Das Recht des Kindes auf Religion

Es bleibt die beständige Aufgabe des 21. Jahrhunderts eines jeden, für das Recht des Kindes auf Religion einzutreten. Diese These vertritt der Theologe Friedrich Schweitzer in seinem neuen Buch, das sich mit der Vermittlung religiöser Inhalte an Kinder beschäftigt.
Von PRO

Aktuell gebe es eine wachsende Unsicherheit in der religiösen Erziehung. In vielen Elternhäusern finde auch gar keine religiöse Erziehung mehr statt. Schweitzer nennt in seinem Buch "Das Recht des Kindes auf Religion", das in erster Linie für Eltern und Erzieher gedacht ist, Perspektiven, inwiefern Kinder von religiöser Erziehung profitieren können. Diese unterstütze die kindliche Vertrauensbildung, fördere Widerstandskraft in schwierigen Situationen, ermögliche Sinn-Erfahrung und fördere die Wertebildung. Darüber hinaus eröffne religiöse Erziehung Zugänge zu einer bereichernden Sprache und Bilderwelt, ermögliche Gemeinschaft und verhelfe Kindern zur Ich-Stärke, weil sie sich im Glauben bedingungslos anerkannt fühlten.

Spannung zwischen Glaube und Wissen

Schweitzer verschweigt nicht, dass Religion in der kindlichen Erziehung auch schon viel Schaden angerichtet hat, etwa wenn moralische Vorschriften Schuldgefühle erzeugten. Dazu lässt er auch Betroffene zu Wort kommen. Wertvoll findet er die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften: Sie eröffne den Zugang zu einer anderen Sicht der Welt und befähige zum Umgang mit der Spannung zwischen Glaube und Wissen.

Eltern und Erzieher sollten Kinder bei ihren Fragen kritisch begleiten, aber auch religiöse Unterschiede verdeutlichen. In den Befragungen des Deutschen Jugend-Institutes spiele der Aspekt Religion selten eine Rolle, trotzdem gehöre sie genauso zum Kindsein dazu wie Fragen nach dem eigenen Ich, nach Schutz und Geborgenheit oder dem ethischen Verhalten.

Religiöse Erziehung und die "Gottesvergiftung"

Falsch sei es, das Recht des Kindes auf Religion mit dem Schutz vor einer verfehlten Religion zu verwechseln. Lange Zeit habe die Vorstellung existiert, dass eine unfreie religiöse Erziehung zur „Gottesvergiftung“ führen könne. „Es ist nicht einzusehen, warum biblische Geschichten sich nicht dazu eigenen sollten, dem Kind bei seiner Ausformung von Bildern des Selbst und der Welt zu Hilfe zu kommen“, schreibt Schweitzer. Immerhin handle es sich um Hoffnungsgeschichten. Bedenklich findet es der Theologe Schweitzer, wenn keine oder mangelhafte religiöse Erziehung stattfindet. Religion vermittle Werte, gebe ein Sinnangebot, unterstütze die Fantasie und Kreativität in der Persönlichkeitsentwicklung und diene als Grundlage interreligiöser Dialogfähigkeit.

Kirchen sind verpflichtet zur religiösen Begleitung

Für Kirchen erwachse daraus die Pflicht, eine kindgemäße religiöse Begleitung zu gewährleisten. Manche Eltern wollten bestimmte negative Erfahrungen der eigenen religiösen Sozialisation ungern an die nächste Generation weitergeben. Der Autor wünscht sich, dass „Freiheit die übergreifende Norm ist, an der sich Eltern ausrichten“. Dies könne auch bedeuten, dass die selbständig gewordene jüngere Generation sich anders entscheiden kann, als die ältere Generation es sich wünscht.

Der Autor wirbt dafür, auf die Fragen der Kinder zu achten und auch einen Kirchen- und Museumsbesuch als Chance für religiöse Erziehung zu nutzen. Zudem könnten biblische Geschichten die Kinder zu theologischen Fragen anregen. „Pädagogisch verantwortlich ist, dass wir erst unser eigenes Verhältnis zu den jeweiligen Themen klären“, meint Schweitzer. So sollten etwa Gebete mit Kindern kindgerecht und echt sein. Das Recht des Kindes auf Religion solle kein Recht gegen die Erwachsenen, sondern eine große Chance für die Erwachsenen sein, die davon profitieren, wenn sie die Kinder in religiöser Hinsicht begleiten. Kinderrechtserklärungen sollten in der Zukunft das Recht des Kindes auf Religion deutlicher heraus stellen. Der Staat könne dafür sorgen, dass in den Einrichtungen für Kinder auch ein religiöser Erziehungs- und Bildungsauftrag ernstgenommen wird. Solange das Recht auf religiöse Bildung nicht auch schon vor der Schulzeit  garantiert ist, sei die Situation unbefriedigend.

Mit seiner erweiterten und durchweg überarbeiteten Neuausgabe hat Schweitzer ein klar strukturiertes und gut lesbares Buch vorgelegt, indem man dem Theologen anmerkt, das theologische Bildung eine Herzensangelegenheit ist. Schweitzer ist Professor für Praktische Theologie und Religionspädagogik an der Universität Tübingen und beschäftigt sich mit Fragen der religiösen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. (pro)

Friedrich Schweitzer, Das Recht des Kindes auf Religion, 224 Seiten, Gütersloher Verlagshaus, 17,99 Euro, ISBN 978-3-579-08500-5.

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