Causa Aiwanger: SZ-Journalist übt Selbstkritik in einem Punkt

Hat die „Süddeutsche Zeitung“ in der „Flugblatt-Affäre“ sauber über Hubert Aiwanger berichtet? Roman Deininger, Chefreporter der Zeitung, sagt: Ja. In einem Punkt jedoch gibt er einen Fehler zu.
Von Jonathan Steinert
Hubert Aiwanger

Im Fall Aiwanger hat der Chefreporter der „Süddeutschen Zeitung“, Roman Deininger, die Berichterstattung seines Blattes verteidigt. Die Kollegen hätten sauber recherchiert, sagte er in der Talkshow „Anne Will“ am vergangenen Sonntag. Es sei zudem im öffentlichen Interesse, wenn eine Person in einem hohen Staatsamt in ihrer Jugend rechtsextreme Verhaltensweisen gezeigt habe. Dieser Verdacht habe sich durch Recherchen anderer Medien erhärtet.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte Ende August in einem umfangreichen Artikel den Verdacht geäußert, Bayerns stellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) könnte als Jugendlicher ein Flugblatt verfasst haben, das den Nationalsozialismus verharmloste. Aiwanger wies dies zurück und sprach von einer Kampagne gegen sich. Sein Bruder bekannte sich schließlich dazu, das Flugblatt verfasst zu haben, das damals in Hubert Aiwangers Schultasche gefunden worden war.

An der Art und Weise, wie die „Süddeutsche“ über den Verdacht ohne handfeste Belege berichtete, gab es von verschiedener Seite Kritik, auch von anderen Journalisten. Beim Presserat gingen mehrere Beschwerden zu dem Fall ein.

Deininger, der selbst nicht an dem Beitrag beteiligt war, gestand bei „Anne Will“ jedoch ein: „Wir haben in einem von vielen Artikeln, aber in einem prominenten am Anfang, in der Tonalität danebengelegen. Wir haben den Eindruck erweckt, wir würden nicht mit maximaler Fairness gegenüber Hubert Aiwanger agieren.“ Das sei ein Fehler gewesen. Die Süddeutsche sei stolz darauf, keiner Agenda zu folgen. „Gute Journalisten bemühen sich einfach darum, Dinge ans Licht zu bringen, die ans Licht gehören.“

Zwar sei nur ein Verdacht geäußert worden. Aber das nehme nichts von den Dingen weg, die jetzt erklärungsbedürftig seien. „Man muss von einem Mann im Staatsamt erwarten, dass er sich dazu verhält. Das hat er nicht getan“, sagte Deininger. Aiwanger sei vor der Veröffentlichung des Artikels dreimal mit den Inhalten konfrontiert worden, um Stellung zu beziehen. Er habe sich aber nicht erklärt.

Hätte Aiwanger glaubhaft gemacht, dass es sein Bruder das Flugblatt geschrieben hat, „wäre die Geschichte nicht erschienen, weil sein Bruder eben keine Person von öffentlichem Interesse ist“, erklärte Deininger. Die Behauptung Aiwangers, dies sei eine lang geplante Kampagne, um ihn politisch zu zerstören und die Grünen an die Macht zu bringen, bezeichnete Deininger als Verschwörungstheorie, die nicht zutreffe.

Politikwissenschaftlerin: Politischer Gegner wird immer häufiger zum Feind

Diese Verteidigungsstrategie Aiwangers kritisierte in der Talkshow auch die Politikwissenschaftlerin Nicole Deitelhoff. Aiwanger habe die inhaltlichen Vorwürfe gegen sich umgemünzt und sich als Opfer einer Kampagne des politischen Gegners hingestellt. Das sei eine klassische Strategie von Rechtspopulisten. Sie äußerte sich besorgt darüber, dass sich immer häufiger und stärker eine politische Kultur zeige, in der der politische Gegner zum Feind gemacht und diffamiert werde. Das gelte sowohl im konservativen als auch im linken politischen Spektrum. Es gehe immer weniger um die Sache und immer mehr um den politischen Gegner.

Wenn es in der politischen Diskussion jedoch nur noch Freund und Feind gebe, „verlassen wir Boden des demokratischen Miteinanders“, warnte Deitelhoff. An die Medien gerichtet äußerte sie die Mahnung, andere Ansätze zu finden, als sich in erster Linie auf Krisen zu fokussieren uns diese zuzuspitzen.

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