Bundestags-Debatte: „Religionsfreiheit weltweit schützen“

Politiker aller großen Parteien haben am Donnerstag im Bundestag über das Thema "Religionsfreiheit" diskutiert. Während sich die Unions-Parteien vor allem für die Unterstützung der Christen weltweit aussprachen, warben SPD, Grüne und Linke dafür, den Islam besser in Europa zu integrieren.

Von PRO

Bundesaußenminister Guido Westerwelle nannte den Einsatz für Religionsfreiheit ein "zentrales Anliegen der Bundesregierung". "Jeder Mensch muss den Glauben leben dürfen, den er für sich als wahr erkannt hat", sagte der Außenminister. Das gelte auch für Atheisten. Mit Bezug auf das Minarettverbot in der Schweiz sagte er, der Schutz der Religionsfreiheit sei mehr als "die Frage von Gebäuden", er sei eine Sache des gesellschaftlichen Klimas. So dürften sich nicht etwa nur Christen für Christen oder Hindus für Hindus einsetzen. Vielmehr müsse ein "Miteinander der Religionen" durch Dialog und gegenseitigen Respekt geschaffen werden. "Religionsunterdrückung ist nicht Ausdruck von Kultur, sondern von Unkultur", sagte Westerwelle weiter. Aber auch grundlegende Menschenrechte dürften nicht im Namen der Religion beschnitten werden. So könnten etwa Karikaturen niemals eine Rechtfertigung für Gewalt sein. Damit bezog sich der FDP-Vorsitzende auf den Karikaturenstreit, der 2005 weltweit Ausschreitungen ausgelöst hatte.

Angestoßen hatte die Bundestagsdebatte die CDU/CSU-Fraktion. In einem Antrag zum Thema "Religionsfreiheit weltweit schützen" hatten die Unionsparteien dafür plädiert, dass sich eine "wertegebundene deutsche Außenpolitik" auch im internationalen Kontext für das "elementare Menschenrecht auf Religionsfreiheit" einsetzt. Die Fraktion forderte den Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechte, Markus Löning, dazu auf, regelmäßig zur Lage der Religionsfreiheit weltweit Stellung zu nehmen. Auch die Botschaften vor Ort sollten Kontakt mit den bedrohten Minderheiten pflegen. "Mit großer Sorge" nähmen die Politiker zudem zur Kenntnis, dass "in Gremien und Unterorganisationen der Vereinten Nationen seit einigen Jahren von einer Gruppe von Staaten der Versuch betrieben wird, mit der Begründung, den Islam schützen zu wollen, die Geltung der Menschenrechte – insbesondere der Meinungsfreiheit – massiv einzuschränken". So habe die "Organisation der Islamischen Konferenz" (OIC) versucht, einen "Schutz der Religionen" völkerrechtlich zu verankern, der dem Islam bestimmte Ausnahmerechte gewähre. Im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen sei im März die von Pakistan eingebrachte Resolution gegen die "Diffamierung von Religion" angenommen worden. Die Fraktion teilt dazu mit: "Eine einseitige Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit zu Gunsten von abstrakten Konzepten oder einzelnen Glaubensrichtungen ist nicht akzeptabel".

Steinbach: Verfolgung unter dem "Diktum der Scharia"

Am Donnerstag bekräftigten Volker Kauder und Erika Steinbach, beide CDU, diese Anliegen. "Wir erwarten, dass die Behörden die Christen schützen", sagte Kauder und wies auf die Unterdrückung der Christen in der Türkei und die "brutalen Übergriffe" gegen sie in Indien hin. Genauso, wie Muslime in Deutschland Moscheen bauen dürfen müssten, sollten auch Christen, etwa in der Türkei, das Recht auf freie Religionsausübung erhalten. "Der Glaube an etwas nach unserem Leben, diese glückliche Erfahrung, muss jeder machen können", sagte Kauder. Das Thema Christenverfolgung müsse offen angesprochen werden, um ein Umdenken repressiver Regierungen zu erreichen. Schließlich wolle kein Land gerne öffentlich am Pranger stehen. Steinbach betonte, Religionsfreiheit gebe es in zahlreichen Ländern nur auf dem Papier. Viele dieser Staaten stünden unter dem "Diktum der Scharia". In Richtung derer, die auch in Europa Einschränkungen der Religionsfreiheit beanstanden, sagte sie, die Situation außerhalb der EU sei weitaus dramatischer. Zwischen Europa und dem Rest der Erde lägen diesbezüglich Welten.

