Geht es nach den belgischen Abgeordneten, soll das Tragen jedes Kleidungsstücks, "welches das Gesicht ganz oder hauptsächlich verhüllt", bald verboten sein. Darunter fiele die Burka, die ein Stoffgitter vor die Augen setzt, und der Nikab, bei dem ein Sehschlitz frei bleibt. Helme, etwa bei Motorradfahrern, seien von der Regel ausgeschlossen, ebenso wie Kostüme an Karneval, berichtet das ZDF. Bei der Abstimmung am Donnerstag sprachen sich 136 Abgeordnete für das Gesetz aus, zwei enthielten sich, Gegenstimmen gab es nicht.
Sollte der Gesetzesentwurf auch den Senat passieren, wäre Belgien das erste europäische Land, das das öffentliche Tragen des islamischen Ganzkörperschleiers untersagt. Das Verbot soll dann an allen öffentlichen Orten gelten. Bei Zuwiderhandlungen sind 25 Euro Geldbuße oder bis zu sieben Tage Gefängnis geplant. Einen Termin für die Senatsentscheidung gibt es allerdings noch nicht. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) liegt das an der innenpolitischen Krise in Belgien. Ein Sprachenstreit zwischen Flamen und Frankophonen hatte vor einer Woche zum Rücktritt der Regierung von Yves Leterme geführt. Voraussichtlich wird im Juni neu gewählt. Ob die Senatsentscheidung noch vor diesen Wahlen fällt, ist fraglich.
Gegen die Burka, gegen die Menschenrechte?
Schon im Vorfeld der Abgeordneten-Entscheidung wurde Kritik an dem Gesetzesentwurf laut. Das Magazin "Focus" berichtet, dass die Menschrechtsorganisationen "Amnesty International" und "Human Rights Watch" darin Verstöße gegen die Grundsätze der Meinungs- und Religionsfreiheit sehen. Ein generelles Verbot werde "das Recht auf freie Meinungsäußerung und Religionsausübung der Frauen beschneiden", die die Burka freiwillig tragen, erklärte Amnesty International. Laut ZDF haben sich auch muslimische Vereinigungen und Vertreter der katholischen Kirche kritisch geäußert. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) zitiert den Grünen-Abgeordneten Fouad Lahssaini: "Die Regel könnte den bürgerlichen Freiheiten widersprechen."
Der christlich-demokratische Abgeordnete Georges Dallemagne sagte laut ZDF hingegen, der vollständige Schleier werde derzeit in Belgien durch "einige hundert Frauen" getragen, aber die Anzahl nehme zu. "Dieses Phänomen schockiert und verängstigt", sagte Dallemagne. Man müsse Menschen in der Öffentlichkeit erkennen können. Das Gesicht präge stark die Identität einer Person und werde daher auch auf Ausweisfotos gezeigt. Der liberale Abgeordnete Bart Somers bezeichnete den Schleier als "mobiles Gefängnis" für Frauen. "Wir hoffen, dass uns Frankreich, die Schweiz, Italien, die Niederlande, die Länder, die darüber nachdenken, folgen", sagte der frankophone Liberale Denis Ducarme nach Informationen des "Focus". In Belgien stelle die Burka allerdings eine Randerscheinung dar und dürfe nicht mit dem muslimischen Glauben gleichgesetzt werden. "Wir respektieren den Islam", sagte er.
Bisher hat eine Reihe belgischer Gemeinden die weitgehende oder vollständige Verschleierung untersagt. Die dpa zitiert die Zeitung "Le Soir", nach der acht Gemeinden in der Region Flandern, die bereits seit Jahren den Ganzkörperschleier im öffentlichen Leben verbieten, 2009 lediglich 29 Geldbußen verhängt haben. Die Burka ist in Belgien also ein Randphänomen, ein Verbot eher ein politisches Signal.
Auch in Frankreich soll abgestimmt werden
Auch in den Niederlanden, Österreich, Dänemark, Italien, der Schweiz und Frankreich wird derzeit über ein Verbot der Burka diskutiert. Am konkretesten sind die Pläne wohl in Frankreich, wo das Tragen der Burka laut SZ bald mit 150 Euro geahndet werden könnte. Wer eine Frau zum Tragen des Ganzkörperschleiers zwingt, solle sogar mit einer Geldbuße von 15.000 Euro und einem Jahr Gefängnis bestraft werden können. Seit knapp einem Jahr will die Regierung unter Nicolas Sarkozy die Vollverschleierung verbieten lassen. Im Mai will das Kabinett über das Verbot beraten. Ein Gesetz soll im Juli verabschiedet werden.
Dabei hatte die Kontroverse um das Burka-Verbot in Frankreich als simples Bußgeldverfahren begonnen. Ein Polizist hatte Anfang April in Nantes eine Bußgeldstrafe von 22 Euro gegen eine Autofahrerin verhängt, die im Ganzkörperschleier gefahren war. Aufgrund ihrer Verhüllung habe sie eingeschränkte Sicht, hieß es zur Begründung. Die 31-jährige zum Islam konvertierte Französin fühlte sich diskriminiert und beschwerte sich öffentlich. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) schreibt, daraufhin habe Innenminister Hortefeux eine Untersuchung angeordnet und wolle herausgefunden haben, dass der Ehemann der Muslimin vier Frauen habe, der fundamentalistischen Tabligh-Bewegung angehöre und Sozialhilfen und Kindergeld für zwölf Kinder erhalte, die von seinen verschiedenen Frauen stammen. Nun soll eine Ausbürgerung wegen Polygamie geprüft werden.
Kritiker werfen Sarkozy indes vor, die Burka-Debatte zu nutzen, um von politischen Fehlern abzulenken. "Keine Burka ist groß genug, um das Scheitern der Regierung in der Wirtschaftspolitik zu verbergen", zitiert die FAZ den Sozialisten Harlem Désir. Umfragen zufolge sprechen sich 70 Prozent der Franzosen für ein Burka-Verbot aus.
Und in Deutschland?
In Deutschland ist ein Burka-Verbot eher unwahrscheinlich, glaubt der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU). "Das ist in Deutschland schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich, so lange keine öffentlichen Interessen dagegen stehen", sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung". "Ich halte ein Gesetz auch nicht für nötig. Das muss der Gesetzgeber nicht regeln", sagte er. Öffentliche Interessen seien etwa dann berührt, wenn eine Schülerin vollverschleiert in die Schule gehe, eine vollverschleierte Frau als Zeugin vor Gericht auftauche oder Auto fahre. Ansonsten falle das Tragen der Burka unter "freie Entfaltung der Persönlichkeit".Weiter sagte er: "Ich selbst sehe das sehr kritisch." Die Burka sei "ein Zeichen der Abgrenzung und des religiösen Fundamentalismus" – und zwar mehr eines der Männer als der betroffenen Frauen. (pro)