Das Ende bedenken und klug werden

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat Anfang der Woche in einem Interview gesagt, der Schutz des Lebens gilt nicht absolut. Neben Kritik hat er auch viel Zustimmung erfahren. Schäuble hat Recht. Denn es ist nun einmal so: Das Ende gehört zum Leben dazu. Auch unabhängig von einer Seuche ist es wichtig, das vor Augen zu haben. Ein Kommentar von Jonathan Steinert
Von PRO
„Wir haben den Tod weit weggeschoben“, sagt Margot Käßmann. Die Coronakrise führt vor Augen, dass das Leben sehr verletztlich ist.

Eine Aussage von Wolfgang Schäuble (CDU) sorgte in dieser Woche für eine breite Debatte: Der Bundestagspräsident hatte in einem Interview des Tagesspiegels gesagt: „Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig. Grundrechte beschränken sich gegenseitig. Wenn es überhaupt einen absoluten Wert in unserem Grundgesetz gibt, dann ist das die Würde des Menschen. Die ist unantastbar. Aber sie schließt nicht aus, dass wir sterben müssen.“

In dem Gespräch ging es unter anderem um die Einschränkungen des öffentlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens und mögliche Lockerungen dieser Maßnahmen. Für seine Aussage bekam Schäuble einige Kritik, vor allem vonseiten der SPD. Einer seiner Amtsvorgänger, Wolfgang Thierse, betonte etwa, das Recht auf Leben sei die Voraussetzung für die Menschenwürde. Er warnte davor, zwischen mehr oder weniger lebens- und schützenswertem Leben zu unterscheiden. Mehrere Kirchenvertreter hingegen stimmten Schäubles Aussagen zu. Zum Beispiel Margot Käßmann, frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie sagte in einem Interview dem Deutschlandfunk, die Menschen seien „entwöhnt“ von der Frage, was Sterben für sie bedeute. Auch Heinrich Bedford-Strohm, der jetzige Ratsvorsitzende, lobte Schäuble im Hessischen Rundfunk und wies auf das Dilemma hin, dass der Schutz des Lebens im Moment zur Folge habe, dass Menschen einsam im Krankenhaus liegen oder in Pflegeheimen ohne Begleitung ihre letzten Tage verbringen. Die Würde eines Menschen zu achten kann im Zweifel auch heißen, ihn vor einer tödlichen Gefahr nicht zu schützen. Eine befriedigende Antwort wird es auf dieses Dilemma sicherlich nie geben. Oder wie Käßmann sagte: Da kommt man nicht schuldfrei heraus.

Ein befristetes Geschenk

Schäuble hat nicht bestritten, dass das Leben schützenswert ist, genausowenig wie er das Recht auf Leben verneint hat. Er bewegte sich im Übrigen genau auf der Linie des Deutschen Ethikrates, der in einer Ad-hoc-Stellungnahem zur Coronakrise bereits im März feststellte: „Auch der gebotene Schutz menschlichen Lebens gilt nicht absolut. Ihm dürfen nicht alle anderen Freiheits- und Partizipationsrechte sowie Wirtschafts-, Sozial- und Kulturrechte bedingungslos nach- bzw. untergeordnet werden. Ein allgemeines Lebensrisiko ist von jedem zu akzeptieren.“

Schäuble hat Recht. Seine Äußerungen stoßen vielleicht gerade deshalb auf so viel Resonanz, weil sie uns neben aller politischen Aktualität vor Augen führen, dass das Leben nun einmal „lebensgefährlich“ ist, verletztlich, endlich. Sowohl Käßmann als auch Bedford-Strohm riefen Psalm 90 in Erinnerung: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Das sollten wir auch über die Seuche hinaus bedenken, denn es lehrt uns zweierlei: dass wir trotz allen Wohlstandes und Fortschrittes nicht so stolz werden sollten, zu meinen, wir könnten den Tod verhindern; und dass das Leben, gerade durch seine Endlichkeit, kostbar ist, ein zeitlich befristetetes Geschenk.

Dass der Tod dennoch nicht das letzte Wort hat, darauf wies Bedford-Strohm ebenfalls hin: Das Geschenk des ewigen Lebens liegt dank der Auferstehung von Jesus Christus im Glauben bereit.

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