„Hättest du geschwiegen, wärst du ein Philosoph geblieben.“ Dieser Ausspruch wird dem römischen Gelehrten Boethius zugeschrieben. Wer Donnerstagabend ProSieben einschaltet, rechnet natürlich nicht mit philosophischen Weisheiten. Trotzdem wäre es besser gewesen, wenn die Protagonisten der neuen Sendung „Das große Promi-Büßen“ manchmal geschwiegen hätten.
Für den unbedarften Fernsehzuschauer ist es gut, dass zu Beginn der Sendung die elf „Stars und Sternchen“ des Formats noch einmal vorgestellt werden. Es handelt sich dabei wohl um die üblichen Verdächtigen solcher Formate. Ich kenne keinen davon. Um teilnehmen zu können, braucht es ja genügend Altlasten und Verfehlungen aus anderen Sendungen, die thematisiert werden können.
Olivia Jones läutert die Kandidaten
Mit dabei sind unter anderem Elena Miras, Carina Spack, Calvin Kleinen, Ennesto Monté, Gisele Oppermann und Helena Fürst. Ich lerne, dass die Influencerin Tessa Hövel bekannt wurde, weil sie mitten im Lockdown ausufernde Geburtstagspartys gefeiert hat. Auch andere „Reality-Stars“, wie der Sender sie nennt, haben rückblickend jede erdenkliche Chance genutzt, um sich zu empören und ihre Follower in den Sozialen Netzwerken zu befriedigen.
Ein Hubschrauber fliegt sie in der ersten Staffel in das Camp. Dort müssen sie allem Luxus entsagen. Die Duschen und Latrinen sind auf dem kahlen Hof. Geschlafen wird auf Feldbetten. Das Essen ist streng rationiert. Viele Protagonisten betonen, dass sie sich von einer anderen Seite zeigen möchten und ihr Verhalten geändert haben. Die Sendung zeigt das Gegenteil. Aber was soll schon passieren, wenn man den ganzen Tag in einer solchen Konstellation wenig bis nichts zu tun hat.
Um die Läuterung kümmert sich die Dragqueen Olivia Jones. Sie ist aus Sicht des Senders deswegen so gut geeignet, weil sie selbst viel Ausgrenzung und Diskriminierung erlebt hat. In der ersten Folge muss Matthias Mangiapane auf die „Couch“. Sie konfrontiert ihn mit seinen Auftritten in anderen TV-Formaten wie „Promis unter Palmen“ oder „Dschungelcamp“.
In den Videosequenzen sind Beschimpfungen zu sehen. Damit konfrontiert bereut der Büßer nicht, was er gemacht hat, sondern das Wie. „Hobbypsychologin“ Jones sieht darin Gewaltfantasien, in denen er seine damaligen Kontrahentinnen „entmenschlicht“. Der Gescholtene ist erschrocken über dieses „hasserfüllte Bild“, das er dort vermittelt. Als er Besserung gelobt, wird er mit seinem Fehlverhalten im Camp konfrontiert. Als Strafe muss er in der kommenden Zeit die Latrine entleeren.
Sippenhaft für die anderen
Jones nimmt auch die anderen Bewohner in Sippenhaft, weil Mangiapanes Lästereien bei ihnen auf offene Ohren stoßen. Ob die Entschuldigung des Büßers glaubwürdig ist, möge jeder Zuschauer selbst entscheiden. Die erste Folge ist jedenfalls überschaubar spannend. Helena Fürst schnarcht und isst ihrer Mitbewohnerin deren Banane weg. Die Konfrontationen und Lästereien bei diesen Formaten bewegen sich im üblichen Rahmen.
Auch die Spiele – neudeutsch: Challenge – sind nicht besonders kreativ. Bei ihnen entscheidet sich, wer das Camp verlassen muss. Ob sich ProSieben mit dem Thema Sünde und Buße ein religiöses Publikum erschließen will, scheint auch nicht wirklich schlüssig und greifbar. In den kommenden Wochen werden dann die übrigen Kandidaten mit ihren Schandtaten konfrontiert.
Der Sieger wird am Ende mit 50.000 Euro nach Hause gehen. Ob er auch geläutert ist, wage ich zu bezweifeln. Ich stelle die kühne These auf, dass er bald schon im nächsten Format zu sehen sein wird. Titel: „Diesen Promis ist die Buße nicht gelungen“. ProSieben hat schon viele Formate produziert, um das Jetzige möglich zu machen. Von daher dient auch das neue Format der Selbsterhaltung solcher Shows und der Marketing-Maschine der Sendergruppe.
Die Protagonisten bekommen eine Bühne, um sich selbst darzustellen. Ob das positiv oder negativ ist, ist ihnen vollkommen egal. Wenige Lichtblicke gab es dann doch. Gewalt sowie rassistische, sexistische oder homophobe Äußerungen sind in der Sendung nicht erlaubt und werden sanktioniert. Auch persönlich möchte ich meine eine oder andere persönlich Lästerei kritisch hinterfragen. Außerdem bin ich froh, dass wir als Christen einen gnädigen Gott haben, dem ich meine Verfehlungen immer offen sagen darf. Nächsten Donnerstag schaue ich aber ein anderes Programm. Es ist ja Frauen-Fußball-EM.