Kommt Christliches in den Medien zu selten vor? Nein, waren sich der ehemalige stellvertretende Bild-Chefredakteur Daniel Böcking und der Geschäftsführer der Christlichen Medieninitiative pro, Christoph Irion, einig. Es sei ein Missverständnis unter Christen, dass ihre Stimme in den säkularen Medien zu wenig wahrgenommen werde, sagte Böcking. Er und Irion waren Gäste beim digitalen ERF-Themenabend unter dem Motto „Christen und Medien – Missverständnis, Meinungsmache, Manipulation?“.
Böcking nannte als Beispiel die regelmäßige Bild-Kolumne von Margot Käßmann und seinen eigenen Bild-Artikel von 2015 „Warum ich mich heute als Christ outen will“. Der sei bisher mehr als 100.000 Mal gelesen worden, er habe Unmengen an Zuschriften erhalten. „Es gibt Mittel und Wege, christliche Botschaften in den Medien zu platzieren. Es wird gerne gelesen“, sagte er. Auch in den Sozialen Medien komme Glaube oft vor. Zwei der erfolgreichsten Influencerinnen, Lisa und Lena, würden sich regelmäßig zu ihrem Glauben bekennen. Auch die „Real Life Guys“ mit über 1,4 Millionen Abonnenten auf YouTube erzählten „von ihrer Glaubensbegeisterung“.
Kirche kann von „Die Passion“ lernen
Irion nannte als Beispiele TV-Gottesdienste und das „Wort zum Sonntag“. Die Kirchen hätten immerhin Sendeplätze bei den Öffentlich-Rechtlichen. „Die Frage ist: Was machen sie damit?“ In den Pandemiejahren hätten die ZDF-Fernsehgottesdienste regelmäßig mehr als 900.000 Zuschauer gehabt. Das „Wort zum Sonntag“ erreiche 1,4 Millionen Menschen, die eher zufällig einschalteten. Der Hörfunk biete ebenso viel Christliches und ein aktuelles Beispiel sei die RTL-Show „Die Passion“.
„Es hat dazu Verrisse gegeben in den Medien, aber ich bin überzeugt: Am nächsten Tag haben sich Millionen Menschen in Deutschland über Jesus unterhalten“, sagte Irion über das Event. Viele junge Menschen hätten zugeschaut. Die Beispiele zeigten: „Es ist nicht das Versagen der Medien, dass die Christen die Botschaft nicht rüberbringen. Wir können es beeinflussen, wie sie rüberkommt.“
„Man muss die Menschen für den Glauben gewinnen. Das hat man oft in der kirchlichen, christlichen Pressearbeit vergessen“, sagte Böcking dazu. „Die Passion“ sei ein gutes Beispiel dafür, was Kirche von den Medien lernen könne. Die Show habe das Herz angerührt und das Interesse der Menschen geweckt. Auch die Serie „The Chosen“ sei dafür ein gutes Beispiel. Man dürfe nicht vergessen: „Gott gewinnt Menschen für sich und überredet sie nicht.“
Unterscheiden zwischen Staatspropaganda und freien Medien
Böcking nannte ein weiteres „Missverständnis“, das ihm als Journalist oft begegne: Es gebe nicht „die eine Wahrheit“, die in die Medien gebracht werden müsse. „Wir Christen haben eine große Freiheit, über einzelne Themen zu streiten“, sagte Böcking. Aktuelles Beispiel seien die unterschiedlichen Meinungen zu Waffenlieferungen in die Ukraine. „Die eine Wahrheit ist zwar Jesus Christus.“ Das heiße aber nicht, dass „wir Christen“ die Wahrheit auch bei anderen Themen gepachtet hätten.
Für falsch hält Böcking auch die Annahme: „Es gibt die Systempresse und die freien Denker – und die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.“ Er erklärt es am Beispiel Russland. Russland habe tatsächlich eine Staatspropaganda und damit eine „Systempresse“. Auf der anderen Seite gebe es die freien Medien wie in Deutschland. Die Staatspropaganda verbreite bewusst Lügen. Die großen Medien in Deutschland nicht. Die Wahrheit liege daher nicht „irgendwo in der Mitte“. „Auch bei den großen Medien passieren Fehler, aber sie sind meistens sehr nah an der Wahrheit dran“, sagte Böcking.
Die Aufgabe von Journalisten sei es auch nicht, „dass den Menschen das Frühstücksbrötchen schmeckt und sie einen sonnigen Tag haben. Journalisten müssen Dinge benennen.“ Auch wenn das mal konträr zur Meinung des Lesers stehe.
Der Journalist wies zudem daraufhin, dass es die absolute Objektivität nie gebe. Auch Journalisten trügen durch ihre Texte ihre Weltanschauung nach außen. Das geschehe ganz unbewusst. „Bewusste Lüge sehe ich bei den klassischen Medien aber nicht“, sagte Böcking.
Botschaft an Nutzer-Gewohnheiten anpassen
Irion erklärte, wie es zu dem Vorwurf kommen könne, die Medien seien alle „gleichgeschaltet“. Als Journalist lese man im Netz Artikel von Kollegen oder verfolge Diskussionen auf Twitter. „Wenn man merkt: Viele sind für eine Sache oder dagegen, beeinflusst das natürlich“, sagte er. Unbewusst führe das dazu, dass sich Meinungsbeiträge von Journalisten manchmal ähnelten.
Der Geschäftsführer der Christlichen Medieninitiative pro sieht es auch als Aufgabe, journalistische Inhalte an neue Nutzungsgewohnheiten anzupassen. Viele Schüler informierten sich über den Ukraine-Krieg zum Beispiel über TikTok. Auch Böcking erklärte, man müsse als Medienmarke lernen, seine Inhalte auch an neue Plattformen anzupassen. „Wir sind herausgefordert, unsere Inhalte anzupassen. Und auch die wichtigste aller Nachrichten zu transportieren. Das können wir nicht ignorieren“, sagte Irion.