibt während des ganzen Gesprächs im Raum, er hat den berühmten „Knopf im Ohr“ und spricht über Funk mit drei Kollegen, die vor unserer Tür stehen.
Warum nehmen Linke den Islam in Schutz?
Spätestens seit der Veröffentlichung seiner kritischen Mohamed-Biografie besteht für Abdel-Samad größte Gefahr. Islamisten trachten ihm nach dem Leben, haben immer wieder Drohungen ausgesprochen, die von den Behörden ernstgenommen werden. „Es ist ein Skandal, dass ein Schriftsteller im Europa des 21. Jahrhunderts so viele Personenschützer braucht“, sagt er.
Dass der 42-jährige Intellektuelle nicht nur Islamisten, sondern ausgerechnet viele Wortführer der politischen Linken gegen sich hat, versteht er selber nicht. Vorauseilender Gehorsam, Kulturrelativismus und Feigheit nennt er als mögliche Gründe dafür, dass Linke Muslime oftmals gegen berechtigte Kritik in Schutz nehmen, etwa dann, wenn es um Frauenrechte geht. Von rechten Islamgegnern will er sich nicht vereinnahmen lassen: „Ich trenne deutlich zwischen der Ideologie des Islam und Menschen“, sagt er. „Muslime sind vielfältig, ich plädiere dafür, dass Muslime nicht unter Generalverdacht gestellt werden.“
Hamed Abdel-Samad hat nichts falsch gemacht. Er ist kein Scharfmacher, kein Brandstifter, kein Pegida-Demonstrant. Er ist ein eloquenter Gelehrter, der mit wachen Augen und freundlicher Ausstrahlung seine Meinung kundtut. Wegen des Gewaltpotenzials derjenigen, denen das nicht passt, hat Abdel-Samad keinen festen Wohnsitz mehr, muss mit Schutzweste und Panzerwagen von Hotel zu Hotel reisen. In Deutschland im Jahr 2015. Davon zu hören, ist eine Sache, es mit eigenen Augen zu sehen, eine andere: Die Sorge, die eine solche Bedrohungslage mit sich bringt, ist dem Schriftsteller anzusehen. Deswegen stimmt die Begegnung mit Hamed Abdel-Samad nachdenklich und macht traurig.
Wie konnte es so gefährlich werden, in Deutschland den Islam zu kritisieren? Abdel-Samad sagt, die Gesellschaft habe es akzeptiert, eingeschüchtert zu werden. Viel früher hätte man klarstellen müssen, dass Kritik und Satire vor keinem haltmachen muss, auch vor keinem Propheten.
Das hat Deutschland versäumt. Das macht noch nachdenklicher, noch trauriger. (pro)
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