Die protestantische Kuanjie-Gemeinde gehört zu den wenigen offiziell anerkannten Kirchen Chinas. Sie wird staatlich kontrolliert. Einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (F.A.Z.) zufolge sprach sich Bush bereits vor seinem Kirchgang in einer Radiobotschaft offiziell für eine größere Toleranz gegenüber fremdländischen Religionen aus. Männer und Frauen, die ihrem Gewissen folgten und ihren Gott anbeteten, seien keine Bedrohung für China. Sie seien diejenigen, die das Land im 21. Jahrhundert zu einer großen Nation machen würden, so Bush.
Bereits am Vortag seines Besuches der olympischen Eröffnungsfeier hatte sich Bush kritisch über die Verletzung der Menschenrechte im Gastgeberland geäußert. Laut „Focus Online“ zeigte sich der US-Präsident „tief besorgt“ bezüglich Religionsfreiheit und Menschenrechten in China. „Die Vereinigten Staaten sind der Überzeugung, dass die chinesische Bevölkerung die grundlegenden Freiheitsrechte verdient, denn sie sind das natürliche Recht eines jeden Menschen“, sagte Bush. „Wir sprechen uns aus für Presse- und Versammlungsfreiheit und die Wahrung der Arbeitnehmerrechte, denn China kann sein ganzes Potenzial nur dann ausschöpfen, wenn es der Bevölkerung größere Freiheiten lässt.“
Seinen Kirchenbesuch bezeichnete Bush als „erhebende Erfahrung“. Zusammen mit 400 chinesischen Christen und Pastor Li Jian-An sang er in Englisch und Chinesisch das bekannte Lied „Amazing Grace“. Laut „F.A.Z.“ ist der Besuch des Staatsoberhauptes für die Kuanjie-Kirche ebenfalls von großer Wichtigkeit. So bedeute er internationale Anerkennung und stärke ihre Stellung gegenüber der Regierung, die den Gemeinden oft noch immer misstrauisch gegenüber stehe und ihre Aktivitäten genau kontrolliere.
„Bush unterstützt Religionskontrolle“
Die Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ allerdings betrachte den Kirchenbesuch Bushs kritisch, berichtet „Focus Online“ weiter. Der Besuch in einer „patriotischen“ Kirche könne auch als Form der Unterstützung der chinesischen Religionspolitik gedeutet werden, so die Kritik. „Indem er in diese Kirche geht, unterstützt Bush die Kontrolle der Religion durch den chinesischen Staat, der die unabhängigen religiösen Gruppen in China erstickt“, erklärte der Amnesty-Regionalbeauftragte für Asien, T. Kumar, vergangenen Freitag in Washington.
Rund 60 Millionen Christen im Untergrund
Die protestantische Kuanjie-Kirche steht unter der Aufsicht der „Patriotischen Drei-Selbst-Bewegung“ (TSPM). Zusammen mit dem 1980 gegründeten Chinesischen Christenrat (CCC) gilt die Drei-Selbst-Bewegung als einzig zugelassene Vertretung der protestantischen Christen in China, berichtet das christliche Hilfswerk „Open Doors“. Die Zahl ihrer Mitglieder wird auf 16 bis 18 Millionen geschätzt.
Auch die katholische Xishiku-Kirche, in Peking als „Nord-Kirche“ bekannt, wird ebenfalls von der „Drei-Selbst-Bewegung“ kontrolliert. Die offiziell anerkannte katholische Kirche Chinas musste sich in den fünfziger Jahren vom Papst lossagen und ernennt seither ihre eigenen Bischöfe. Daneben existiert eine Untergrundkirche, die dem Papst untersteht und von der chinesischen Regierung als illegal verfolgt wird. Durch Verständigungsversuche mit dem Vatikan innerhalb der letzten Jahre sind viele Bischöfe insgeheim anerkannt worden. Dies gilt auch für den neuen Bischof von Peking, Joseph Li Shan.
Die Zahl der chinesischen Christen beläuft sich Schätzungen von „Open Doors“ zufolge auf rund 80 Millionen. Dazu zählen 15 Millionen katholische Christen und 12 Millionen Protestanten der staatlich anerkannten Drei-Selbst-Kirche. Die restlichen 60 Millionen treffen sich in Untergrundkirchen und Hausgemeinden, die nicht vom Staat organisiert werden. Die Mehrzahl der Christen lehne es ab, ihre Gottesdienste in staatlich genehmigten Kirchen abzuhalten, da diese durch Regierungsbehörden überwacht und gesteuert würden. Laut Informationen von „Open Doors“ kommt es vor allem in ländlichen Regionen zu Inhaftierungen und Misshandlungen der Leiter von Hausgemeinden.
Temporäre Toleranz
Anlässlich der Olympischen Spiele zeige sich die atheistische Regierung Chinas jedoch religiös tolerant, so die „F.A.Z.“ Im Olympischen Dorf gibt es Gebetsstätten und den Besuchern stehen die Türen der Kirchen Pekings während der Spiele offen, die sonst üblicherweise außerhalb der Gottesdienstzeiten geschlossen bleiben. Ebenso darf die deutschsprachige katholische Gemeinde Pekings während der Olympiade erstmals sonntags in einer chinesischen Kirche in deutscher Sprache und mit einem deutschen Pfarrer Gottesdienst feiern. Zur Eröffnungsfeier lud die Pekinger Regierung sogar den Weihbischof von Hongkong ein. Der Hongkonger Kardinal Zen, der als lautstarker Kritiker der Pekinger Regierung gilt, erhielt dagegen keine Einladung.