Berger in „Cicero“: Warum das Leiden zu Gott gehört

"Wie nah oder fern Gott zum Leiden steht – diese Frage unterscheidet die drei abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum, Islam) erheblich voneinander." Das schreibt der Heidelberger Theologe Klaus Berger in einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe des Magazins "Cicero" – und legt dar, warum das Leiden Jesu elementar zum christlichen Glauben gehört.
Von PRO

 „Der jüdische Gott kann wütend, zornig oder traurig sein, er kann sein Tun bereuen. Das Christentum geht noch einen Schritt weiter: Gott kommt dem Leiden so nahe, dass der Gottessohn selbst vom Tod nicht verschont wird“, schreibt Klaus Berger. Der Islam jedoch sehe Allah in „unnahbarer Erhabenheit“, er könne sich sehr wohl erbarmen. „Aber das ist dann eine Bewegung von oben nach unten“, so der Theologe, im islamischen Verständnis könne Allah nicht mitleiden oder gar selbst leiden.

„Der zentrale Punkt der Differenz“

Diese Leidensferne Allahs sei nach dem Koran insbesondere im Falle Jesu ausgeprägt. „Jesus kann noch nicht einmal Sohn Gottes genannt werden, denn so nah kann Gott den Menschen nicht kommen. Und Jesus stirbt erst bei seiner Wiederkunft am Ende der Tage.“ In dieser Auskunft im Koran liege „der zentrale Punkt der Differenz“ zwischen Christentum und Islam, so Berger in „Cicero“.

Nach islamischem Verständnis sei Jesus nicht gekreuzigt worden, stattdessen sei ein anderer am Kreuz gestorben. Jesus sei, so der Koran, entrückt worden. Wie schon die Gnosis, eine religiöse Bewegung des 2. und 3. Jahrhunderts nach Christus, und der Nestorianismus aus dem 5. Jahrhundert lehre auch der Koran, dass Jesus nicht Gott sein könne, weil er gelitten hat. „Der Abstand Gottes von Leiden und Sterben ist so groß, dass es keine Verbindung gibt zwischen dem Leiden Jesu und der Erlösung der Menschen“, fasst Berger die Lehren zusammen.

„Hinter mich, Satan!“

Der entscheidende Einwand komme jedoch aus den Evangelien, so der Theologe. Darin werde die Gottessohnschaft Jesu eindeutig mit seinem Leiden verbunden. Berger zitiert die Bibelstelle aus Markus 8, laut der Petrus den von Jesus selbst angekündigten Leidensweg abgelehnt hat. Jesus allerdingt gibt daraufhin Petrus zur Antwort: „Hinter mich, Satan.“ Mit seiner Meinung, Jesus dürfe nicht leiden, „steht Petrus plötzlich auf der Seite Satans“, so Berger.

Der Theologe schreibt weiter: „Die Auskunft des Neuen Testaments ist ganz klar: Wer den Weg des Leidens aus dem Weg zu Gott ausschließt, sei es für Jesus, sei es für sich selbst, steht, wenn er nicht umkehrt, auf der Seite des Teufels. Dieser Vorwurf trifft auch die moslemische Beurteilung des Leidens Jesu.“

Die christliche Überzeugung sei es vielmehr, dass im Leiden Jesu Gottes Herz verletzt werde. „Gott hat sich in ihm berührbar und verletzbar gemacht. So etwas geschieht aus Liebe. Es ist der Preis, den Gott dafür bezahlt, dass er so nahe bei den Menschen ist.“ Die Hoffnung der frühen Predigt sei es daher: „Vielleicht bewegt wenigstens Gottes Schmerz das harte Herz der Menschen.“

Den ganzen Beitrag lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Politmagazins „Cicero“ (Ringier-Verlag).

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