"Es scheint, als wolle sich der Tod Christopher jung holen", sagt Hitchens‘ Agent, Danny Baror, gegenüber "Spiegel"-Redakteur Thomas Hüetlin. Es könne sich um Tage, maximal Wochen handeln, bis der 62-Jährige den Kampf gegen den Krebs endgültig verliert. Im Juni 2010 hatte Hitchens, einer der bekanntesten Vertreter des modernen Atheismus, seine Erkrankung öffentlich bekanntgegeben. Seitdem habe Hitchens, der unter anderem das Buch "Der Herr ist kein Hirte – Wie Religion die Welt vergiftet" verfasste, viele Hass-Botschaften bekommen. Briefe, deren Verfasser "seine Krankheit als gerechte Strafe Gottes bejubeln" und ihm "einen qualvollen Tod wünschten". Dass viele Christen damals ihr Mitgefühl zum Ausdruck brachten und erklärten, für Hitchens beten zu wollen, und sogar im Internet zu einem weltweiten Fürbitte-Tag aufriefen (pro berichtete), verschweigt der "Spiegel".
"Keine Chance" auf Reue
Im Rückblick auf sein Leben bereue Hitchens nichts: weder seine "ätzende Religionskritik" oder seinen noch immer andauernden Tabak- und Alkoholkonsum noch sein "Kriegsgetrommel" für die US-Invasion im Irak, mit dem er für Kontroversen sorgte. Hitchens war ursprünglich ein Aktivist des sehr linken politischen Spektrums, verfasste "Tiraden" gegen Bill Clinton, Henry Kissinger und Mutter Teresa. Durch die 1989 ausgesprochene Fatwa gegen seinen Freund Salman Rushdie wurde Hitchens zum Islamkritiker, durch den 11. September 2001 zum Neokonservativen.
"Ich habe in meinem Leben wahrscheinlich mehr Bücher geschrieben, als Bush gelesen hat", zitiert ihn der "Spiegel". "Aber wenn es nach den Pazifisten gegangen wäre, wäre Milošević immer noch an der Regierung, hätten die Taliban immer noch die absolute Macht in Afghanistan, wäre Saddam immer noch in Kuwait und inzwischen im Besitz von Nuklearwaffen." Den Golfkrieg 1991 habe er noch für falsch gehalten, nach einer Reise durch den Irak sei er zu einer neuen Bewertung der Lage gekommen: "Jeder, der sich wirklich um das Wohlergehen der Iraker sorgte", zitiert der Artikel Hitchens‘ Autobiografie, musste "die Beseitigung dieser wahnsinnigen Despotie fordern, die das Land gerade bei lebendigem Leib auffraß".
Viele seiner Anhänger hat Hitchens mit diesen Thesen enttäuscht. Allerdings fordert er auch, die Verantwortlichen in der Regierung Bush vor Gericht zu stellen – "für die Nachlässigkeit, mit der sie den Krieg im Irak führten, und die Schamlosigkeit, mit der sie ihn instrumentalisierten". Aber: "Die Frage ist doch, ob dieser Krieg aus heutiger Sicht dennoch notwendig war. Und die Antwort: ja!"
Eine "Bekehrung" schließt Hitchens aus
"Und selbst, wenn meine Stimme wegbleibt, werde ich weiterhin gegen die Religion polemisieren", sagt Hitchens. Eine Hinwendung zum Glauben schließt er auch angesichts seiner Krankheit und des nahenden Todes definitiv aus. "Wobei ich nicht ausschließe, dass ich irgendwann, verängstigt, halbbewusst und dem Schwachsinn nahe, nach einem Priester rufen werde. Aber hier und jetzt, im Zustand absoluter Geistesgegenwärtigkeit, sage ich, dass ich mit diesem Wesen, das sich derart erniedrigt, nichts zu tun hätte."
Ein Jahr später als in Amerika sind Christopher Hitchens Memoiren am 3. Oktober auf Deutsch erschienen, benannt nach seinem Spitznamen: "The Hitch – Geständnisse eines Unbeugsamen". Bereits im Vorwort bezeichnet er es als "Anmaßung", wenn "Gottesfürchtige sich derer annehmen, denen, wie sie glauben, das Ende naht". Von "Bekehrungen am Totenbett" halte er nichts, seine Überzeugung stehe fest. (pro)
Hitchens, Christopher: "The Hitch – Geständnisse eines Unbeugsamen". Blessing Verlag, 672 Seiten, 22,95 Euro.