In chinesischen Onlineshops kann die Bibel offenbar nicht länger gekauft werden. Das melden unter anderem die New York Times und CNN. Dies sei ein Vorstoß zur Kontrolle der wachsenden religiösen Szene im Land. Den Berichten zufolge hat Peking den Verkauf der heiligen Schrift der Christen schon seit jeher dirigiert. In den vergangenen Jahren konnten Bibeln jedoch auch bei Onlinehändlern erworben werden.
Die Maßnahmen zur Beschränkung der Bibelverkäufe seien am Wochenende bekannt gegeben worden und diese Woche in Kraft getreten, schreibt die New York Times. Am Donnerstag habe die Onlinesuche bei führenden Onlinehändlern in China, wie JD.com, Taobao und Amazon, quasi ins Leere geführt. Bei Taobao, dem größten Online-Auktionshaus im asiatischen Raum, ergibt die Suche nach „Holy Bible“ keine Treffer von gedruckten Bibeln mehr. Stattdessen findet der Nutzer beispielsweise religiöse Dekorationsartikel. Bei manchen Händlern seien noch Bibelanalysen oder illustrierte Bilderbücher im Angebot gewesen.
Open Doors: „Präsident will Druck auf die Kirchen erhöhen“
Seit Anfang Februar ist in China eine neue Religionsverordnung in Kraft. Das überkonfessionelle christliche Hilfswerk Open Doors erklärt auf Anfrage von pro: „Mit der neuen Religionsverordnung vom 1. Februar 2018 will Präsident Xi Jinping den Druck auf die Kirchen erhöhen und ihre Aktivitäten weiter einschränken. Jegliches Engagement im Bereich religiöser Online-Dienste muss beispielsweise laut Artikel 47 von den Behörden genehmigt werden. Dazu passt das neue Verbot vom Verkauf der Bibel über Onlineverkaufsdienste.“
Chinas Bürger litten unter Xi Jinping zwar keine Not, „wohl aber an geistlichem Hunger“. Markus Rode, der Leiter von Open Doors Deutschland, erläutert: „In der leidvollen Geschichte der Christenverfolgung in China hat sich gezeigt, dass der extreme Verfolgungsdruck auf Chinas Christen dazu geführt hat, dass die chinesischen Untergrundgemeinden noch schneller gewachsen sind.“ Deshalb glaubt Rode, dass ein Verkaufsstopp von Bibeln im Internet dazu führen werde, „dass die Bibel von den chinesischen Christen noch mehr wertgeschätzt werden wird als zuvor“. Die Kommunistische Partei werde „das Wachstum der christlichen Gemeinden in China nicht aufhalten“.
Christen seien in China die größte gesellschaftliche Kraft, die nicht von der Kommunistischen Partei kontrolliert werde. Das Evangelium breitet sich „in einer seit Jahrzehnten anhaltenden Erweckung besonders durch die Hauskirchennetzwerke aus“. Schätzungen zufolge beläuft sich die Anzahl der Christen auf etwa 130 Millionen, heißt es von Open Doors. Auf dem Weltverfolgungsindex der Organisation ist China aktuell auf Rang 43 unter den Ländern, in denen Christen weltweit wegen ihres Glaubens verfolgt werden.
Bibelgesellschaft: Beobachten Entwicklung aufmerksam
Dem Direktor der internationalen Arbeit der Deutschen Bibelgesellschaft, Horst Scheurenbrand, ist die aktuelle Situation bekannt und seine Organisation beobachte die Entwicklung „sehr aufmerksam“. Auf Anfrage von pro erklärte er: „Wichtig ist es, an dieser Stelle festzuhalten, dass sich die Rechtslage nicht geändert hat. Wie wir von unseren chinesischen Kollegen aus dem Weltverband der Bibelgesellschaften (United Bible Societies Chinese Partnership) wissen, besteht die Regelung, dass Bibeln nur über kirchliche Buchläden verkauft werden dürfen, schon seit den 1980er Jahren, wurde aber nicht immer konsequent angewendet.“
Trotz der Einschränkungen sei „das große Interesse an Bibeln in China ungebrochen“. Chinesische Kollegen seien aber auf Unterstützung angewiesen. „Als Weltbibelhilfe unterstützen wir in China Initiativen zur Bibelverbreitung – zum Beispiel Verteilaktionen von Kinderbibeln –, aber auch Übersetzungsprojekte in Minderheitensprachen“, schildert Scheurenbrand. „Aktuell rechnen wir mit keiner Beeinträchtigung unserer Arbeit. Die Weltbibelhilfe wird auch weiterhin Projekte unterstützen, durch die chinesische Christinnen und Christen Zugang zur Bibel erhalten“, schätzt der Direktor der internationalen Arbeit der Deutschen Bibelgesellschaft die Situation ein.
Stets kontrollierter Verkauf von Bibeln
Laut CNN hätten zwei Onlinehändler auf Anfrage angegeben, dass Kunden auch weiterhin Bibeln bei ihnen kaufen könnten. Dies müsse jedoch durch eine private Nachricht an den jeweiligen Händler angefragt werden. Eine öffentlichte Listung beim Online-Auktionshaus Taobao sei nicht möglich.
China habe stets den Verkauf von Bibeln kontrolliert und den Druck und Vertrieb nur staatlich anerkannten Kirchen erlaubt. Diesem Engpass konnte durch den aufkommenden Onlineverkauf über Händler im Internet begegnet werden. Dieser Weg ist nun scheinbar geschlossen worden.
Kontakte mit Christen im Ausland kriminalisiert
Das in Februar in Kraft getretene Religionsgesetz treibe „Gläubige nicht offiziell registrierter Kirchen noch weiter in die Illegalität und den Untergrund“, kritisierte der Asien-Experte und Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Ulrich Delius, vor zwei Monaten.
In einer Pressemitteilung der Gesellschaft für bedrohte Völker aus dem Februar hieß es: „Die Volksrepublik China hat unter Staatspräsident Xi Jinping systematisch die Unterdrückung der Religions-, Presse-, Meinungs- und Internetfreiheit verschärft.“ So seien die neuen Vorschriften des chinesischen Religionsgesetzes „so unpräzise formuliert, dass für vermeintlich illegale religiöse Aktivitäten willkürlich hohe Geldstrafen verhängt oder Kircheneigentum beschlagnahmt werden kann“. Kontakte mit Christen im Ausland würden massiv erschwert und kriminalisiert. Auch die christliche Jugendarbeit soll ebenfalls stark eingeschränkt werden, hieß es von der GfbV. Alle Priester und Pastoren seien aufgefordert, sich offiziell registrieren zu lassen, „um eine lückenlose Überwachung zu ermöglichen“.
Der Generalsekretär von Amnesty Deutschland, Markus N. Beeko, erklärte Mitte Februar bei der Vorstellung des Jahresreports 2017/2018: „In China wurden die Bestimmungen über religiöse Angelegenheiten verschärft und dazu benutzt, das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit […] noch stärker zu beschneiden als bisher.“
Eine Anfrage von pro an die chinesische Botschaft in Berlin vom Freitagmittag blieb bislang unbeantwortet.
Von: Martina Blatt