Wann ist Kaffee wirklich fair? Ein Besuch bei Cofymi

Immer mehr Menschen legen beim Kaffee Wert auf faire Produktionsbedingungen. Genügt das Fairtrade-Label? Fynn Campell, Kaffeeröster von Cofymi und gläubiger Christ, geht einen anderen Weg. Ein Besuch.
Von Nicolai Franz
Fynn Campell, Cofymi, das fairen Kaffee herstellt

Auf dem Tisch steht ein Glas mit fair gehandeltem und produzierten Kaffee. Moment mal, das soll Filterkaffee sein? Das bräunliche Getränk riecht fruchtig-süßlich, eine feinherbe Note mischt sich ein. Mit dem Gebräu, das täglich millionenfach am Frühstückstisch und in den Büroküchen in die Kannen fließt, hat dieser Trunk wenig zu tun.

Dieser Filterkaffee ist fair gehandelt
Frisch gebrühter fairer Kaffee: Eine äthiopische Röstung.

Kaffeekenner Fynn Campbell schlürft, als handle es sich um eine Weinverkostung, denn schließlich könne man die Aromen dann besser „retronasal“ wahrnehmen, sagt er.

Tatsächlich: Wer einen Schluck dieses Filterkaffees probiert, den erwartet eine Welt aus zig Aromen. Wie eine Mischung aus einem starken Earl Grey und einem feinen Kaffeegeschmack. Er schmeckt nicht so, wie man Kaffee kennt, sondern fast wie ein anderes Getränk.

Fynn, der sofort per Du ist, ist zufrieden. „Das freut mich immer total, wenn Leute so eine neue Erfahrung machen.“ Er leitet mit seinen zwei Geschäftspartnern Cornelius „Corny“ Schelling, den er in der Reutlinger Freikirche ICF kennengelernt hat, und Michael „Mimi“ Kraus das Unternehmen „Cofymi“ in Herrenberg. Die drei jungen Männer wollen Premiumkaffee anbieten.

Und nebenbei die Welt retten.

Produziert und handelt fairen Kaffee: Fynn Campbell von Cofymi. Foto: PRO/Nicolai Franz
Fynn Campbell in der Produktionshalle, die Cofymi sich mit zwei anderen Firmen teilt. „Co-Roasting Space“, nennt Fynn das.

Längst ist das Kaffeegeschäft in Deutschland ein Milliardenbusiness. 2020 trank der Durchschnittsdeutsche laut Statista stolze 168,3 Liter Kaffee – mehr noch als Bier (94,6) und sogar als Mineral-, Quell- und Tafelwasser (132,6). Besonders das Premiumsegment erlebt einen Aufstieg. 1.500 Röstereien zählt „Pingos Rösterkarte“ in Deutschland, eine in Fachkreisen beliebte Internetliste.

Dritte Welle auf dem Kaffeemarkt

Kenner sprechen von der „dritten Welle“ des Kaffeetrinkens. Während in der ersten Welle Kaffee überhaupt weltweit verfügbar wurde, brachte die zweite Welle die Allpräsenz des Koffeingetränks, von Bechern zum Mitnehmen an der Tanke bis zu amerikanischen Café-Franchises an jeder Ecke der Innenstädte.

Die dritte Welle bedeutet ein Umdenken bei den Menschen, sagt Fynn.

Regelrechte Kaffee-Boutiquen bieten Spezialitätenkaffees mit nach oben offener Preisskala. „Die Leute achten mehr auf Qualität, auch auf die Herkunft. Sie wollen bewusster konsumieren.“ Und obendrein spielt fairer Kaffee eine immer größere Rolle. Cofymi will ein Bindeglied sein zwischen den superteuren Spezialitätenröstereien und dem Mainstream. „Wir sind jung, frech. Auf die Fresse sozusagen.“ Fynn lacht.

Der Preis hat vor allem damit zu tun, wie die Bohnen geerntet und verarbeitet werden. Kaffeefrüchte sind eigentlich knallrote Kirschen mit süßem Fruchtfleisch. Wenn sie nach neun bis elf Monaten reif sind, werden sie geerntet und weiterverarbeitet, also zunächst „entpulpt“ – die Haut wird entfernt.

Kaffeekirschen am Busch Foto: Cofymi
So sehen Kaffeekirschen am Strauch aus. Sie schmecken süßlich.

Die meisten Bohnen werden dann gewaschen, also vom Fruchtfleisch getrennt. Immer mehr Anbieter belassen das Fruchtfleisch aber am Kern. Beim anschließenden Fermentieren entwickeln sich dadurch nämlich noch viel mehr Aromen, vor allem süße.

Solch einen Kaffee gibt es heute bei Fynn.

Hier wird fairer Kaffee wird aufgegossen Foto: PRO/Nicolai Franz
Der Filter wurde vorher befeuchtet, das Wasser weggekippt – der Kaffee soll schließlich nicht nach Papier schmecken

Espresso ist nicht so sein Ding, Filterkaffee findet er „viel nicer“. Obwohl das mit die einfachste Art der Kaffeezubereitung ist, wirkt der 26-Jährige mit dem Oberlippenbart dabei wie ein Wissenschaftler im Labor.

