„Der Tschad ist ein Land, das oftmals vergessen wird“, begann Erzbischof Edmond Djitangar einen Bericht aus seiner Heimat. Am Mittwoch war er Gast der Deutschen Bischofskonferenz in Berlin anlässlich der Vorstellung einer Arbeitshilfe zum Thema Verfolgung und Bedrängung von Christen in der Sahel-Zone. Demnach ist die Lage für Christen im einst weitgehend friedlichen afrikanischen Land am Kippen. Christen im Tschad könnten sich zwar zu ihrem Glauben bekennen und ihn auch frei praktizieren, denn der Staat sei traditionell von einem offenen Islam geprägt. Besorgniserregend seien aber neuere radikale Bewegungen, die vom Norden aus in das Land drängten, etwa Boko Haram, sagte der Bischof. Wer dieser Tage politisch erfolgreich sein wolle, spreche nicht über seine Religion. „Es machen sich Veränderungen bemerkbar, man muss mutiger sein, um sich zum christlichen Glauben zu bekennen“, sagte Djitangar.
Sahel-Zone aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwunden
Der Tschad und die umliegenden Länder der Sahel-Zone sind Schwerpunkt der neuesten Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz zum Thema Christenverfolgung und -bedrängung. Die Katholiken veröffentlichen regelmäßig Informationshefte, die sich mit der Lage der Christen in bestimmten Ländern der Welt beschäftigen. Erzbischof Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, erklärte: „Es sollte keine bedrängten Christinnen und Christen mehr geben.“ Dennoch sei deren Situation weltweit „nicht einfacher geworden“.
Die Sahel-Zone sei aus dem Blick der Öffentlichkeit gerückt, leide aber unter vielen Schwierigkeiten. Hunger und Armut seien weit verbreitet, dadurch bedingt gebe es eine starke Binnenmigration, die wiederum religiöse Spannungen zwischen Christen und Muslimen zur Folge habe. Und das, obwohl die beiden Gruppen in der Region lange friedlich miteinander gelebt hätten. Die Terrorgruppe Boko Haram etwa „verlangt Unterwerfung von allen“. Wer nicht folge, werde bedrängt oder getötet. Kirchen würden zerstört. Im Tschad litten Christen unter Ausgrenzung: Oft dürften sie keine höheren Schulen besuchen, hätten keine Karrieremöglichkeiten und litten unter „gravierenden Konsequenzen“, wenn sie ihren Glauben bekannten.
Kirche engagiert sich allen Widerständen zum Trotz
Dennoch engagierten sich viele Gläubige, etwa indem sie das Evangelium verkündigten, aber auch die christliche Soziallehre predigten und lebten. Die Kirche betreibe auch Schulen und wirke damit gegen religiöse Unterdrückung. Denn wer gebildet sei, akzeptiere eher den Glauben anderer. So gab sich Schick auch optimistisch: „Der christlich-islamische Dialog ist möglich“, sagte er, schränkte aber ein: Jedoch nicht mit jeder islamischen Gruppe. Die Katholische Kirche strebe jetzt und künftig an, gemäßigte Gruppen zusammenzubringen und so Radikale zu schwächen.
„Wir setzen uns für unsere Glaubensgeschwister exemplarisch ein – aber nicht exklusiv“, betonte der Bischof. Denn wo Christen bedrängt würden, stünden auch andere unter Druck. Religionsfreiheit ist für ihn „das zentralste Menschenrecht“. Es betreffe das Innerste eines Menschen und beeinflusse die Beziehung zum Nächsten. Außerdem sei die Religionsfreiheit mit vielen anderen Menschenrechten eng verbunden, etwa der Meinungs-, Versammlungsfreiheit oder der freien Kommunikation. Die Bundesregierung forderte er deshalb auf, das Thema immer wieder anzusprechen und auch bei Entscheidungen über Entwicklungshilfen einfließen zu lassen. Leider geschehe das noch nicht ausreichend.
Dialog gegen Islamisierung
Pfarrer Dirk Bingener, Präsident des Hilfswerks Missio, sagte, im Tschad herrsche ein „unterschwelliges Misstrauen“ zwischen religiösen Gruppen. Die Christen dort fürchteten eine „schleichende Islamisierung des Landes“. Als Gegenmittel empfahl er die Pflege interkultureller Kompetenz, Investitionen in die Entwicklung einer eigenen religiösen Identität der Christen und Bemühungen im interreligiösen Dialog.
Von: Anna Lutz