Der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Christoph Strässer, kritisierte den Unions-Antrag für Religionsfreiheit: Er "springt zu kurz", sagte er. Nicht nur Christen würden weltweit verfolgt, auch die Buddhisten in China verdienten Beachtung. Er wünsche sich zudem eine offene Diskussion über Minarette und Islamophobie in Deutschland. Seine Parteigenossin Angelika Graf erklärte, das Minarettverbot mache deutlich, dass auf lange Sicht die Religionsfreiheit in Europa gefährdet sein könnte. Sie forderte einen staatlichen Islamunterricht. Er sei "ein wichtiger Teil des Weges junger Muslime" in die deutsche Kultur. Auch Grünen-Politiker Volker Beck forderte den Bundestag auf, sich nicht einseitig auf "unsere Leute, die woanders verfolgt werden" zu konzentrieren. Die "Weltreligion Islam" müsse "endlich" in Deutschland gleichgestellt werden. Tom Koenigs von den Grünen betonte, im Hintergrund der Debatten um Burka und Minarette stehe die Vorstellung eines christlichen Abendlandes. Europa sei aber nicht das Projekt einer Religion, sondern das unterschiedlicher Religionsgemeinschaften und Areligiöser. Fundamentalismus müsse nicht nur unter Muslimen, sondern auch unter Christen, Juden, Orthodoxen und Atheisten bekämpft werden.

Linke: "Die Zeit des Missionierens ist vorbei"

Der religionspolitische Sprecher der Linken, Raju Sharma, sagte, der Bezug der Unionsparteien auf die Verfolgung christlicher Minderheiten verstärke das "Islambashing". So lande ein Moslem, der zu oft eine Moschee besuche, rasch in einer Antiterrordatei. Ein Christ müsse das nicht befürchten. Die evangelische und katholische Kirche werde gegenüber anderen Religionsgemeinschaften vom deutschen Staat bevorzugt. Sharma sprach sich für die Einführung des Laizismus und die Abschaffung des Gottesbezugs in der deutschen Verfassung aus. "Die Zeit des Missionierens ist endgültig vorbei", sagte er.

Gelobt wurde der Einsatz für die Religionsfreiheit der CDU/CSU-Fraktion im Vorfeld der Debatte von der Hilfsorganisation für verfolgte Christen, "Open Doors". Der Vorstoß sei ein Schritt in die richtige Richtung, teilte das Werk mit. Die Bundesregierung zeige damit, dass es ihr ernst sei, den im Koalitionsvertrag verankerten Einsatz für Religionsfreiheit umzusetzen. Auch zum Antrag der OIC zum "Schutz der Religionen" äußert sich "Open Doors": "Bei erfolgreicher Verabschiedung würde, so die Einschätzung von Open Doors, die Religionsfreiheit, aber auch die Meinungs- und Pressefreiheit, eingeschränkt werden. Berichte über die Verfolgung von Christen etwa in islamischen Ländern würden dann als Beleidigung des Islam ausgelegt und müssten unterlassen werden." "Open Doors" schätzt, dass derzeit 100 Millionen Christen weltweit aufgrund ihres Glaubens verfolgt werden.

Es sei "dringend notwendig", dass das deutsche Parlament sich "sehr prominent mit der Frage der Religionsfreiheit" beschäftigt", teilte auch der Beauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung, Wolfgang Baake, mit. Er bedankte sich beim Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder und bei Bundesaußenminister Guido Westerwelle dafür, dass sie in der Debatte das Wort ergriffen haben. Damit hätten diese "beiden Spitzenpolitiker ein unübersehbares Zeichen" gesetzt. Der Menschenrechtsbeauftragte des "Internationalen Katholischen Missionswerks in Deutschland" (missio), Otmar Oehring, teilte mit: Von deutschen Politikern sei zu erwarten, dass sie sich nicht nur anlässlich der Bundestagsdebatte "wortgewaltig für Religionsfreiheit einsetzen, sondern auch bei ihren politischen Kontakten in Ländern, in denen die Religionsfreiheit mit Füßen getreten wird". (pro)

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