Zuerst benetzt er den weißen Papierfilter aus der grazilen Gießkanne mit exakt 94 Grad heißem Wasser, noch ohne Bohnen. Den ersten Schluck kippt er weg, um den Papiergeschmack des Filters loszuwerden.

Erst dann gibt er 32 Gramm grob gemahlene Bohnen in den Filter und befeuchtet sie für 30 Sekunden – „Blooming“ heißt das. Behutsam gießt er den Rest des Wassers über die hellbraunen Bohnen, bis die Waage genau 500 Gramm anzeigt. Fertig.

Fairer Kaffee läuft durch den Filter Foto: PRO/Nicolai Franz
500 Milliliter Wasser tropfen durch 32 Gramm fairen Kaffee von Cofymi. Temperatur: 94 Grad.

Was macht einen guten Kaffee eigentlich aus? Für Fynn ist es nicht nur der Geschmack. „Wir wollen, dass unser Kaffee nicht nur gut schmeckt, sondern auch Gutes tut.“ Pro Kilo spendet Cofymi einen Euro an das christliche Kinderhilfswerk Childfund, um Kindern in Äthiopien den Schulbesuch zu ermöglichen.

Video: Espresso oder Filterkaffee?

Den Produzenten vor Ort zahlt die Firma einen überdurchschnittlichen Preis. Häufig reicht der volatile Weltmarktpreis kaum zum Leben, die Anbaugebiete befinden sich allesamt in Schwellenländern oder Ländern der sogenannten Dritten Welt. 1.500 Reais kosten 60 Kilo Rohbohnen derzeit in Brasilien, Cofymi zahlt dem Bauern 1.800 Reais (etwa 300 Euro).

Noch im Dezember war Fynn mit Corny beim Kaffeebauern Rainer in Mexiko, um den Kontakt zu pflegen und sich über die Lage vor Ort zu informieren.  Bisher veröffentlicht die Firma die Kostenzusammensetzung seiner Röstungen noch nicht komplett, das soll aber bald folgen.

Cofymi zu Besuch bei Kaffebauern Foto: Cofymi
Fynn, Corny (Mitte) zu Besuch beim Kaffeebauern Rainer in Mexiko, der unter fairen Bedingungen Kaffee anbaut

Auch Tabea Gutmann vom Verein Micha Deutschland wirbt für bewussteren Kaffeekonsum. Die Initiative will Christen für den Kampf gegen Armut begeistern: „In einer globalisierten Welt braucht es mehr denn je ein Verständnis von christlicher Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Solidarität, das nicht vor der eigenen Haustür und der eigenen Ländergrenze endet“, sagt sie über fairen Kaffee.

Der Weg von der Kaffeepflanze bis in die Tasse ist weit. Brasilien ist der größte Exporteur, dazu kommen Staaten wie Peru, Honduras, Äthiopien oder auch Vietnam, wo das begehrte Gewächs angebaut wird. Wasserverbrauch, CO2-Ausstoß, Nutzung landwirtschaftlicher Flächen, all das hat Einfluss auf die Ökobilanz der Kaffeebohne.

Gutmann empfiehlt, auf zertifizierten Kaffee zu achten. „Öko-faire Labels können hierbei eine erste Orientierung und gute Anhaltspunkte geben.“ Konkret nennt sie „Fairtrade“, „Gepa“, „Rainforest Alliance“ und das Bio-Siegel. Mit diesen Labels sollen Verbraucher Klarheit darüber bekommen, dass ihr Kaffee nachhaltig und sozial gerecht produziert und gehandelt wurde.

„Wir wollen, dass unser Kaffee nicht nur gut schmeckt, sondern auch Gutes tut.“

Immer mehr Menschen legen darauf Wert – vor allem beim Kaffee. Doch wann ist fairer Kaffee wirklich fair? 42 Prozent seiner zertifizierten Produkte sind Kaffeebohnen, gibt Fairtrade an. Waren es 2015 noch 13.590 Tonnen, sind 2020 in Deutschland bereits 24.164 Tonnen Fairtradekaffee abgesetzt worden – fast das Doppelte. Das Verhalten der Verbraucher habe Einfluss, sagt Gutmann über fairen Kaffee: „Deine Euros – deine Stimme.“

Wem faire Produktionsbedingungen wichtig sind, kann also guten Gewissens zu Kaffeesorten mit Fairtrade-Label aus dem Supermarkt oder Discounter greifen. Auch Öko-Test rät dazu, auf Siegel zu achten. Als Beispiele nennen die Produkttester neben Fairtrade die Labels von El Puente, Gepa, Naturland Fair und Weltpartner. Allerdings gebe es auch immer wieder Kritik daran, da faire Labels hohe Zertifizierungskosten verursachten.

