"Ja, Sie bieten hier tatsächlich auf einen Gottesdienst", heißt es in dem Angebot. Und tatsächlich mag der ein oder andere sich erst einmal ungläubig die Augen reiben, wenn er auf die Anzeige von Stefan Piechottka und der Gemeinschaft der Evangelischen Kirche Marburg-Ortenberg stößt. Der Gewinner der Auktion darf das Thema eines Gottesdienstes im Oktober bestimmen – und den richtet die Jugend der Gemeinde auch noch in einer Kneipe aus.
Den ungewöhnlichen Ort haben sich die jungen Mitarbeiter der Kirche ausgesucht: "Ich habe sie gefragt, wo wir mal einen Gottesdienst machen sollen, und sie wollten eben in eine Kneipe", berichtet Piechottka. Das Marburger "Sudhaus", die älteste Kneipe der Stadt, gestattete den ungewöhnlichen Gottesdienst. Gerade für evangelistische Veranstaltungen ist eine solche Location geeignet, findet Piechottka. Durch die Räumlichkeiten kommt ein Vortrag von vorne, wie in den meisten Kirchen üblich, nicht in Frage. Stattdessen besteht das Konzept vor allem aus persönlicher Begegnung. Christen und Nichtchristen sollen in kleinen Gruppen an den Kneipentischen sitzen und sich über den Glauben unterhalten. Dazwischen gibt es kurze Impulse oder Glaubensberichte. Kleine Spiele sollen die Atmosphäre auflockern, etwa ein Jesus-Quiz. Für den Sieger gibt es Pommes und Bier. Ein Informationsheft räumt mit Vorurteilen auf, indem es Aussagen über Jesus darstellt. An den Tischen soll dann etwa über Sätze wie "Jesus hasst Schwule" diskutiert werden.
"Etwas machen, was nicht normal ist"
Nachdem es schon einige Testläufe gab, soll die evangelistische Veranstaltung nun richtig starten – mit einem besonders einladenden Angebot bei Ebay. "Wir wollten einfach etwas machen, was nicht normal ist", sagt Piechottka. Deshalb darf der Auktionsgewinner völlig frei ein Thema für den Abend des 4. Oktober auswählen. Mit einer kleinen Einschränkung: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Themen ablehnen, die unsere eigenen religiösen Überzeugungen verletzten oder die so inhaltsarm sind, dass eine Beantwortung nicht möglich ist. Ansonsten sind Ihrer Phantasie und Ihren Ideen keine Grenzen gesetzt", heißt es in der Angebotsbeschreibung.
Piechottka setzt darauf, dass die urige Kneipenatmosphäre und ein möglicherweise ungewöhnliches Thema vor allem Nichtchristen ins "Sudhaus" lockt. Die Räume bieten Platz für rund 100 Gäste. "Es geht uns nicht darum, die Hütte voll zu machen. Wir wollen vor allem unser Anliegen bekannt machen", sagt er und steht fest hinter der Idee des Kneipengottesdienstes: "Gottesdienste müssen unter den Menschen stattfinden. Wir müssen zu denen da draußen." Eine Meinung, die von seiner Gemeinde geteilt wird. Gegenwind für sein Vorhaben hat er bisher nicht zu spüren bekommen. Damit das auch so bleibt, war es ihm wichtig, in dem Angebot explizit darauf hinzuweisen, dass sich die Gemeinde nicht am finanziellen Erlös der Ebay-Auktion bereichern will: "Darum werden wir auch das Geld, das wir auf diesem Weg verdienen, als Spende an den Cervin weiterleiten. Cervin ist ein Rehabilitationszentrum für Drogenabhängige in Parana, Brasilien. Als Sieger der Auktion erhalten Sie eine Kopie der Spendenbescheinigung", heißt es in der Angebotsbeschreibung.
Sollte der Gottesdienst genügend Besucher anlocken, will die Gemeinde ihn einmal im Monat veranstalten. Und zwar mit einem simpel klingenden, aber herausfordernden Ziel: "Wir möchten mit dieser Auktion zeigen, dass der christliche Glaube tatsächlich Antworten gibt auf Fragen, die uns beschäftigen." Die Auktion läuft noch bis zum 25. September. (PRO)