Der Missbrauch an 330.000 Kindern in Frankreich durch die Katholische Kirche sei ein „Massenverbrechen, das nicht wieder gut zu machen ist“, sagte der Opfervertreter François Devaux im Interview mit der Tageszeitung Die Welt. Er gründete den Opferverein La Parole Liberée mit, dessen Arbeit dazu führte, dass die Missbrauchsfälle aufgedeckt wurden. Devaux sei selbst als Kind von einem Geistlichen missbraucht worden.
Die Art, wie die Kirchenvertreter mit dem Skandal umgingen, zeige ihm außerdem, dass sie „die Bodenhaftung verloren“ hätten, sagte er im Interview. Der Erzbischof von Lyon habe zu ihm gesagt, er sei froh, dass die Taten verjährt seien. „Manchmal frage ich mich, ob ein Leben ohne Frauen nicht dazu führt, dass sie eine Art Empfindungslosigkeit entwickeln“, sagte Devaux. Vielen der Kirchenmännern mangele es an Sensibilität.
Devaux fordert radikalste Veränderungen in der Katholischen Kirche. „Die Kirche muss fast alles umwerfen, worauf sie aufbaut“, sagte er. Über das Zölibat hinaus müssten auch „der Männerkult, der Mangel an Weiblichkeit, die Abschottung von der Außenwelt, die Führungsstrukturen und das kanonische Recht“ abgeschafft werden. Die gesamte katholische Glaubensgemeinschaft sei gefragt, weil der Missbrauch ein weltweites Phänomen sei. „Es muss eine Art Revolution geben“, sagte Devaux im Welt-Interview. Er erinnerte daran, dass „auch die Kirche eine Verfassung hat: das Evangelium“. Das sei „nach Strich und Faden“ verraten worden.
Es sei außerdem denkbar, dass die Katholische Kirche auseinanderbreche. Nicht nur diejenigen, die der Kirche den Rücken gekehrt hätten, seien wütend, sondern auch die Gläubigen, die ihr noch anhingen. Im Inneren rumore es schon, sagte Devaux. Und er fragte: „Wer kann heute noch sagen: Ich bin Katholik und stolz drauf?“