Castellucci: „Kirchen mehr wertschätzen“

Soll Kirche trotz sinkender Mitgliederzahlen öffentlich wirken? Ja, waren sich am Dienstag Vertreter von Kirchen, Politik und Konfessionslosen in Berlin einig. Dennoch müsse sich manches ändern, fand etwa SPD-Politiker Lars Castellucci.
Von Anna Lutz
Lars Castellucci

Das öffentliche Wirken von Kirchen sollte stärker wertgeschätzt werden. Das erklärte Lars Castellucci, religionspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion am Dienstagabend bei einer Debatte in der Katholischen Akademie in Berlin. In Zeiten gesellschaftlicher Spannungen seien „vergemeinschaftende Organisationen, seinen es Gewerkschaften, Parteien oder auch Kirchen“ besonders wichtig. „Es ist bedauerlich, wenn sie in diesem Land schwächer werden, und keine Errungenschaft“, sagte Castelllucci. 

Dennoch kritisierte er eine zu starke Politisierung und Bürokratisierung der Kirchen. Bei manch politischer Predigt sei er geneigt, den Gottesdienst direkt zu verlassen. Es sei vorrangige Aufgabe der Kirchen, Menschen Nähe und Wärme zu schenken. Das solle sie auch öffentlich tun. „Halten Sie den Menschen, die alt, krank, einsam sind, die Hand: Das ist ihre Aufgabe“, sagte er in Richtung der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Mitgliederschwund ändert nichts an Legitimität

Deren stellvertretender Bevollmächtigter des Rates der EKD in Berlin, Stephan Iro, verteidigte das politische Engagement seiner Kirche. Glaube beziehe sich auf das Miteinander von Menschen. Deshalb sei er immer auch politisch. „Ich würde jedem Geistlichen misstrauen, der sagt, seine Aufgabe sei eine gänzlich unpolitische“, sagte er. Der Mitgliederschwund der Kirchen mindere nicht deren Legitimität, sich öffentlich zu äußern. Die Kirchen hätten immer noch zusammen knapp 40 Millionen Mitglieder. Eine Abschaffung der Kirchensteuer bedeute: „Dann hätten wir nicht nur eine andere Kirche, sondern auch einen anderen Staat“, sagte er mit Blick etwa auf Dienste der Diakonie und der Caritas.

Der Schweizer Theologe Daniel Bogner beklagte eine Behäbigkeit innerhalb der Kirchen, aber auch innerhalb der Politik bei Reformen rund um Kirchenpolitik. Als Beispiel nannte er die Ablösung der Staatsleistung und die Gestaltung des Religionsunterrichts in einzelnen Bundesländern.

Kirchen „erheblich bevorzugt“

Philipp Möller, Vorsitzender des „Zentralrats der Konfessionsfreien“, beklagte, Kirchen würden in Deutschland „erheblich bevorzugt“, etwa durch die Kirchensteuer. Bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt würde sie vom Staat „mit Samthandschuhen“ angefasst.

Er wünsche sich einen fairen Wettbewerb der Glaubensrichtungen statt einseitiger Bevorzugung im öffentlichen Raum. Vor allem, weil die politischen Positionen der Kirchen kaum mehr in der Öffentlichkeit vertreten würden. Möller verwies auf den Gleichbehandlungsgrundsatz: „Wenn die Kirchenglocken läuten, dann muss auch der Muezzin rufen dürfen. Und wir müssen uns fragen: Wollen wir das?“

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