Biologe Scherer: Evolutionstheorie nicht letzte Wahrheit

Der Münchener Biologe Siegfried Scherer hat den Kirchen empfohlen, die Evolutionstheorie zwar zu respektieren, aber nicht als letzte Wahrheit zu akzeptieren. Die Evolutionstheorie sei eine wissenschaftliche Theorie, die sich ändern könne, und eine sachliche naturwissenschaftliche Kritik jederzeit zulassen müsse, sagte Scherer in einem Interview mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Von PRO

Die Haltung vieler Evolutionsanhänger, sich aus weltanschaulichen Gründen gegen eine Kritik an der Evolutionstheorie zu wehren, bezeichnete Scherer als „fundamentalistisch“. Der Wissenschaftler ist Inhaber des Lehrstuhls für mikrobielle Ökologie an der Technischen Universität München.

Die Feiern zum 200. Geburtstag von Charles Darwin hält Scherer darüberhinaus für berechtigt, aber auch für einseitig. Im „Darwin-Jahr“ 2009 wird zum einen an die Geburt des Wissenschaftlers vor 200 Jahren, am 12. Februar 1809, im englischen Shrewsbury erinnert, aber auch an die Veröffentlichung  seines Werkes „Die Entstehung der Arten“ im November 1859, vor 150 Jahren.

Scherer sagte weiter, der Begründer der Evolutionstheorie sei zwar ein „ganz hervorragender Wissenschaftler gewesen, der grundlegende und bis heute gültige Einsichten über das Leben formuliert hat“. Angesichts moderner zellbiologischer und genetischer Befunde stehe die Evolutionstheorie heute allerdings auf „wackligeren Beinen“ als früher, so Scherer gegenüber dem epd.

Erforschungen unter „Ursuppenbedingungen“ gescheitert

Seiner Ansicht nach gibt es von Naturwissenschaftlern derzeit nur „Spekulationen“ darüber, nach welchen Mechanismen aus einfachen biologischen Strukturen komplizierte Organe werden könnten. Wie sich etwa aus einem Reptilbein ein Vogelflügel entwickelt haben soll oder aus einer Reptilschuppe eine Vogelfeder, das sei auf genetischer Ebene völlig ungeklärt.

Vor allem die Entstehung des Lebens der allerersten Zelle vor vielen Millionen Jahren liege weiterhin völlig im Dunkeln. Alle Laborversuche zur Erzeugung von Leben unter „Ursuppenbedingungen“ seien gescheitert, man habe nicht einmal ansatzweise so etwas wie eine „Urzelle“ schaffen können.

Wie Scherer laut epd weiter sagte, habe er als Atheist sein Biologiestudium begonnen, stand nach einem persönlichen Erweckungserlebnis aber dem Kreationismus nahe. Seine weiteren naturwissenschaftlichen Forschungen ließen ihn von dieser Position allerdings wieder abrücken.

Heute wirbt er für eine klare Trennung: Die naturwissenschaftliche Kritik könne lediglich die Mängel der Evolutionstheorie aufweisen und damit zu weiterer Forschung anregen. Einen Gottesbeweis, wie ihn Kreationisten oder Anhänger des „“ntelligent Design“ häufig aus wissenschaftlichen Erklärungslücken ableiten wollen, lehnt Scherer ab. „Man kann Gott nicht mit den Methoden der Naturwissenschaft erfassen.“

Siegfried Scherer ist unter anderem Mitverfasser des Schulbuches „Evolution – Ein kritisches Lehrbuch“. Das Buch wurde zwar mit dem deutschen Schulbuchpreis ausgezeichnet, stieß aber in wissenschaftlichen Kreisen auf Ablehnung. Für seine Position wurde der Biologe in den vergangenen Jahren immer wieder massiv kritisiert. So führte etwa die Einladung Scherers zu einer Veranstaltung zum Thema Evolution im Jahr 2005 durch den thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU) zu einer heftigen Debatte auch in den Medien. Das Hamburger Magazin „stern“ hatte vor der Veranstaltung geschrieben, Althaus wolle „bibeltreuen Evolutionskritikern ein Forum bieten“. Im ZDF-Magazin „Frontal 21“ war Scherer in einem im November 2005 ausgestrahlten Beitrag zudem ebenfalls massiv kritisiert worden.

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