Als stolze Enkelin des Mannes, der weithin für den Beginn der evangelikalen Bewegung steht, des verstorbenen Billy Graham, haben mich die vergangenen Jahre dazu gebracht, darüber nachzudenken, wie viel sich in dieser Bewegung in Amerika geändert hat.
Ich bin schon mein ganzes Leben lang in der Kirche, habe jede große Entscheidung von meinem Glauben leiten lassen. Aber jetzt fühle ich mich heimatlos. Wie so viele andere bin ich irritiert über die Kirche, der ich immer gedient habe, und die ihre Augen nun von allem abwendet, was sie lehrt. Ich höre jeden Tag von gläubigen Frauen, die alle dasselbe beschreiben: Ein Unbehagen in ihrem Herzen.
Trump zementiert das „Wir-gegen-die“-Mantra
Die meisten dieser Frauen gingen 2016 in die Wahlkabine und dachten, sie würden zwischen zwei schwierigen Optionen entscheiden. Sie hielten den Atem an, schlossen die Augen und gaben Donald Trump ihre Stimme, von dem viele dachten, er sei „das kleinere Übel“, während sie alle dieses Unbehagen spürten.
Ich spüre dieses Unbehagen jedes Mal, wenn unser Präsident darüber spricht, dass Sozialbauten keinen Platz in Amerikas Vororten haben. Jesus hat wiederholt gesagt, die Armen zu verteidigen und den Bedürftigen Güte und Barmherzigkeit zu erweisen. Unser Präsident hingegen wird nicht müde, ein „Wir-gegen-die“-Mantra zu zementieren, während fast alle unsere Kirchenführer dazu schweigen.
Ich fühle dieses Unbehagen jedes Mal, wenn unser Präsident oder seine Nachfolger über die Mauer sprechen, die dazu dienen soll, genau die Menschen fernzuhalten, von denen uns die Schrift sagt, dass wir sie willkommen heißen sollen. In Trumps Amerika werden Flüchtlinge nicht „wie Einheimische“ behandelt, wie es die Schrift eigentlich fordert (3. Mose 19,34). Stattdessen werden Familien getrennt, unter unhaltbaren Zuständen festgehalten und als minderwertig abgetan.
Trump geht so weit, über seine Pläne, Errungenschaften und unheiligen Taten gegen marginalisierte Gruppen zu prahlen, die mein Großvater liebte und denen er diente. Nun beobachte ich, während die Kirchenoberen schweigen, dass diese Gruppen keine Wertschätzung mehr von denen erfahren, die für sich beanspruchen, die Werte hochzuhalten, die mein Großvater gelehrt hat.
Mein zunächst leichtes Unbehagen wurde Anfang des Jahres zu einem heftigen Ruck, als unser Land durch Unruhen gespalten wurde, die zum großen Teil von der spalterischen Rhetorik des Präsidenten entfacht wurden. Ich sah, wie unser Präsident durch den Lafayette Square in Washington, D.C., lief, um ein Foto zu machen, nachdem friedliche Demonstranten mit Tränengas attackiert worden waren.
Er hielt eine Bibel in der Hand, die uns allen heilig ist. Doch er benutzte sie mit einer Herzlosigkeit, die jeden angreifen muss, der die Worte kennt, die in ihr geschrieben stehen. Er glaubte, dass diese Aktion ihn ehren würde – und zwar nur ihn. Doch die Kirche, die Gott eigentlich ehren soll, sagte nichts dazu.
„Evangelikal“ als Synonym für „Heuchelei“
Die wenigen evangelikalen Leiter, die sich überhaupt zu Wort meldeten, schienen den Präsidenten zu preisen. Dabei ließen sie unerwähnt, dass sein Verhalten dem Jesus, dem wir dienen, diametral entgegen steht. Die ganze Welt schaute dabei zu, wie das Wort „evangelikal“ zum Synonym für Heuchelei und Unaufrichtigkeit wurde. Mein Glaube und meine Kirche sind zur Lachnummer verkommen, und jeder derzeitige Versuch ihrer Mitglieder, die Taten Trumps zu verteidigen, klingen hohl und unaufrichtig.
