Nur noch sieben von zehn Schweizern gehören einer Religion an. Das zeigt eine Erhebung zur Sprache, Religion und Kultur (ESRK) vom Bundesamt für Statistik in der Schweiz für 2019. Die aktuelle Statistik vom Montag zeigt, dass sich der Anteil der Protestanten in dem Land in den vergangenen rund 50 Jahren halbiert hat. Demnach waren 1970 48,8 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz im Alter über 15 Jahre Protestanten und 46,7 Prozent Katholiken. 2018 gaben weniger als ein Viertel der Schweizer (23,1 Prozent; 2014: 25,5 Prozent) an, Protestanten zu sein, noch rund ein Drittel (35,1 Prozent; 2014: 37,9 Prozent) gab an, zur katholischen Kirche zu gehören.
Während die Quote der Christen an der Bevölkerung in den vergangen fünf Jahrzehnten schwand, hat sich der Anteil religionsloser Schweizer in der selben Zeit mehr als verzwanzigfacht. 1970 hatte nur etwa jeder Hundertste (1,2 Prozent) angegeben, ohne Religionszugehörigkeit zu sein. 2018 gab bereits jeder Vierte (27,9 Prozent; 2014: 23 Prozent) an, zu keiner Religion zu gehören.
Evangelikale beten häufiger
Nach Angaben einer Pressemitteilung des Bundesamtes besuchte 2019 gut ein Viertel der Bevölkerung (26 Prozent) mehr als fünfmal pro Jahr einem Gottesdienst. 40 Prozent nahmen ein- bis fünfmal pro Jahr teil und taten dies zumeist aus sozialen Gründen (87 Prozent), etwa als Teilnehmer einer Hochzeit oder dem Besuch von Beerdigungen.
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung (55 Prozent) betet mindestens einmal im Jahr. Bei den Protestanten ist der Anteil Personen, die in den letzten zwölf Monaten vor der Erhebung nie gebetet haben, höher (38 Prozent) als bei den muslimischen (31 Prozent) und katholischen Gemeinschaften (30 Prozent). Mitglieder evangelikaler Gemeinden beten laut der Erhebung häufiger: 30 Prozent beten mehrmals täglich und mehr als die Hälfte (54 Prozent) gaben an, dies täglich oder fast täglich zu tun. Die Statistik zeigt aber auch, dass etwa jede fünfte Person (19 Prozent) mindestens einmal im Jahr betet, obwohl sie keiner Religion angehören.
Der Anteil Personen, die angaben, an einen einzigen Gott zu glauben, ist von 46 Prozent im Jahr 2014 auf 40 Prozent gesunken. Ein Viertel der Bevölkerung glaubt weder an einen einzigen, noch an mehrere Götter, sondern vielmehr an eine höhere Macht. Der Wert hat sich seit 2014 nicht verändert. Der Anteil atheistischer Personen ist laut Statistik von 12 Prozent auf 15 Prozent angestiegen.
Muslime und Evangelikale legen Wert auf Religion bei Kindererziehung
2019 gehörten rund ein Drittel (30,8 Prozent) der Kinder unter 15 Jahren keiner Religion an, 2014 war es etwa ein Viertel (24,6 Prozent). „Für die Mehrheit der Personen aus muslimischen Gemeinschaften (64 Prozent), anderen Religionen (64 Prozent) und anderen evangelikalen Gemeinden (90 Prozent) spielt die Religion eine eher wichtige oder sehr wichtige Rolle bei der Kindererziehung“, heißt es in der Studie. Mehr als ein Fünftel der Eltern (22 Prozent) empfindet es als wichtig, ihre Kinder unter 18 Jahren nach den Prinzipien ihrer Religion zu erziehen. 15 Prozent möchten ihnen spirituelle Werte vermitteln und 44 Prozent ziehen andere Werte vor, die weder religiös noch spirituell sind.
8,2 Prozent der Bevölkerung gaben 2019 an, aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit Opfer von Diskriminierung geworden zu sein. In der Statistik gelten sämtliche Praktiken, bei denen eine Person in ihren Rechten eingeschränkt, ungleich oder intolerant behandelt, erniedrigt, bedroht oder in Gefahr gebracht wird als Diskriminierung. Besonders betroffen sind der Erhebung zufolge Muslime: 35 Prozent waren mindestens in einer konkreten Situation Opfer von Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit. Bei Personen aus anderen Religionen gaben das 26 Prozent an, bei Personen anderen evangelikaler Gemeinden 17 Prozent.
Die Erhebung untersucht Sprache, Religion und Kultur (ESRK) der Wohnbevölkerung im Alter ab 15 Jahren in der Schweiz und wird seit 2014 im Abstand von fünf Jahren als computergestütztes Interview und einem Fragebogen durchgeführt. An der Erhebung 2019 haben 13.417 Personen teilgenommen.
Von: Norbert Schäfer