GIS-Kontrolleur zu sein, ist in Österreich nicht unbedingt ein beneidenswerter Beruf. Denn die Beliebtheit jener Truppe, die in Österreich von Tür zu Tür geht, um nachzufragen, ob man einen Fernseher oder ein Radio besitzt, und die dann den Rundfunkbeitrag einkassiert, rangiert irgendwo zwischen Gebrauchtwagenverkäufern und den Zeugen Jehovas. Kein Wunder: Wer mag schon einen Fremden, der an der Tür läutet, unangenehme Fragen stellt und einem, eine Rechnung in die Hand drückt, wenn man die Wahrheit sagt?
Dass die GIS – das Pendant zur früheren Gebühreneinzugszentrale (GEZ) in Deutschland – vor gut 20 Jahren von „Gebühren Inkasso Service“ aus PR-Gründen in „Gebühren Info Service“ unbenannt wurde, spricht Bände – und ist freilich bloß eine Behübschung.
Doch nun dürfte es der GIS in ihrer heutigen Form bald an den Kragen gehen und so manche ihrer etwa 300 Mitarbeiter – darunter insbesondere die unbeliebten Kontrolleure – müssen sich wohl bald einen neuen Job suchen. Denn die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der anders als in Deutschland in einem großen Medienkonzern, dem ORF, zentralisiert ist – muss nach einem Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofs vom vergangenen Juli auf neue Beine gestellt werden.
Bisher waren nämlich streamingfähige Geräte wie Smartphones oder PCs von der GIS ausgenommen. Das sei jedoch verfassungswidrig, urteilte das Höchstgericht: „Eine Finanzierung über Programmentgelt hat einen die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichernden Aspekt. Bei einer solchen Finanzierung ist es wesentlich, dass grundsätzlich alle, die über Rundfunk am öffentlichen Diskurs teilhaben können, in die gesetzliche Finanzierung des ORF einbezogen werden und nicht eine wesentliche Gruppe – jene Personen, die ORF-Programme über das Internet empfangen – ausgenommen wird.“
Im besten Sinne öffentlich-rechtliches Programm wird gestrichen
Für die österreichische Bundesregierung erschien es politisch kaum praktikabel, die GIS-Kontrollen auch auf alle Smartphonebesitzer auszudehnen. Denn das waren laut einer Erhebung des Wiener Handelsverbands 2022 um die 90 Prozent der Bevölkerung. Es blieben also nur zwei realistische Optionen: die Finanzierung aus dem Bundesbudget – wie in der Mehrzahl der EU-Staaten – und eine Haushaltsabgabe für alle Bewohner und Betriebe des Landes – wie etwa in Deutschland.
Über längere Zeit wusste die aus der konservativen ÖVP und den Grünen bestehende Regierung in Wien offenbar keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Die für Medien zuständigen Parlamentsabgeordnete der Grünen schwankte öffentlich zwischen den beiden genannten Optionen, von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) war die längste Zeit kaum eine konkrete Aussage zu hören. Zuletzt forderte sie jedoch geradezu mantraartig einen „ORF-Rabatt“.
Seit Montag ist es nun offiziell, dass sich die Bundesregierung auf eine Haushaltsabgabe verständigt hat. Die genaue Ausgestaltung und die Höhe dieses Betrags ist noch unklar. Raabs Kalkül dürfte wohl sein: Eine Haushaltsabgabe, bei der prinzipiell jeder Haushalt einen Beitrag zahlen muss, lässt sich nur dann durchsetzen, wenn die ORF-Gebühr (die in Zukunft wohl nicht mehr GIS-Gebühr heißen dürfte) für alle billiger wird. Das würde sie zwar sowieso, wenn das Budget des öffentlich-rechtlichen Senders gleich bliebe, während zugleich mehr Haushalte zahlen müssten. Aber Letzteres reicht der Ministerin offenkundig nicht.
Der Generaldirektor des ORF, Roland Weißmann, verkündete gleichzeitig zu den Plänen der Ministerin ein Sparpaket, das ausgerechnet Teilbereiche des Konzerns betrifft, die im besten Sinne des Wortes öffentlich-rechtliche Inhalte produzieren: Allen voran soll das Radio-Symphonieorchester (RSO), das sich insbesondere der sogenannten ernsten Musik des 20. und 21. Jahrhunderts verschrieben hat und damit in der Musikstadt Wien eine Lücke füllt, in Zukunft eingespart werden. Da allerdings kaum jemand ein renommiertes Orchester mir nichts, dir nichts zusperrt, ist es gut möglich, dass die Politik hier noch auf die eine oder andere Weise eingreift.
Außerdem soll der Fernsehsender ORF Sport Plus, der kommerziell weniger erfolgreiche Sportarten wie Rodeln und Handball oder etwa auch Behindertensport überträgt, in Zukunft eingestellt werden. Schließlich hat Weißmann das Aus für die beiden Streaming-Plattformen Flimmit (für österreichischen Film) und myfidelio (für klassische Musik) verkündet.
Unabhängig vom Staatshaushalt
Wenn man schon laut nach einem „ORF-Rabatt“ ruft und unbedingt am Programm sparen will, fänden sich wohl andere Kandidaten, die genauso gut in einem Privatsender übertragen werden könnten: Etwa die Formel 1 oder volkstümliche Produktionen wie der Musikantenstadl. Es ist jedoch fast auszuschließen, dass Privatsender in Zukunft in großem Stil Behindertensport übertragen oder österreichische Filme senden würden. Und schon gar nicht würde ein Privatsender ein Rundfunkorchester aufrechterhalten.
In den vergangenen Monaten gab es mehrere Vorfälle, die wieder einmal nahelegten, dass Teile der Politikberichterstattung des ORF am Gängelband der Politik hingen oder hängen. Insbesondere wurde im Dezember ein entsprechender Skandal im ORF Niederösterreich bekannt, bei dem es um Vorwürfe von Einflussnahme auf das Programm geht. Gerade deshalb ist die Haushaltsabgabe im Vergleich zur Finanzierung aus dem Bundesbudget insgesamt aber die wesentlich bessere Option.
Denn wenn ein ORF-Chef jedes Jahr beim Finanzminister um Geld „betteln“ müsste, würde das erst recht Tür und Tor für politische Einflussnahme in die Politikberichterstattung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks öffnen, der sich dann durchaus zum Staatsfunk im Sinne eines Propagandasenders entwickeln könnte.