Einer der Lieblingsverse meines Großvaters war Micha 6,8, wo uns gesagt wird, dass der Herr von seinem Volk fordert, gerecht zu handeln, Güte und Gnade zu lieben, und in Demut zu leben. Das sind die Merkmale unseres Glaubens, die wir der Welt zeigen sollten. Wir dürfen unseren Kirchenleitern nicht länger erlauben, unseren Glauben dermaßen verfälscht zu vertreten.
„Man hat dir mitgeteilt, Mensch, was gut ist. Und was fordert der HERR von dir, als Recht zu üben und Güte zu lieben und bescheiden zu gehen mit deinem Gott?“ (Micha 6,8)
Ich habe mir erlaubt, der Erschütterung meines Herzens nachzugeben und meine Stimme zu erheben. Das mag unpopulär sein, aber ich bin dabei fest in dem Glauben, dass dieser Schritt absolut mit der Kirche und ihren Lehren übereinstimmt.
Auf einer großen Familienfeier nahmen mich neulich mehrere weibliche Familienmitglieder beiseite, um mir dafür zu danken, dass ich etwas gegen eine Administration sagte, bei der auch sie sich unwohl fühlten. Ihnen standen die Tränen in den Augen, sie sprachen mit gedämpfter Stimme, aus Angst, mit ihrer Haltung allein zu sein oder zu riskieren, dass ihre Worte auf sie zurückfallen könnten.
Wie sind wir hier nur gelandet? Wie konnten wir als gottesfürchtige Frauen die Respektlosigkeit und Frauenfeindlichkeit unseres Präsidenten nur ignorieren? Warum haben wir den Eindruck, wir müssten unserem Unbehagen hinter vorgehaltener Hand in ruhigen Ecken Raum verschaffen? Dürfen wir etwa nicht aufstehen, wenn es sich so anfühlt, als würden alle anderen sitzen bleiben?
Der Gott, dem wir dienen, befähigt uns als Frauen dazu, zuallerst ihn zu repräsentieren, dann erst repräsentieren wir unsere Kirchen. Und wir repräsentieren Gott, bevor wir eine politische Partei oder einen Leiter repräsentieren. Wenn wir das vergessen, machen wir die Aufgabe klein, für die er uns erschaffen hat. Jesus hat Frauen geliebt, er hat ihnen gedient, er hat sie wertgeschätzt. Wir müssen uns selbst die Erlaubnis geben, dasselbe zu tun.
Folgt eurem Unbehagen
Wenn ein Flugzeug auch nur leicht vom Kurs abkommt, wird es niemals sein Ziel erreichen, wenn es nicht wieder einlenkt. Vielleicht ähnelt das der Reise von uns Frauen. Vielleicht zuckst du zusammen, wenn der Präsident suggeriert, dass sich Amerikas „Vorstadthausfrau“ mehr um ihren bürgerlichen Status als um Bedürftige kümmern soll, und gleichzeitig versuchst du, abschätzige Kommentare über das Aussehen von Frauen als Fake News abzutun.
Im Blick auf unsere Töchter, Nichten, Schülerinnen und auch auf uns spüren wir den Drang, unserem Unbehagen zu folgen. Vielleicht hast du dich vor vier Jahren anders gefühlt; wir handeln eben immer nach dem, was wir gerade wissen. Aber wenn wir unser Unbehagen weiter ignorieren, wie werden wir dann jemals ausmachen, was uns wirklich wichtig ist?
Ich habe mich dazu entschieden, auf mein Herz zu hören und auszusprechen, was ich denke. Nicht weil ich mich gut dabei fühle, sondern weil ich spüre, dass das die richtige Art ist, die Stimme zu benutzen, mit der Gott mich ausgerüstet hat. Nun bitte ich alle, die sich fühlen wie ich, dass ihr eurem inneren Unbehagen folgt und eure Gott-gegebene Stimme nutzt und Trump nicht erlaubt, dieses Land weitere vier Jahre zu führen.
Jerusha Duford ist eine evangelikale Autorin, Rednerin und Mitglied von „Lincoln Women“, das zum Trump-kritischen „Lincoln Project“ gehört. Dieser Text erschien zuerst in „USA Today“. Wir danken für die Abdruckgenehmigung.
Aus dem Amerikanischen von Nicolai Franz