Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD bekennt sich die mögliche schwarz-rote Regierung zur Bedeutung von Religionen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In dem Papier bleibt die Ausgestaltung der Religionspolitik jedoch vage. Im Interview des Deutschlandfunks erklärt der SPD-Religionspolitiker Lars Castellucci: „Die Religionspolitik war kein Streitpunkt – deshalb steht dazu wenig im Vertrag.“ Während kontroverse Themen wie der Mindestlohn detailliert verhandelt wurden, sei es im Koalitionsvertrag daher bei allgemein gehaltenen Formulierungen zur Religion geblieben.
Deutschlandfunk-Journalist Christian Röther stellt im Gespräch fest, dass in dem Vertrag insbesondere der Schutz der weltweit größten verfolgten Gruppe, der Christen, von besonderer Bedeutung sei und will von Castellucci wissen, ob nicht „alle religiösen Minderheiten und generell alle Menschen gleich schützenswert“ seien.
Castellucci erkennt im Gespräch eine „Tendenz“ der Union, „dass wenn man über Religionsfreiheit spricht, dass damit immer erst mal die Religionsfreiheit der Christen gemeint“ sei. Das sei jedoch sehr verkürzt. „Religionsfreiheit betrifft eben alle, übrigens auch diejenigen, die von Religion frei sein wollen“, erklärte Castellucci.
Kein pauschaler Verdacht
Röther – der Religionswissenschaftler hat über die islamfeindliche Szene in Deutschland promoviert – konstatiert, dass im Vertrag ausschließlich Christen und das jüdische Leben positiv erwähnt würden. Der Islam tauche lediglich im Zusammenhang mit „Islamismus“ – also mit negativer Erwähnung – auf. Wenn Muslime nicht genannt würden und nur von Islamismus die Rede sei, tue man leider das Gegenteil von dem, was nötig wäre, räumt Castellucci in dem Gespräch ein. Der Vertrag spiegele in dem Sinne eine gesellschaftliche Schieflage wider, die Muslime oft pauschal unter Verdacht stelle. Es gelte, „immer den gesamten Extremismus in den Blick“ zu nehmen. Gruppen dürften nicht pauschal verantwortlich gemacht werden, weil einzelne Mitglieder „irgendetwas angestellt“ hätten. Diese müsse aktiv durch Dialog und konkrete Politik ausgeglichen werden, erklärte der Religionspolitiker.
Ein weiteres Thema in dem Gespräch: die Ablösung der Staatsleistungen – jährliche Zahlungen der Länder an die Kirchen für historische Enteignungen. Die im Grundgesetz vorgesehene Ablösung dieser Leistungen wurde in der vergangenen Legislaturperiode der Ampel-Regierung nicht umgesetzt. Im neuen Vertrag zwischen Union und SPD tauche das Thema gar nicht mehr auf. „Im Moment ist das Thema Staatsleistungen tot – wir müssen hoffen, dass es irgendwann wieder aufersteht“, so Castellucci.
Der SPD-Politiker sieht dennoch Chancen, dass die Ablösung der Staatsleistungen doch noch umgesetzt werden kann. Etwa in der Umnutzung leerstehender Kirchengebäude. Durch den massiven Mitgliederschwund der Kirchen könnten nach Castelluccis Aussage bis 2060 rund 40.000 Gotteshäuser aufgegeben werden. Er schlägt vor, die Liegenschaften für das Gemeinwohl zu erhalten, indem der Staat die Gebäude als Dorfgemeinschaftshäuser oder Stadtteilzentren übernehme und finanziere. Dies könne als ein Beitrag zur Ablösung der Staatsleistungen angesehen werden.