Laut einer US-amerikanischen Studie von 2005 gehen immer weniger Katholiken zur Beichte. Entgegen diesem Trend erfreuen sich jedoch virtuelle Angebote zum Sündenbekenntnis großer Beliebtheit. Wie CNN berichtet, legen Zehntausende ihre Beichte auf Internetseiten wie ivescrewedup.com oder mysecret.tv online ab. Dort können die Nutzer ihre Sünden bekennen, ohne ihren Namen zu nennen. Außerdem kann man auch die Bekenntnisse anderer lesen und bei mysecret.tv sogar kommentieren. Beide Angebote verweisen auf die Bibel.
Auch im deutschsprachigen Netz gibt es solche Angebote. Auf beichte.de wird man zum Beispiel gleich auf der Startseite aufgefordert, seine Sünden in ein Formular einzutippen. Bevor man sein Bekenntnis abschickt, erscheint noch der Hinweis: „Wenn Sie Ihre Verfehlungen wirklich bereuen, wird Ihnen wahrscheinlich vergeben. Ihre Daten werden nicht gespeichert!“ Klickt man dann auf den Button mit der Aufschrift „Herr, ich habe gesündigt!“, erscheint das „Vaterunser“ und schon hat man gebeichtet. Die Seite wird von einer Privatperson betrieben.
Satire: beichtstuhl-online.de
Während diese Seite scheinbar ernst gemeint ist, gibt es auch andere Fälle. Beichtstuhl-online.de zum Beispiel weist, noch bevor man auf die Hauptseite gelangt, deutlich darauf hin, die Homepage sei „ausschließlich als Satire anzusehen und zu nutzen! Wer ernsthaft beichten möchte, wende sich an eine offizielle Kirchenseite!“ Auch beichthaus.de hat offenbar keinen religiösen oder kirchlichen Hintergrund. Vielmehr nutzen viele die Plattform, um mit ihren Jungenstreichen und Jugendsünden zu prahlen.
Doch es gibt auch ernsthafte Seelsorgeangebote im Internet, beispielsweise die chatseelsorge.evlka.de der evangelischen Landeskirchen von Hannover und dem Rheinland oder kummernetz.de, ein Zusammenschluss mehrerer kirchlicher Beratungs- und Internetseelsorgestellen. Das katholische Bistum Hildesheim hat eine virtuelle Kirche auf der Jugend-Plattform funcity.de wo man auch mit Seelsorgern chatten kann.
Sozialethiker: „Internetseelsorge muss professionell sein“
„Dienste, die sich mit Online-Seelsorge beschäftigen, gibt es im Internet bereits seit geraumer Zeit“, sagt der Sozialethiker Wolfgang Nethöfel gegenüber der Nachrichtendienst „pressetext“. Er ist Professor am Fachbereich Evangelische Theologie an der Universität Marburg.
Nethöfel sieht Vor- und Nachteile in der virtuellen Seelsorge. „Obwohl die Kontaktaufnahme über das Internet mit einigen Risiken verbunden ist, habe ich in dieser Hinsicht keinerlei dogmatische Bedenken“, sagt der Theologe. Auch die Telefonseelsorge habe sich trotz anfänglicher Skepsis etablieren können. Dennoch besitze das Internet seine eigenen Gesetze, über die der User Bescheid wissen sollte, wenn er solche Onlinedienste in Anspruch nehme, so Nethöfel.
„Wichtig ist natürlich, dass die Seelsorge auch im Internet professionell durchgeführt wird.“ Wesentlich seien dabei Vertraulichkeit und Anonymität, so Nethöfel. Wie bei der klassischen Seelsorge stelle sich aber auch im Internet die Frage, „wann die Kompetenzgrenze der Seelsorge erreicht ist und wann der Betreffende professionelle psychologische Hilfe in Anspruch nehmen sollte“.