"Die Linkspartei fährt eine Doppelstrategie: Während Gregor Gysi auf der Vorderseite des Linken-Hauses vor Antisemitismus warnt, gibt es im Hinterhof Linken-Politiker, die sich als Antisemiten immer wieder in Erscheinung bringen", sagte Hans-Peter Uhl, Innenexperte der Unionsfraktion. Es gelte, diese Doppelstrategie zu brandmarken, weil die Linkspartei "im Spektrum des Antisemitismus nach Wählerstimmen" fische. Uhl präsentierte einen Ausdruck des antisemitischen Flugblattes, das Ende April auf der Website des Kreisverbandes Duisburg der Linkspartei entdeckt worden war. Es zeigt ein in einen Davidstern eingewobenes Hakenkreuz und spricht von einer "moralischen Erpressung durch den sogenannten Holocaust".
Die Aussprache zum Thema "Aktuelle sozialwissenschaftliche Untersuchungen zu möglichen antisemitischen und israelfeindlichen Positionen und Verhaltensweisen in der Partei Die Linke" war von Union und FDP beantragt worden. Auslöser war neben dem von Uhl erwähnten Vorfall eine Studie von zwei Wissenschaftlern aus Gießen und Leipzig über wachsenden Antisemitismus in der Linkspartei.
SPD: "Antisemitische Kampagnen werden salonfähig gemacht"
Christian Lange (SPD) sagte bei der aktuellen Stunde, dass Antisemitismus auch in der Mitte der deutschen Parteienlandschaft zu finden sei. Im Gegensatz zur Linkspartei würden jedoch alle anderen Parteien "jede Art des Antisemitismus sofort und ohne Wenn und Aber zurückweisen", und zwar "nicht von einigen wenigen, sondern von allen", insbesondere von allen Bundestagsabgeordneten. "Dies ist leider bei Ihnen nicht der Fall", sagte er an die Abgeordneten der Linkspartei gewandt. Stattdessen kämen aus der Linkspartei sowohl Äußerungen als auch Aktivitäten, die einen "fassungslos" machten. Man dürfe nicht länger hinnehmen, dass "unter dem Deckmantel der Israel-Kritik antisemitische Vorurteile oder Kampagnen salonfähig werden".
Der FDP-Abgeordnete Stefan Ruppert erinnerte in seiner Rede daran, dass sich einzelne Mitglieder der Linksfraktion im Januar 2010 nicht erhoben hatten, als der israelische Staatspräsident Schimon Peres bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus im Bundestag gesprochen hatte. "Da war für mich sichtbar, dass Teile Ihrer Fraktion eben einen antisemitischen Unterton nicht nur dulden, sondern auch pflegen." Gleichzeitig lobte Ruppert Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, die sich glaubwürdig mit dem Thema auseinander setze.
Volker Beck fordert Bekenntnis gegen Antisemitismus
Volker Beck von den "Grünen" machte in seiner Rede deutlich, dass die antisemitischen Vorfälle rund um Abgeordnete der "Linken" keine Einzelfälle seien. Er kritisierte besonders die Linken-Abgeordnete Inge Höger. Sie hatte Ende Mai 2010 an der sogenannten Gaza-Hilfsflottille und seitdem an mehreren "israelkritischen" Veranstaltungen teilgenommen. Auf Högers Homepage wurden Spekulationen darüber veröffentlicht, dass der israelische Araber Juliano Mer-Chamis und der Italiener Vittorio Arrigoni, zwei pro-palästinensische Aktivisten, "wahrscheinlich von Israel ermordet" worden seien, obwohl es darauf keinen Hinweis gegeben habe. Vielmehr seien Salafisten für die Taten verhaftet worden. "Ihnen passiert aber ein Missgeschick nach dem anderen", sagte Beck ironisch zu Höger und nannte weitere Beispiele für antisemitische Vorfälle bei den "Linken". "Schauen Sie genauer hin und bekennen Sie sich klarer zu einer Politik gegen Antisemitismus", forderte er.
Luc Jochimsen: "Wir dulden keine Antisemiten"
Für die Linkspartei, die aufgrund ihrer Fraktionsgröße nur einen Redebeitrag leisten durfte, sprach die ehemalige Bundespräsidentenkandidatin Lukrezia "Luc" Jochimsen. "Wir dulden keine Antisemiten", erklärte sie. Wegen des antisemitischen Flugblattes, das "fälschlicherweise" auf die Homepage des Kreisverbandes Duisburg gelangt sei, habe die Partei Strafanzeige erstattet. Jochimsen kritisierte an ihren Vorrednern eine "Gleichsetzung von rechtsextrem und links" und eine "Stimmungsmache" gegen ihre Partei. "Für mich ist das große gesellschaftliche Problem des Antisemitismus in Deutschland zu bedrängend und zu ernst, um es im Parlament mit dem üblichen Politreflex zu behandeln."
Als Beispiel für israelfreundliche Politik ihrer Partei nannte Jochimsen einen Antrag für die Freilassung des seit 2006 in palästinensischer Geiselhaft gehaltenen israelischen Soldaten Gilad Schalit, den "Die Linke" ins Parlament eingebracht habe. Er sei von den anderen Fraktionen mit der Begründung abgelehnt worden, "mit den Linken zusammen machen wir einen solchen Antrag in diesem Parlament nicht". Diese Darstellung Jochimsens ist jedoch irreführend. In Wahrheit hatten Union, FDP, SPD und Grüne im November 2010 in einem Antrag die Freilassung Schalits gefordert. Die Linkspartei hatte sich dazu enthalten. Sie hatte zuvor einen eigenen Antrag vorgelegt, der die Freilassung Schalits als ein "humanitäres Zeichen" für die Entlassung "palästinensischer politischer Häftlinge" bezeichnete. Der Antrag, der de facto Israel zur Freilassung palästinensischer Häftlinge aufforderte, wurde von Union und FDP bei Enthaltung von SPD und Grünen abgelehnt.
Wegen der Verbrechen an den Juden während des Nationalsozialismus habe Deutschland, so Jochimsen, eine besondere Verantwortung gegenüber Israel und "gegen jede Art von Antisemitismus, Rassismus, Unterdrückung und Krieg". (pro)