Bundesgerichtshof spricht Ehefrau frei

Der Bundesgerichtshof hat eine Frau freigesprochen, die ihrem bettlägerigen Ehemann auf dessen Wunsch eine tödliche Überdosis Insulin gespritzt hatte. Die Richter urteilten, dass sich die frühere Krankenschwester „unter keinem Gesichtspunkt strafbar gemacht“ habe.
Von Johannes Blöcher-Weil
Tote Hand

Eine Frau hilft ihrem bettlägerigen Ehemann beim Suizid. Sie spritzt ihm eine tödliche Überdosis Insulin. Damit hat sie sich laut Bundesgerichtshof nicht strafbar gemacht. Sie habe ihren Mann nicht durch aktives Tun getötet. Ihr Verhalten stelle sich vielmehr als straflose Beihilfe zum Suizid dar, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss vom 28. Juni (Az. 6 StR 68/21).

Die obersten Strafrichter hoben die Verurteilung des Landgerichts Stendal wegen Tötung auf Verlangen auf und sprachen sie frei. In Deutschland ist die Selbsttötung nicht strafbar und die Beihilfe im Grundsatz ebenfalls nicht, sondern nur die aktive Sterbehilfe. Man darf einem schwerkranken Menschen auf dessen Wunsch ein tödliches Medikament ans Bett stellen – aber einnehmen muss er es selbst.

Laut Medienberichten litt der Mann seit Jahren an chronischen Schmerzen, Diabetes, Depressionen und etlichen anderen Krankheiten. Im August 2019 habe er sich dann entschieden, den Schritt zu gehen, der jetzt vor Gericht verhandelt wird. An einer der sechs Spritzen war ihr Mann im Laufe der Nacht gestorben. Einen Arzt informierte die Ehefrau wie besprochen nicht.

BGH: Wird den Besonderheiten des Falls nicht gerecht

In erster Instanz war die Frau vom Landgericht Stendal im November 2020 zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden, weil sie aktiv handelnd die Spritzen gesetzt habe. Laut BGH wird das „den Besonderheiten des Falles nicht gerecht“. Ihr Ehemann habe das Geschehen beherrscht. Die Richter sehen die Einnahme der Tabletten und die Insulin-Spritzen als „einheitlichen lebensbeendenden Akt“.

Der Senat äußerte darüber hinaus aber auch grundsätzliche Zweifel an der Strafvorschrift des Paragrafen 216. Die Richter verwiesen auf das große Sterbehilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Februar 2020. Dieses hatte damals das Verbot der sogenannten geschäftsmäßigen Sterbehilfe (Paragraf 217) für nichtig erklärt. Damit wollte die Politik vor allem den Sterbehilfe-Vereinen das Handwerk legen.

Patientenschützer haben ob des aktuellen Urteils Alarm geschlagen. Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz, sieht die Grenze zwischen Suizidbeihilfe und aktiver Sterbehilfe verschwimmen. Mit dem Urteil sei der Damm „zur aktiven Sterbehilfe gebrochen“. Er forderte den Bundestag auf, klarzustellen, dass das Töten durch andere „weiterhin verboten bleiben“ muss.

Derzeit ringen die Abgeordneten im Deutschen Bundestag um eine Nachfolgeregelung für den gekippten Paragrafen 217. Im Raum stehen drei fraktionsübergreifende Entwürfe, die im Juni erstmals im Plenum diskutiert wurden.

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2 Antworten

  1. Ganz schweres Thema.

    Was sagt die Kirchenleitung dazu?

    Was ist die Aufgabe der Kirche?

    Was sagen die Bekennenden Gemeinschaften, die z.Z. in Loccum tagen, dazu?

    Ich selbst habe – z.Z. – eine Meinung:
    Jedes Leben, jeder Mensch ist wertvoll.
    Niemand darf über das Leben eines anderen aktiv entscheiden.

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  2. Die ganze Diskussion um Aktive Sterbehilfe ist eigentlich nicht nötig. Ein Arzt hat mich (ehrenamtlicher Betreuer) mal über das Sterbenfasten aufgeklärt, wonach schon immer niemand gegen seinen Willen ernährt wird. Somit beteiligt sich ein Angehöriger oder Pfleger nicht aktiv mittels Spritze o.ä.
    Weshalb hört man davon in den Medien nichts?

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