Die abgekühlten Bohnen fallen aus dem Trommelröster ins Fass

Einen anderen Weg geht Cofymi. „Wir haben bewusst kein Fairtrade-Siegel“, sagt Fynn. Der Grund: Fairtrade legt einen fixen Mindestpreis fest. Damit sollen Bauern vor Preisschwankungen geschützt werden. Steigen die Preise, steigt aber nicht zwingend der Preis der Fairtrade-Bohnen. Cofymi will stattdessen immer mehr als den Weltmarktpreis zahlen, auch wenn er wie derzeit auf einem Rekordhoch liegt.

Auf ein ähnliches Konzept setzt Coffee Circle, das schon seit zehn Jahren fairen Kaffee röstet und verkauft. Auch Coffee Circle verzichtet auf ein Fairtrade-Siegel, zahlt seinen Produzenten aber nach eigenen Angaben einen fairen Preis und unterstützt mit einem Euro pro Kilogramm soziale Projekte in der Herkunftsregion. Den Nächsten im Blick behalten beim Einkaufen, darum geht es.

Fairer Kaffee: Röstereien mit besonderem Fokus auf Ethik

Fynn, das schlichte weiße T-Shirt hat er in die Cargohose gestopft, steht vor einem wuchtigen Trommelröster. Zwölf Kilo Bohnen werden gerade geröstet. Im Innern heizt ein Gasbrenner die Trommel auf.

Hier wird fairer Kaffee im Trommelröster produziert Foto: PRO/Nicolai Franz
Gerade sind die fertigen Bohnen aus dem Trommelröster geschüttet worden. Nun kühlen sie ab – unter ständigem Rühren.

Etwa 20 Minuten lang schwitzen die Bohnen vor sich hin. Fynn nimmt ein Schäufelchen voll heraus. „Riech mal. Duftet nach Brioche, oder?“ Er ist glücklich.

Foto: PRO/Nicolai Franz
„Duftet nach Brioche, oder?“ Fynn prüft die aktuelle Röstung fairer Kaffeebohnen.

Der Ofen heizt weiter auf, Kennlinien am Laptop daneben zeichnen jede Änderung auf. Durch die Maillard-Reaktion bei 150 Grad gewinnen die Bohnen an Bräune und Geschmack, bei 186 bis 190 kommt der „first crack“, ein Knacken wie beim Popcorn, wenn Gase aus dem Inneren des Kaffeekerns entweichen. Der Ofen wird noch weiter aufgeheizt, bei Filterkaffees bis zu 196 Grad, bei Espressi bis 212 Grad.

In dieser Phase entwickeln sich weitere feine Aromen, bevor die Bohnen über eine große Schütte zum Abkühlen nach draußen fallen.

Foto: PRO/Nicolai Franz
Der Rührarm sorgt dafür, dass die Bohnen gleichmäßig abkühlen

Ein feiner Kaffeeduft erfüllt die Halle. Industriell hergestellter Kaffee wird per Heißluftverfahren bei etwa 600 Grad innerhalb weniger Minuten in riesigen Anlagen fertig geröstet. Deswegen sind sie meist auch dunkler als Kaffees aus der Trommelröstung. Das ist günstig und geht schnell – aber eben auch auf Kosten des Geschmacks.

Kaffee nicht nur zu genießen, sondern auch mit jedem Schluck etwas Gutes tun zu können, dieses Versprechen trifft das Lebensgefühl junger Menschen, denen Nachhaltigkeit wichtiger ist als schneller Konsum. Dazu passt, dass Influencer wie Jana Highholder auf Instagram für Cofymi werben.

Die Kunden bestellen ausschließlich online – und zwar für stolze Preise. Kaffee mit Fairtrade- und Bio-Siegeln ist ohnehin um einiges teurer als herkömmlich produzierter. Bei Boutique-Röstern, die ihre Rohware gründlich auswählen und langsam rösten, liegen die Preise nochmal deutlich höher. Mindestens 25 Euro, eher 35 Euro kostet das Kilo Kaffee bei Anbietern wie Cofymi oder Coffee Circle. 

Wer kann sich das leisten? Der, der es will, findet Fynn. „Es gibt immer mehr Leute, die trotz eines kleinen Einkommens bereit sind, das Geld bewusster auszugeben und hochqualitative Ware zu kaufen.“ Er weiß, wovon er spricht.

Fynn Campell stellt fair gehandelten und produzierten Kaffee her Foto: PRO/Nicolai Franz
Auf dem Oberarm prangt der hebräische Gottesname als Tattoo: Fynn ist Christ

Vergangenes Jahr haben sich die Unternehmer je 2.000 Euro pro Monat ausbezahlt, etwa 1.600 Euro netto. Sie haben einen sechsstelligen Kredit aufgenommen, die Firma ist natürlich ein Wagnis.

„Und wenn etwas schiefläuft, kann einen das schon sehr umtreiben. Für mich ist es aber einfach das Coolste, mit Gott ins Gespräch zu gehen und zu sagen: Boa, Alter, das ist mir grad alles zu viel. Ich vertrau dir, und ich will nach deinem Willen handeln und dir vertrauen, dass du alles gut machst.“ Fynn wirkt entspannt.

„Was auch immer das heißt.“  

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