Die Corona-Krise stärkt die Religiosität von Gläubigen. Das sagte die Theologin und Politikwissenschaftlerin Carolin Hillenbrand im Rahmen eines Vortrages am Donnerstag. Vor allem bei evangelikal-freikirchlichen Christen habe sich der Glaube deutlich verstärkt. Während in der Krise bei gläubigen Menschen die Religiosität angewachsen sei, hätten Menschen ohne Religion eher weniger geglaubt als zuvor. Das zeigten die ersten Ergebnisse einer nicht repräsentativen Online-Umfrage zwischen dem 7. Juli und dem 18. Oktober, an der 1.971 Menschen teilnahmen.
Während 63 Prozent der Evangelikalen angaben, einen stärkeren Glauben zu haben, sagten dies 35 Prozent der katholischen und 30 Prozent der evangelischen Christen. Die Ursache für diese Differenz liege in der starken Glaubensbeziehung vieler Evangelikaler, sagte Hillenbrand. Innerhalb der beiden großen Kirchen gebe es eine gewisse Anzahl von kulturellen Katholiken und Protestanten. Im Vergleich zu den meisten evangelikalen Christen lebten diese weniger stark im Glauben. Zudem gaben 7 Prozent der Protestanten und 11 Prozent der Katholiken in der Umfrage an, dass sich ihr Glaube in den vergangenen Monaten abgeschwächt habe. Von den Mitgliedern einer Freikirche stimmten 6 Prozent dieser Aussage zu. Etwa jeder fünfte Befragte, der keiner Religion angehörte, gab an, sein Glaube habe sich während der Pandemie noch weiter abgeschwächt. Für diese Leute habe sich in der Corona-Krise beispielsweise bestätigt, dass kein liebender Gott existiere.
Glaube gibt Trost
Der Aussage: „Mein Glaube gibt mir Trost, Hoffnung und Kraft in der Corona-Zeit“ stimmten mehr als die Hälfte aller Befragte und fast 90 Prozent der evangelikal-freikirchlichen Christen zu. Gerade Menschen, die eine persönliche und starke Glaubensbeziehung haben, würden von dieser durch Krisenzeiten getragen, erklärte Hillenbrand.
Die Umfrage thematisiert auch die Bedeutung von Gemeindeveranstaltungen. Fast 60 Prozent der Befragten nahmen während der Pandemie mindestens einmal an einem alternativen religiösen Gottesdienst, wie etwa Online-Gottesdiensten, teil. Knapp ein Drittel war zufrieden mit den Angeboten, 12 Prozent dagegen gar nicht. Die Umfrage zeigt weiterhin, dass 64 Prozent der Meinung sind, dass Glauben nicht nur etwas Privates ist, sondern Gemeinschaft bedarf.
Stärkerer gesellschaftlicher Zusammenhalt
In der Corona-Krise habe sich außerdem der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland verändert. 43 Prozent der Befragten gaben an, Institutionen mehr zu vertrauen. Obwohl 26 Prozent weniger soziales Vertrauen haben, fühlen sich 46 Prozent stärker mit ihren Mitmenschen verbunden. Insgesamt sei zu beobachten, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in der Corona-Krise stärker geworden ist. Hillenbrand plädierte dafür, solche positiven Nachrichten mehr in den Vordergrund zu rücken. Neben zum Teil gewaltbereiten Demonstrationen, gebe es auch eine Vielzahl solidarischer Projekte.
Für Hillenbrand kann Religion sowohl Kitt, als auch Keil in unserer Gesellschaft sein. Das hänge vor allem vom Gottesbild ab. Negativ wirke sich Religion auf die Gesellschaft aus, wenn das Gottesbild von Strafe geprägt und das Glaubensverständnis exklusiv ist. Häufige Gottesdienstteilnahmen, religiöses Engagement oder ein von Liebe geprägtes Gottesbild würden sich dagegen positiv auf die Gesellschaft auswirken.
Von: Martin Schlorke